Aktuelle Probleme des Bauträgerrechts

Veranstaltung mit dem Vorsitzenden Richter am Kammergericht, Björn Retzlaff

Am 29.03.2023 fand die dreistündige Fortbildung des Berliner Anwaltsvereins mit dem Vorsitzenden Richter am Kammergericht, Björn Retzlaff, zum Thema Bauträgerrecht statt. Herr Retzlaff hat sich zum einen mit mutigen und durchaus kontroversen Entscheidungen im Baurecht einen Namen gemacht, zum anderen sind seine Fortbildungen äußerst lebendig und unterhaltsam gestaltet.

Martin Liebert | Rechtsanwalt | Rechtsanwaltssozietät Liebert & Röth

RÜCKTRITT VOM KAUFVERTRAG

Erster Schwerpunkt der Veranstaltung war der Rücktritt des Bauträgers in verschiedenen Konstellationen. Es zeigte sich, dass auch im Bauträgerrecht dem allgemeinen Schuldrecht besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist.
So ist § 323 Abs. 5 BGB von großer Bedeutung für die Frage, ob der Rücktritt des Bauträgers wirksam ist, wenn der Besteller überhöhte Mängel- oder Verzugsschadensansprüche geltend macht. Auch die Einrede des § 320 BGB spielt bei der Lösung derartiger Fälle eine zentrale Rolle. Da die Verpflichtung des Bauträgers aus dem Bauträgervertrag nach der MaBV immer zwei zu unterscheidende Teile umfasst, nämlich die Herstellungspflicht und die Übergabepflicht, ist § 320 BGB genau zu prüfen. Dies in mehrfacher Hinsicht.

„Solange der Bauträger die Wohneinheit noch nicht bezugsfertig hergestellt hat, befindet er sich in Verzug und kann sich insoweit nicht auf § 320 BGB berufen“

Denn solange der Bauträger die Wohneinheit noch nicht bezugsfertig hergestellt hat, befindet er sich in Verzug und kann sich insoweit nicht auf § 320 BGB berufen. Ab dem Zeitpunkt der im Wesentlichen mangelfreien Herstellung schuldet er jedoch nur noch die Übergabe der Wohneinheit Zug um Zug gegen Zahlung der Bezugsfertigstellungsrate (KG v. 27.06.2019, 21 U 144/18; KG v. 15.05.2018, 21 U 90/17). Dann wäre auch wieder Raum für die Anwendung des § 320 BGB.
Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen, wonach die Einrede des § 320 BGB gerade nicht erhoben werden muss, um den Verzug einer Vertragspartei zu verhindern. (BGH v. 24.10.2006, XZR 124/03; v. 23.05.2003, V ZR 190/02). Mit anderen Worten: Die Einrede des § 320 BGB hindert den Verzug eines Vertragspartners bereits dann, wenn er sie erheben könnte. Herr Retzlaff stellt daher die These auf, dass die einzelnen Einredephasen Schritt für Schritt ermittelt werden müssen, um festzustellen, welche der beiden Vertragsparteien sich zu welchem Zeitpunkt in Verzug befand bzw. § 320 BGB zur Anwendung kommen konnte.

AGB-PRÜFUNG

Bauträgerverträge bestehen in der Regel aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wobei die Wirksamkeit einzelner Klauseln regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen ist. Eine von Bauträgern häufig verwendete Klausel, die den Zeitpunkt der bezugsfertigen Herstellung einer Wohneinheit hinausschieben will, soweit und solange der Erwerber eine Kaufpreisrate bei Fälligkeit nicht gezahlt hat, wurde nun vom Kammergericht für unwirksam erklärt (KG v. 27.06.2019, KG 21 U 124/18).
Eine weitere AGB-rechtliche Entscheidung ist zur Hinterlegung der Schlussrate ergangen. Danach verstößt eine Regelung in einem Bauträgervertrag, wonach die Schlussrate bereits vor vollständiger Fertigstellung des Vertragsgegenstandes auf ein Anderkonto eines Notars zu zahlen ist, gegen § 309 Nr. 2 a BGB (KG v. 20.08.2019, 21 W 17/19).

CORONA-PANDEMIE

Wer sich Erhellendes zur Frage einer angemessenen Bauzeitverlängerung im Zusammenhang mit der Corona- Epidemie erhofft hatte, wurde enttäuscht. Gegenstand war lediglich eine Entscheidung des Kammergerichts (KG v. 24.05.2022, 21 U 156/21), in der sich der Bauträger pauschal auf die Corona-Pandemie berufen hatte. Das Kammergericht stützte sich dabei auf die bekannte Rechtsprechung, die von dem Bauträger einen baubetrieblichen Vortrag im Einzelnen zum Herstellungsprozess verlangt. Eine pauschale Entlastung durch Corona ließ das Kammergericht nicht zu.

