Aktuelles zur Mietpreisbremse, oder Conny & Co

AK Mietrecht und WEG

Am 7. Februar 2023 ging es um die Mietpreisbremse und die Legal-Tech-Firmen, die ein Geschäftsmodell daraus machen. Im Vorfeld war die Referentin noch etwas unsicher, ob wir da mit ollen Kamellen eventuell keinen Kanzleihund hinter dem Ofen vorlocken würden. Aber offenbar trafen wir mit dem Thema einen Nerv. Der Abend war selten gut besucht. Frau Hoeck-Eisenbach machte sich die Mühe, die ganze Sache chronologisch aufzuarbeiten – was zum Verständnis höchst hilfreich ist, so dass wir die Übersicht der interessierten anwaltlichen Öffentlichkeit zur Verfügung stellen möchten.

Johannes Hofele | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Breiholdt und Partner Rechtsanwälte | Sprecher des Arbeitskreises Mietrecht und WEG im BAV

„Nach dem Willen des Bundesrats soll Mietwucher zukünftig leichter anerkannt und härter bestraft werden“

Beschluss des Bundestags zum Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG)

Erlass der 1. MietenbegrenzungsVO Bln, GVBl. 2015, 101

Inkrafttreten des MietrechtsNovG: § 556d BGB ff. gilt gem. Art. 229 § 35 Abs. 1 EGBGB nicht für Mietverträge, die vor dem Anwendungsbereich einer RVO abgeschlossen wurden.

Neuregelung § 556g Abs. 1a BGB:

  • Vor Vertragsabschluss muss der Vermieter in Textform Auskunft über die vier Ausnahmen nach §§ 556 e,f BGB geben:
– Vormiete
– Modernisierung
– erstmalige Nutzung nach dem 01.10.2014
– umfassende Modernisierung
  • „Nachholungsrecht“ mit Rechtsfolge: Die höhere „Ausnahme-Miete“ wird zwei Jahre nach dem Monat der nachgeholten Auskunft fällig.
  •  Hat der Vermieter die Auskunft z. B. über die Vormiete seinerzeit mündlich erbracht und kann er dies beweisen, hat die in Textform nachgeholte Auskunft allerdings die Folge, dass die höhere Miete schon ab dem Monat der nachgeholten Auskunft zu zahlen ist.
  • BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats) v. 18.07.2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18 (ergangen u.a. auf Vorlagebeschluss des LG Berlin), NZM 2019, 676; NJW 2019, 3054
  • Bundes- und Berliner Landesregelung zur „Mietpreisbremse“ sind verfassungsgemäß.

BGH VIII ZR 130/18, NZM 2019, 584:

  • Nichtigkeit der „Mietpreisbremse“ in Hessen
  • Die Verordnung ist nichtig, weil nur eine Begründung im Entwurf veröffentlicht worden war.

MietrechtsanpassungsG
Auf ein bis einschließlich 31.03.2020 entstandenes Mietverhältnis ist § 556g des BGB in der bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden (Art. 229 § 51 EGBGB).

LG Berlin 67 S 80/19; GE 2019, 1507

  • Keine Nichtigkeit der RVO, wenn die Begründung veröffentlicht wurde

LG Berlin 65 S 107/19 = NJW 2019, 3730

  • Die Begründung der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung wurde ordnungsgemäß, nämlich von amtlicher Stelle, rechtzeitig vor ihrem Inkrafttreten und für Interessenten auffindbar, veröffentlicht.

BGH – VIII ZR 285/18; NJW 2020,208 (Wenigermiete.de I)

  • „Lexfox“ darf als Inkassodienstleister Ansprüche aus der „Mietpreisbremse“ verfolgen.
  • Großzügige Auslegung des RDG

LG Berlin 66 S 143/19; WuM 2020, 152 ff

  • Die Regelungen zur Mietpreisbremse sind in Berlin wirksam, insbesondere auch die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung v. 28.04.2015.
  • Die nach dem Urteil des BGH v. 17.07.2019 (BGH VIII ZR 130/18) gegen die in Hessen geschaffene Regelung zur Mietenbegrenzung begründeten Einwände treffen für die in Berlin erlassene Verordnung und deren Begründung nicht zu.

