Aktuelle Rechtsprechung des Kammergerichts zum Gewerberaummietrecht

Richter und Anwaltschaft im Dialog

Am 11. Juni 2024 referierte Herr Rainer Bulling zu den Entscheidungen des Kammergerichts zum Gewerberaummietrecht für den Zeitraum ab März – leider zum letzten Mal, da er als Vorsitzender Richter des 8. Senats am Kammergericht in den Ruhestand gegangen ist. Er stellte in gewohnt souveräner und entspannter Weise praxisrelevante Entscheidungen vor, wobei aus anwaltlicher Sicht gerade auch Hinweise „zwischen den Zeilen“ interessant waren. Einige der Fälle sollen hier näher vorgestellt werden, wobei ich zur besseren Verständlichkeit einige Entscheidungen teilweise etwas ausführlicher darstelle.1Für alles, was nicht richtig ist oder unklar dargestellt ist, bin ich verantwortlich, ebenso für die bemühten Überschriften und die Hinweise.

Johannes Hofele | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Breiholdt und Partner Rechtsanwälte | Sprecher des Arbeitskreises Mietrecht und WEG im BAV

1. WO GEHTS LANG?2Urteil v. 8.5.2023 – 8 U 2/21 BeckRS 2023, 36850.

Der Fall befasste sich inhaltlich mit der Frage, wie die Schreiben eines Jobcenters auszulegen sind, die als „Information über den Leistungsanspruch für „ bezeichnet sind, zur Vorlage beim Heimbetreiber bestimmt sind und Wohnheim, Flüchtling, Zeitraum und Tagessatz ausweisen. Ist dies eine öffentlich-rechtliche bindende Zusage, den nach § 22 SGB II bestehenden materiellrechtlichen Hilfeanspruch des Bewohners durch Direktzahlung an den Heimbetreiber zu erfüllen? Das Kammergericht bejahte das. Aber: Hier war vorweg die Rechtswegfrage zu prüfen. Das Kammergericht meinte, der Zivilrechtsweg sei eröffnet und die Zuständigkeit der Sozialgerichte bliebe gemäß § 17a Abs. 5 GVG außer Betracht. Der BGH hat das aber in der Zwischenzeit anders gesehen:3BGH v. 15.5.2024 – VIII ZR 293/23; BeckRS 2024, 14279. § 17 Abs. 5 GVG gelte nicht, wenn die Zulässigkeit des Rechtswegs schon in erster Instanz gerügt worden ist und das Erstgericht nicht – wie gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG geboten – einen beschwerdefähigen Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtswegs gefasst hat. In diesem Fall ist die Prüfung des Rechtswegs im Rechtsmittelverfahren nachzuholen.

2. WOHNST DU NUR ODER ARBEITEST DU AUCH? – ANWENDBARKEIT VON WOHNRAUMMIETRECHT ODER GESCHÄFTSRAUMMIETRECHT4Hinweisbeschluss v. 13.12.2023 – 8 U 111/23, n.v.

Der Fall: Eine GmbH tritt durch einen Nachtrag statt ihres Geschäftsführers als Mieter in einen Wohnungsmietvertrag ein. Es gab einen Nachtrag, in dem auf den ursprünglichen (Wohnraum-)Mietvertrag verwiesen wur de, aber dort waren die Mieterschutzvorschriften nach §§ 573 ff. BGB nicht wiedergegeben, es war lediglich eine Mieterhöhung gemäß § 558 BGB erfolgt. Die Vermieterin kündigt ordentlich und klagt auf Räumung.

Die Entscheidung: Zu Recht. Das Mietverhältnis ist als Geschäftsraummietverhältnis kündbar. Wohnraummietrecht ist nur anwendbar, wenn vertragsgemäßer Nutzungszweck eine eigene Wohnnutzung des Mieters ist, die bei einer juristischen Person nicht in Betracht kommt, und nicht eine Überlassung (auch zu Wohnzwecken) an Dritte, etwa an den Geschäftsführer des Mieters.

Hinweis: Man kann aber auch im Geschäftsraummietvertrag die Regelung des Wohnraummietrechts vereinbaren, dann muss man es aber auch richtig machen (vgl. KG v. 27.8.2015 – 8 U 192/14; BeckRS 2015,16900).