VERZUGSSCHADEN

Weiterer Schwerpunkt waren die ersatzfähigen Schadenspositionen zu Gunsten der Käufer. Es finden sich die klassischen Schadenspositionen wie Miete der bisherigen Wohnung, Bereitstellungszinsen sowie Einlagerungskosten für die Küche und Möbel. Hinzu kommen entgangene Einnahmen aus der Vermietung der neuen Wohnung, und schlussendlich die Nutzungsausfallentschädigung, über die der BGH im Urteil v. 20.02.2014 (BGH, VII ZR 172/13) vergleichbar zur Nutzungsausfallentschädigung bei Pkw entschieden hatte.
Hier ist es für Herrn Retzlaff die entscheidende Frage, inwieweit eine Fühlbarkeit der Beeinträchtigung vorliegt. Ist also die neue Wohnung deutlich größer als die alte, genügt eventuell auch der höhere Standard der neuen Wohnung bei gleicher Größe und spielt gegebenenfalls eine bessere Lage der neuen Wohnung eine Rolle beim Nutzungsausfall.

„Es ist stets die Frage zu stellen, ob der Käufer materiellen Schadensersatz, immateriellen Schadensersatz in Form einer Nutzungsentschädigung oder eine möglicherweise vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe beansprucht“

Weiteres Thema war das schadensrechtliche Mantra, dass Schadenspositionen nicht kumuliert werden dürfen (KG v. 15.05.2018, 21 U 90/17). Es ist also stets die Frage zu stellen, ob der Käufer materiellen Schadensersatz, immateriellen Schadensersatz in Form einer Nutzungsentschädigung oder eine möglicherweise vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe beansprucht. Nach dieser Entscheidung des Kammergerichts sollen die Schadenspositionen gerade nicht nebeneinander geltend gemacht werden können.
Das Urteil v. 24.05.2022 (KG 21 U 156/21) bestätigt, dass beim Verzug des Bauträgers der entgangene Mieterlös eines Käufers, der die Wohnung zu diesem Zweck gekauft hat, zu erstatten ist. Dafür muss sich der Erwerber im Übrigen nicht den Umstand als Vorteil anrechnen lassen, dass er in dem Zeitraum der entgangenen Nutzung nicht mit Wohngeld der WEG belastet war (KG v. 15.05.2018, 21 U 90/17).

VERJÄHRUNG

Auch die kurze Verjährung des Verzugsschadens nach §§ 195, 199 ff. BGB, die der Bundesgerichtshof mit Urteil v. 19.05.2022 (BGH VII ZR 149/21) bestätigt hat, war kurz Gegenstand der Fortbildung. Das Urteil des Bausenats bestätigt die frühere Entscheidung des 5. Zivilsenats v. 07.11.2014 (BGH V ZR 309/12).

EINSTWEILIGER RECHTSSCHUTZ

Mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 hat der Senat von Herrn Retzlaff die bekannte Entscheidung aus dem Jahr 2017 (KG, 21 U 109/17) bestätigt, wonach der Anspruch auf Wohnungsüberlassung im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann.
Auf eine etwaige persönliche Notlage des Erwerbers kommt es nicht an, der Verfügungsgrund ergibt sich aus der finanziellen Belastung, die der Bauträgervertrag und eine etwaige Ersatzbeschaffung für den Erwerber mit sich bringen (KG v. 20.08.2019, 21 W 17/19).

FÄLLIGKEIT DER SCHLUSSRATE

Heftig diskutiert wurde die Frage, ab wann die Schlussrate tatsächlich fällig ist. Ob damit gemeint ist, dass tatsächlich eine vollständige Fertigstellung (mit Beseitigung aller Mängel) vorliegen muss und ob sich diese Auslegung aus der Entscheidung des BGH v. 27.10.2011 (BGH VII ZR 84/09) ableiten lässt.
Nach Auffassung von Herrn Retzlaff spricht hingegen viel dafür, dass die Schlussrate mit Abnahmereife fällig wird und der Erwerber im Gegenzug Zurückbehaltungsrechte nach § 641 Abs. 3 BGB in Bezug auf Mängel am Gemeinschaftseigentum entsprechend seinem Miteigentumsanteil geltend machen kann.

STREITWERT

Kurz noch einige Ausführungen zum Streitwert. Das Kammergericht folgt hier der neueren Rechtsprechung, wonach im Zusammenhang mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch in der Regel nur der offene und meist wegen Mängeln streitige Kaufpreisanteil den Streitwert ausmachen soll (KG v. 14.08.2018, 21 W 5/18). Anders verhält es sich, wenn über die Rückabwicklung oder die Wirksamkeit eines Rücktritts gestritten wird (KG v. 19.06.2019, 21 U 116/18).
Insgesamt eine kurzweilige und lehrreiche Veranstaltung. Die Veranstaltungen des Berliner Anwaltsvereins mit Richterinnen und Richtern des Kammergerichts kann man den Kolleginnen und Kollegen nur immer wieder empfehlen. Näher an der aktuellen Rechtsprechung kann man in Berlin kaum sein.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 06/2023 | 72. Jahrgang