§ 556g Abs. 2 BGB, für Mietverhältnisse ab dem 01.04.2020
Rüge wirkt bis zu 30 Monate zurück; Rüge nach 30 Monaten wirkt nur ab Zugang der Rüge

BGH VIII ZR 130/19; NZM 2020, 542 (Wenigermiete.de II)

  • Rechtsberatung des Inkassodienstleisters
  • Deregulierung und Liberalisierung des Rechts der außergerichtlichen Dienstleistung
  • Keine Gefahr einer Interessenkollision
  • Kostenfreiheit des Mieters: keine gleichheitsgebotswidrige Diskrepanz gegenüber einem Anwaltsmandat
  • „Prozessfinanzierung“ durch Inkassodienstleister und Gebot anwaltlicher Zurückhaltung
  • Keine Abtretungshindernisse im Modell „wenigermiete.de“

BGH VIII ZR 292/19; WuM 2020, 488

  • Begründung muss an allgemein zugänglicher Stelle bekannt gemacht werden.
  • Irgendeine amtliche Stelle reicht, nicht erforderlich ist mit der VO zusammen im Gesetz- und Verordnungsblatt.
  • Eigentumsgarantie Art. 14 GG ist nicht verletzt, weil das gesamte Stadtgebiet ausgewiesen wurde.

BGH VIII ZR 45/19; NZM 2020,551; GE 2020,787 Wenigermiete.de III

  • Bei Mietermehrheit reicht eine Rüge eines Mieters.
  • Rückzahlung nur an alle Mieter
  • MietenbegrenzungsVO des Landes Berlin genügt den Begründungsanforderungen durch Veröffentlichung auf der Internetseite des Berliner
  • Abgeordnetenhauses.
  • Begründung der MietenbegrenzungsVO ist mit üblichen Suchhilfen im Internet auffindbar.

BGH VIII ZR 122/21; NJW-RR 2022, 663; NZM 2022, 325 (Mietsenkung beauftragen II)

  • Der Button „Mietsenkung beauftragen“ stellt ohne Weiteres eine entgeltliche Leistung i.S.v. § 312 j II BGB dar.
  • Formmangel im elektronischen Geschäftsverkehr wird durch vorsorglich erklärte Abtretung der Ansprüche an Inkassodienstleister geheilt.

BGH VIII 123/21; NJW-RR 2022, 376; NZM 2022,202

  • Mietsenkung u. Forderungsabwehr ist von RDG gedeckt.
  • Begründung der MietenbegrenzungsVO in Berlin ist ausreichend veröffentlicht.
  • Wenn nur im Erfolgsfall ein Honorar geschuldet ist, dann ist § 312j Abs. 3 BGB ausnahmsweise nicht anwendbar, auch wenn der Button/Schaltfläche
  • „Mietsenkung beauftragen“ nicht mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ versehen ist.

BGH VIII ZR 279/21, NJW-RR 2022, 1092 „Mietpreisbremse“-Inkasso und Rügeerfordernis bei Staffelmiete – „Mietsenkung beauftragen“ IV

  • Zulässig: Abtretung des Anspruchs eines Wohnungsmieters an einen Inkassodienstleister auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe (§§ 556 d ff. BGB), verbunden mit der Aufforderung an den Vermieter, künftig von dem Mieter nicht mehr die als überhöht gerügte Miete zu verlangen und diese auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen.
  • Bei vereinbarter Staffelmiete wirkt eine vom Mieter nach § 556 g II BGB aF erhobene Rüge in der folgenden Mietstaffel fort und muss nicht wiederholt werden.

BGH VIII ZR 283/21 „Mietpreisbremse“-Inkasso: Zurückweisung mangels Vollmachtvorlage – „Mietsenkung beauftragen“ V<

  •  Die Vorschrift des § 174 Satz 1 BGB ist auf die Erhebung einer Rüge nach § 556 g II BGB aF nicht – auch nicht analog – anwendbar.