3. UND ALLE JAHRE WIEDER: SCHRIFTFORM

a) Nachträglich vereinbarte Umbauten I5Beschluss v. 16.3.2023 – 8 U 178/22 – GE 2023,450.

Der Fall: Ein befristeter Mietvertrag über Räume für eine TV-Produktionsfirma sieht Ausbaumaßnahmen der Mieterin vor. Nach Vertragsschluss stimmte die Vermieterin einem Bauantrag mit geänderten Grundrissen zu. Die Tätigkeit der Beklagten wurde im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg untersagt. Zwei Monatsmieten blieben aus. Die Vermieterin kündigte fristlos und ordentlich und klagt auf Räumung.

Die Entscheidung: Die fristlose Kündigung war hier aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ohne Abmahnung wirksam. Für die Beratungspraxis relevanter ist aber, dass das KG auch die ordentliche Kündigung für wirksam hält, weil die Schriftform nicht gewahrt war. Es liegt nicht fern, dass Vereinbarungen zu Um- und Ausbauarbeiten vertragswesentliche Bedeutung haben und daher der Schriftform unterliegen. Die erhebliche Umplanung der (zugunsten und zulasten beider Parteien vereinbarten) Ausbauten war eine wesentliche, formbedürftige Vertragsänderung, die – durch Einholung und Erteilung der Genehmigung der Vermieterin zum Bauantrag – (nur) konkludent erfolgt ist.

Hinweis: Vielleicht geht dieser Teil der Entscheidung in ein paar Jahren anders aus, falls sich ein Gesetzesentwurf durchsetzt, wonach die Textform ausreicht.6Hofele: Herabstufung der Schrift- zur Textform für langfristige Mietverträge, NZM 2024, 363. Aber bis es so weit ist, müssen die Parteien daran denken, alle Vereinbarungen schriftlich in einem Nachtrag festzuhalten. Es ist auch oberste BeraterInnenpflicht, dies den MandantInnen „einzubimsen“.

b) Nachträglich vereinbarte Umbauten II7Urteil v. 6.11.2023 – 8 U 10/23 – ZMR 2024, 290.

Der Fall: Teilflächen mehrerer Geschosse wurden sukzessive für einen Pensionsbetrieb befristet vermietet. Die Mieterin darf Umbauten nur mit schriftlicher Genehmigung der Vermieterin vornehmen. Die Vermieterin hatte während des Mietverhältnisses die schriftliche Zustimmung zum Bauantrag der Mieterin für einen Einbau von Bädern erklärt. Die Mieterin baut um. Die Erwerberin meint, es läge ein Schriftformverstoß vor, weil kein Nachtrag über den Badumbau geschlossen wurde, und klagt nach ordentlicher Kündigung auf Räumung.

Die Entscheidung: Ohne Erfolg, die Schriftform ist gewahrt: Das Recht zum Einbau der Bäder konnte vertragsgemäß durch eine (einseitige) Erklärung der Vermieterin eingeräumt werden. Einer besonderen Vereinbarung bedurfte es dafür nicht. Vertraglich vorgesehene einseitige Erklärungen unterliegen nicht § 550 BGB (s. BGH NJW 2013, 3361 zur Optionsausübung; BGH NJW 2014, 1300 zur Anpassung von Nebenkostenvorauszahlungen; BGH NZM 2018, 515 zur Erhöhung der Nettomiete).

Hinweis: Alles, was schon im Vertragstext angelegt ist, ist hilfreich gegen die Schriftformfalle. Das Beispiel mit der Option ist sehr erhellend: Ist im Mietvertrag eine Option des Mieters eingeräumt, ist der Erwerber gewarnt. Er muss beim Verkäufer (Vermieter) nachfragen, ob die Option ausgeübt ist oder nicht. Dieser recht klare Grundsatz wird m.E. in der Rechtsprechung leider nicht konsequent durchgehalten. Daher gilt immer noch: Immer einen Nachtrag machen.

c) Das enttäuscht mich jetzt aber …8Urteil v. 22.5.2023 – 8 U 47/22 – juris, NZB zurückgewiesen mit Beschluss v. 14.2.2024 – XII ZR 69/23.

Der Fall: Der Mieter mietet in einem Einkaufszentrum Räume „gemäß Planunterlagen inkl. anteiliger Gang-/Allgemeinfläche“. Die beigefügten Pläne weisen nur Flächen zur alleinigen Nutzung aus, nicht aber die Gang/Allgemeinfllächen. Der Mieter verpflichtet sich bei Einzug zum Einbau einer neuwertigen und mangelfreien Ladeneinrichtung, die der Vermieter genehmigen muss. Das Centerkonzept des Vermieters geht nicht auf, es hat weniger Kunden als erwartet. Der Vermieter wandelt zwei Jahre nach Eröffnung ca. 80 Prozent der Einzelhandelsflächen im Obergeschoss in Büros um. Der Mieter kündigt ordentlich und fristlos. Er meint, die Vereinbarung zur Ladeneinrichtung sei zu unbestimmt, was einen Schriftformverstoß zur Folge habe, außerdem sei die Fläche nicht bestimmt genug. Der Vermieter könne nicht einseitig einfach die Struktur des Einkaufszentrums ändern.

Die Entscheidung: Ohne Erfolg. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam, weil der Umstand, dass das Center nicht wie erhofft läuft, unter das Verwendungsrisiko des Mieters fällt. Etwas anderes gilt nur, wenn der Vermieter verbindliche Zusagen dazu gemacht hätte oder eine Gewähr für die Einhaltung einer bestimmten Mieterstruktur übernommen hätte. Das war hier nicht der Fall. Auch mit dem Hinweis auf § 313 BGB dringt der Mieter nicht durch.

Die ordentliche Kündigung ist unwirksam, die Schriftform gewahrt: Auch formbedürftige Vertragsklauseln sind der Auslegung zugänglich, sofern die Einigung beurkundet und der Inhalt bestimmbar ist, auch wenn ein Sachverhalt außerhalb der Vertragsurkunde in Bezug genommen wird. Die Mieträume sind in den beigefügten Plänen eingezeichnet. Das genügt.

4. MONEY, MONEY, MIETZINS

a) Was es nicht alles gibt: Gewerbliche Zwischenmiete und Kostenmiete9Urteil v. 8.5.2023 – 8 U 1144/20 – GE 2023, 746; NZB anh. zu XII ZR 62/23.

Der Fall: Im (Zwischen-)Mietvertrag über Wohnungen zur Überlassung an bedürftige Personen ist die Geltung des WoBindG vereinbart. Nach Wegfall der Preisbindung sollen die §§ 558 ff. BGB gelten. Aufgrund eines Bescheids von Ende 2015 entfiel die Preisbindung rückwirkend zum 31.12.2012. Die Mieterin klagt auf Rückzahlung von Erhöhungsbeträgen aus Mieterhöhungen im Zeitraum von 2013 bis 2015.

Entscheidung: Mit Erfolg. Die Mieterhöhungen sind unwirksam, weil es an den Voraussetzungen nach Wo- BindG fehlt. Durch die vorbehaltlosen Mietzahlungen auf die einseitigen Erhöhungserklärungen sind höhere Mieten nicht vereinbart worden. Es ist zwar eine Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB geboten, aber nicht über die ortsübliche Miete hinaus. Ausgangsmiete für hypothetische Mieterhöhungen gemäß §§ 558ff. BGB ist die zuletzt gezahlte Kostenmiete. Der Vermieter hat seit Auslaufen der Preisbindung keinen Anspruch auf die volle Kostenmiete. Sein vormaliger Verzicht, die volle Kostenmiete zu erheben, konnte nicht mehr widerrufen werden; auch lag in den Erhöhungserklärungen kein Widerruf. Die Rückforderungen sind schon wegen der Kappungsgrenzen überwiegend begründet und haben insgesamt Erfolg, weil die ortsüblichen Vergleichsmieten die Ausgangsmieten nicht überstiegen. Der Senat stützt sich (trotz eines vom Vermieter eingereichte Typengutachtens) auf den Indizwert des einfachen Mietspiegels (dazu BGH GE 2021, 49).

b) Vorwärts immer, rückwärts nimmer10Hinweisbeschluss v. 5.2.2024 – 8 U 174/23 – n. v., Berufung zurückgenommen.