LG Berlin 67 S 259/21: Vorlagebeschluss zum EuGH<

  • Auf gängigen Geschäfts- und der der Inkassounternehmen beruhende Abtretungen sind mittlerweile aber auch deshalb in ihrer Wirksamkeit umstritten, wenn sie entgegen § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB den Mieter nicht vor Vertragsschluss auf seine Zahlungspflicht hinweisen.

BGH VIII ZR 300/21; NZM 2022, 954

  • •„Mietpreisbremse“ findet keine Anwendung, wenn Mieter einem Mieterhöhungsverlangen zustimmt.

BGH VIII ZR 362/21; GE 2022,1307

  • Streitwert
  • 3,5-fache Jahresdifferenz, auch bei Widerklage auf Feststellung (bei wirtschaftlicher Identität)

AG Neukölln 9 C 489/20; GE 2022, 1287, 1312

  • Die Begründung für die Mietenbegrenzungsverordnung Berlin war nicht wie erforderlich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens mühelos auffindbar.
  • Der Link zu Begründung konnte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht über gängige Suchmaschinen gefunden werden, sondern erst nach dem Austausch des Servers durch das Abgeordnetenhaus Mitte 2017, so dass die Verordnung nichtig ist.
  • Das in diesem Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten kommt zu dem Schluss, dass die Begründung nur über den Link http:www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/vorgang/verordnungen/vo17-186.pdf zu erlangen war, denn eine Suchmaschine öffnete sich nicht ohne die Eingabe des Links: https:/pardok.parlament-berlin.de/starweg/AHAB/.

LG Berlin 67 S 180/22; GE 2023,68

  • Zweifel an der Verfassungskonformität der Mietpreisbremse für die Zeit ab dem 01.06.2020
  • Die verfolgten Ziele und positiven Auswirkungen auf dem Wohnungsmarkt sind nicht erkennbar. Das Gesetz ist daher nicht geeignet.
  • Die Leerstandsquoten sind trotz des Gesetzes abgesunken.
  • Revision zugelassen
  • Zweifel an der Schätzgrundlage Berliner Mietspiegel 2021
  • Für die Veröffentlichung der Begründung der RVO reicht es, wenn die Begründung irgendwo veröffentlicht ist.
  • Für eine Vorlage zum BverfG reichen die Zweifel der Kammer, nicht aber aufgrund der Zweifel hat die Kammer die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Zum Abschluss des Vortrags wies die Referentin auf den „Entwurf eines Gesetzes zur besseren Bekämpfung von Mietwucher“ (BT-Drucks. 20/1239) hin: Nach dem Willen des Bundesrats soll Mietwucher zukünftig leichter anerkannt und härter bestraft werden. Das soll der Fall sein, wenn die Wohnungsmiete in einem angespannten Wohnungsmarkt mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Miete liegt. Bisherige Anforderungen sollen wegfallen. MieterInnen müssten demnach z. B. keinen Nachweis des vergeblichen Bemühens um eine günstigere Wohnung erbringen. Auch die Tatbestandsvoraussetzungen des bewussten Ausnutzens einer Zwangslage soll entfallen. Der Bußgeldrahmen soll bis zu 100.000,– € gehen.
Das Thema berührt viele unterschiedliche Bereiche: Da ist die die ureigenste anwaltliche Tätigkeit in der Auseinandersetzung zwischen Mietern und Vermietern. Dass es erfolgreich sein kann, sich auf die Nichtigkeit einer Norm wegen Veröffentlichungsfehlern zu berufen, hat der Berichterstatter bisher nur bei Satzungen von kleineren Gemeinden erlebt, aber man lernt ja nie aus. Da wir mit unserer Arbeit in der Regel unseren Lebensunterhalt verdienen, muss sich die Anwaltschaft perspektivisch auch mehr mit den Entwicklungen auseinandersetzen, die durch die Rechtsdienstleister und auch durch Versicherungen angestoßen wurden. Denn diese Konkurrenz wird nicht mehr weggehen. Und das Mietrecht ist gerade in Berlin eben hochpolitisch. Daher entspann sich ein reger Austausch über die Erfahrungen und auch eine rege Diskussion über das Mietrecht in Berlin.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 04/2023 | 72. Jahrgang