Der Fall: Der Mietvertrag sieht formularmäßig vor, dass der Vermieter die Miete im Rahmen des Marktüblichen verbindlich auch rückwirkend festsetzen kann. Der Vermieter erklärt 2022 eine Mieterhöhung ab 1.1.2019 und klagt auf Nachzahlung.

Die Entscheidung: Ohne Erfolg: Die AGB ist zum einen wegen „Verbindlichkeit“ der Mietbestimmung unwirksam: Jedenfalls ist intransparent, ob nach kundenfeindlichster Auslegung (§§ 305c Abs. 2 BGB) eine Überprüfung der Billigkeit der Entscheidung gemäß § 315 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist. Ferner wird der Mieter durch eine rückwirkende Mieterhöhung unangemessen benachteiligt, denn er kann sich weder auf erhöhten Aufwand einstellen noch die Mehrbelastung durch Kündigung vermeiden, während der Vermieter die Marktüblichkeit der Miete zeitnah prüfen kann. Betriebskostennachzahlungen sind nicht vergleichbar, denn sie ergeben sich aus tatsächlich angefallenen Kosten, nicht aus einem Spielraum des Vermieters, ebenso Indexmietsteigerungen, die i.Ü. nach dem Leitbild des § 557b Abs. 3 Satz 3 BGB für die Zukunft gelten.

Hinweis: Der Vermieter ging hier gelinde gesagt sehr sportlich vor. Im Geschäftsraummietrecht gibt es keine gesetzliche Mieterhöhungsmöglichkeit. Andererseits kann man sehr viel machen, es gibt weder bei der Miethöhe noch bei der Mieterhöhung eine Begrenzung, außer Wucher. Man muss es aber richtig machen. Es ist dringend davon abzuraten, Mieterhöhungsklauseln auf Kante zu nähen. Funktioniert das nicht, fällt die Mieterhöhungsmöglichkeit für den gesamten Mietzeitraum weg.

5. GEWÄHRLEISTUNG – ÖFFENTLICH-RECHTLICHE VORSCHRIFTEN

a) Na gut, unentschieden11Urteil v. 16.3.2023 – 8 U 76/21 – juris; NZB anh. zu XII ZR 48/23.

Der Fall: Denkmalgeschützte Apothekenräume wurden als Lebensmittelmarkt vermietet. Der Mieter übernahm die Umbaumaßnahmen. Die Baugenehmigung für die Umnutzung wurde wegen des Abrisses von Trennwänden und unzureichender Deckenhöhe eines Büroraums versagt. Beide Parteien kündigten. Nach Rückgabe des Objekts klagt der Vermieter auf Mietzahlungen und Ersatz für Beschädigungen. Der Mieter verlangt mit der Widerklage Mietrückzahlungen und Aufwendungsersatz.

Die Entscheidung: Eine Mietminderung wegen öffentlich- rechtlicher Untersagung des vertragsgemäßen Gebrauchs kommt erst ab einem Einschreiten der Behörde in Betracht.

Ab diesem Zeitpunkt war die Miete um 50 Prozent gemindert, weil die Untersagung beiderseits zu vertreten war. Der Mieter hat die Schäden aus dem Abriss von Trennwänden zu ersetzen und kann keinen Aufwendungsersatz für Baumaßnahmen verlangen, die er vor Abschluss des Genehmigungsverfahrens (und damit vor Entstehung des Mangels, s.o.) getätigt und deren Nutzlosigkeit er mit zu vertreten hat.

b) (Wann) pfeift endlich der Schiedsrichter?12Urteil v. 23.3.2023 – 8 U 172/21 – juris.

Der Fall: Die Vermieterin verpflichtet sich zu Umbauten eines zweigeschossigen Doppelhauses zum Betrieb einer Kindertagesstätte, u. a. zu einem Durchbruch im OG zur Schaffung eines zweiten Rettungsweges. Die Mieterin hat notwendige Genehmigungen einzuholen. Die Behörde erklärt das Vorhaben als nicht genehmigungsfähig. Die Mieterin zahlt nicht, die Vermieterin klagt Mieten ein.

Die Entscheidung: Ohne Erfolg. Die Miete war auf null gemindert. Die Mieterin brauchte auch die Baugenehmigung gar nicht mehr zu beantragen, nachdem die Behörde unter Verweis auf Unfallverhütungsregeln und DIN-Norm ausgeführt hatte, was dem Umbau entgegensteht, und die Vermieterin die Übernahme diesbezüglicher Umbaukosten verweigert, den Vertrag gekündigt und Räumung verlangt hatte. Für den Sachmangel reicht hier aus, dass ein Einschreiten der Behörde ernstlich zu erwarten war und Einwände gegen eine behördliche Entscheidung offenbar keine Aussicht auf Erfolg hatten.

Hinweis: Auch das ist ein Klassiker und wird viel zu oft übersehen: Die objektbezogenen Umstände sind Sache des Vermieters. Insbesondere die Schaffung der objektbezogenen öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen können – jedenfalls durch AGB – nicht auf den Mieter übergewälzt werden. Die betriebsbezogenen Umstände dagegen sind Sache des Mieters. Mein Lieblingsbeispiel: Erhält ein Kneipier keine Baugenehmigung, weil ein solcher Betrieb in den Räumen baurechtlich überhaupt nicht zulässig ist, ist das ein Problem des Vermieters. Erhält er keine Konzession, weil er selbst sein bester Kunde ist, ist das das Problem des Kneipiers.

Allerdings kann der Mieter nicht immer sofort kündigen. Er muss je nach Fallgestaltung eine gewisse Zeit „abwarten“, ob die Behörde einschreitet bzw. er muss selbst so viel tun, dass klar ist, dass die Genehmigung nicht erteilt werden kann.

6. DAS EINE HAT MIT DEM ANDEREN NICHTS ZU TUN – RÜCKBAU13Beschluss v. 11.12.2023 – 8 U 99/22 – n. v.

Der Fall: Ein Teileigentum wurde als Laden mit rechtsseitig gelegener Eingangstür vermietet. Laut Vortrag der Mieterin lag bei den Vertragsverhandlungen ein Plan vor, der eine mittige Eingangstür vorsah. Sie sprach mit der Hausverwaltung über eine Änderung der Eingangssituation und übersandte der Vermieterin daraufhin eine entsprechende Baugenehmigung des Bezirksamts. Die Mieterin baute den Eingang um. Dumm nur: Die Vermieterin wurde in einem WEG-Prozess erfolgreich auf Rückbau in Anspruch genommen. Sie verklagt jetzt die Mieterin auf Rückbau.

Die Entscheidung: Das Urteil im WEG-Prozess hat keine Bindungswirkung: Dort war nach WEG-Recht zu entscheiden, hier nach Mietvertragsrecht. Die Vermieterin kann gemäß §§ 541 BGB nach erfolgter Abmahnung Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verlangen. Eine Vereinbarung über die bauliche Änderung ist nicht substantiiert vorgetragen. Die (behauptete) Übersendung eines Planentwurfs reicht ebenso wenig aus wie die Übersendung der Baugenehmigung und das Schweigen der Vermieterin hierzu. Die Vermieterin ist auch nicht verpflichtet, dem Umbau – der die architektonische Gestaltung des Gesamtobjekts deutlich verändert – zuzustimmen.

Hinweis: Hier hatte die Vermieterin wohl mehr Glück als Verstand, weil die Mieterin die Vereinbarung nicht beweisen konnte. Die Vermietung von Teileigentum ist immer ein Problem, weil der vermietende Sondereigentümer das Würstchen im Hotdog aus GdWE und seinem Mieter ist. Im Mietvertrag ist genau darauf zu achten, dass dem Mieter nicht mehr Rechte eingeräumt werden, als dem Vermieter aus der Teilungserklärungen und den Beschlüssen zustehen. Denn der Mieter kann sich auf das berufen, was in seinem Mietvertrag steht.

7. DARF ES ETWAS MEHR SEIN? – NEBENKOSTEN14Urteil v. 1.6.2023 – 8 U 23/23 – n. v.

Der Fall: Ein Mietvertrag von 2013 sieht eine „Nettokaltmiete“ und eine „Umlage der Betriebskosten“ vor. Nicht angekreuzt ist: „Betriebskosten sind in der Nettokaltmiete nicht enthalten“. Nebenkostenabrechnungen wurden bis 2019 weder erteilt noch verlangt. Die Mieterin kündigt ordentlich wegen eines Schriftformverstoßes.

Die Entscheidung: Die ordentliche Kündigung ist unwirksam. Die Schriftform des Mietvertrages ist gewahrt. In der Vertragsurkunde wurde eine Umlage der Betriebskosten vereinbart. Dazu genügen das Ankreuzen von „Nettokaltmiete (ausschließlich Betriebskosten, Heizung und Warmwasser)“ und die Klausel, dass die Betriebskosten, sofern sie nicht nach Verbrauch abzurechnen sind, nach dem Verhältnis der Miet- zur Gesamtfläche umzulegen sind. Dass der Passus „Betriebskosten sind in der Nettokaltmiete nicht enthalten“ nicht angekreuzt wurde und dass keine Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen vereinbart wurden, ist unschädlich. Das Landgericht hatte aus dem Umstand, dass jahrelang nicht über die Nebenkosten abgerechnet wurde, einen Schriftformverstoß abgeleitet. Das Kammergericht sieht das anders. Allein aus dem langjährigen Unterbleiben von Betriebskostenabrechnungen folgt keine konkludente Vereinbarung, künftige Abrechnungen auszuschließen.

Hinweis: Auch hier hat Vermieterin m.E. Glück gehabt. Das Gesetz geht von der Bruttowarmmiete aus, so dass Nebenkosten Sache des Vermieters sind. Deshalb muss eine wirksame Umlagevereinbarung in den Mietvertrag aufgenommen werden. Die einzelnen Betriebskosten müssen dem Grunde und der Höhe nach so genau bestimmt bzw. bestimmbar sein, dass der Mieter erkennen kann, was auf ihn zukommt.

FAZIT

Auch dieses Jahr wieder viele schöne Fälle aus dem bunten Leben des Geschäftsraummietrechtes, das zu einer unglaublichen Vielzahl von Fallgestaltungen und zu teilweise kuriosen Rechtsfragen führt. Andererseits war ich mal wieder erstaunt, wie viele Möglichkeiten es gibt, immer wieder die „gleichen“ Fehler zu machen, die zu Rechtsstreitigkeiten führen. Man darf gespannt sein, wohin die Rechtsprechung des 8. Senats des Kammergerichts unter einer oder einem neuen Vorsitzenden führt.

Heft 10 | 2024 | 73. Jahrgang

  • 1
    Für alles, was nicht richtig ist oder unklar dargestellt ist, bin ich verantwortlich, ebenso für die bemühten Überschriften und die Hinweise.
  • 2
    Urteil v. 8.5.2023 – 8 U 2/21 BeckRS 2023, 36850.
  • 3
    BGH v. 15.5.2024 – VIII ZR 293/23; BeckRS 2024, 14279.
  • 4
    Hinweisbeschluss v. 13.12.2023 – 8 U 111/23, n.v.
  • 5
    Beschluss v. 16.3.2023 – 8 U 178/22 – GE 2023,450.
  • 6
    Hofele: Herabstufung der Schrift- zur Textform für langfristige Mietverträge, NZM 2024, 363.
  • 7
    Urteil v. 6.11.2023 – 8 U 10/23 – ZMR 2024, 290.
  • 8
    Urteil v. 22.5.2023 – 8 U 47/22 – juris, NZB zurückgewiesen mit Beschluss v. 14.2.2024 – XII ZR 69/23.
  • 9
    Urteil v. 8.5.2023 – 8 U 1144/20 – GE 2023, 746; NZB anh. zu XII ZR 62/23.
  • 10
    Hinweisbeschluss v. 5.2.2024 – 8 U 174/23 – n. v., Berufung zurückgenommen.
  • 11
    Urteil v. 16.3.2023 – 8 U 76/21 – juris; NZB anh. zu XII ZR 48/23.
  • 12
    Urteil v. 23.3.2023 – 8 U 172/21 – juris.
  • 13
    Beschluss v. 11.12.2023 – 8 U 99/22 – n. v.
  • 14
    Urteil v. 1.6.2023 – 8 U 23/23 – n. v.