Als Anwalt im E-Sport

Einblicke in die praktische Arbeit im E-Sportrecht

WAS BEDEUTET E-SPORT?

E-Sport ist – vereinfacht gesagt – das kompetitive Betreiben von Konsolen- und Computerspielen (Games). Dabei ist E-Sport mehr als das Spielen von Games zu Freizeitzwecken. Professionelle E-Sportler trainieren teilweise acht Stunden und mehr täglich. Trainingsinhalte sind unter anderem das Erlernen verbesserter Fähigkeiten im Spiel, Taktiken und Kommunikation mit den Teammitgliedern. Das Training dient der Vorbereitung auf die Turniere, bei denen zum Teil siebenstellige Preisgelder gewonnen werden können. Die E-Sportler tragen ihre Turnierspiele online oder in riesigen Hallen aus. Dabei schauen die Fans ihren Idolen per Livestream von zu Hause aus zu oder strömen als Zuschauer in die modernen Arenen vor Ort.

Rechtsanwalt Dr. Oliver Daum | Fachanwalt für IT-Recht | Datenschutz beauftragter (IHK) | IT-Sicherheitsbeauftragter (IHK) | Rechtsanwaltskanzlei Dr. Oliver Daum | www.anwalt-daum.de | www.e-sportanwalt.de

„E-Sport ist der Wettkampf zwischen Menschen mittels Computerprogrammen nach vereinbarten Regeln“

Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung des E-Sports nimmt immer mehr zu. Ausdruck findet der Bedeutungszuwachs zum Beispiel in der Beschäftigungsverordnung und der Rennwett- und Lotteriegesetz- Durchführungsverordnung. Schließlich hat der Begriff „E-Sport“ den Sprung in beide legislative Rechtsakte geschafft. Diese verordnungsrechtliche Verankerung wiederum macht eine arbeitsfähige Definition erforderlich. Gleichwohl existiert bislang noch keine juristische Verbindlichkeit. Mein Definitionsvorschlag von E-Sport lautet daher: „E-Sport ist der Wettkampf zwischen Menschen mittels Computerprogrammen nach vereinbarten Regeln.“ Nach diesem Verständnis sind „Excel E-Sports“, bei denen die Kontrahenten schnellstmöglich Excel- Aufgaben gegeneinander lösen müssen, ebenfalls als E-Sport zu bewerten.

WAS IST E-SPORTRECHT?

Ein auf die E-Sportbranche spezialisierter Anwalt muss ein Allrounder sein, sofern über relevante Rechtsgebiete gesprochen wird. Denn das E-Sportrecht ist eine Querschnittsmaterie. Sie setzt sich unter anderem aus dem Arbeitsrecht, dem Datenschutzrecht, dem Jugendschutzrecht, dem Urheberrecht und dem Vertrags- bzw. Zivilrecht zusammen. Die besondere Herausforderung liegt jedoch darin, dass der existenzielle Ursprung des E-Sports in der Unterhaltungsindustrie liegt. Auch heute noch zählt die digitale Unterhaltungsindustrie zu den vordersten Taktgebern für die rasante technische Entwicklung, die sich auch auf den elektronischen Sport auswirkt. Für Anwälte ist es also von entscheidender Bedeutung, mit dieser dynamischen Entwicklung Schritt zu halten, um die Sachverhalte im E-Sport verstehen und erläutern zu können.

VIELFÄLTIGE PRAXISFÄLLE

Die Vielfältigkeit der Rechtsgebiete spiegelt sich auch in den praktischen Anwendungsfällen wider. Je nach strategischer Ausrichtung der eigenen Anwaltstätigkeit kann neben der Vertragsgestaltung und Beratung auch die außergerichtliche und gerichtliche Interessenvertretung hinzutreten. Wie in vielen anderen Branchen auch, besteht im E-Sport Bedarf in jedem der genannten Tätigkeitsbereiche.

Im Rahmen der Vertragsgestaltung ist zunächst an die Erstellung von E-Sportlerverträgen zu denken. Die E-Sportler schließen einen Vertrag mit einer E-Sportorganisation, die etwa geeignete Trainingsmöglichkeiten bereitstellt, die Anmeldung zu den Turnieren übernimmt und entsprechendes Personal anstellt. Inhalt des Vertrages ist dann die verpflichtende Teilnahme an Trainingseinheiten, Turnieren sowie PR-Terminen usw. gegen Entgelt. Bei größeren E-Sportorganisationen schließen die Akteure regelmäßig hauptberufliche Arbeitsverträge. Bei kleineren Organisationen sind es häufig Dienstoder andere Verträge. Unabhängig von der Größe der Organisation ist die Einräumung von Nutzungsrechten des E-Sportlers von erheblicher praktischer Bedeutung. Denn mehr als im herkömmlichen Sport nutzen die Akteure im E-Sport die sozialen Medien für sich. Dabei ist es zu beobachten, dass eine ordentliche „Durchlizenzierung“ der Rechte mitunter nachlässig praktiziert wird.

Weitere wichtige Bestandteile der Vertragsgestaltung bilden Berater- bzw. Agenturverträge, Kooperations- und Transferverträge zwischen verschiedenen E-Sportorganisationen sowie Sponsoringverträge.

KEINE RECHTSSICHERHEIT BEI DER GEMEINNÜTZIGKEIT

Reine Beratungsmandate sind ebenfalls keine Seltenheit im E-Sport. Beispiele bilden Turnierveranstalter, die sich über die Grenzen des Kinder- und Jugendschutzes erkundigen müssen. Das betrifft dann Fragen der Geschäftsfähigkeit nach dem BGB, des Jugendschutzgesetzes und des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Die leistungsmäßige Hochzeit von E-Sportlern liegt im Alter zwischen 15 und 25 Jahren. Die Turnierveranstalter, und die weiteren Akteure, haben es also häufig mit minderjährigen E-Sportlern bzw. Vertragspartnern und den einschlägigen rechtlichen Implikationen zu tun. Ein weiteres Beispiel aus der Beratungspraxis bilden besorgte Eltern, deren minderjährige Kinder bei einem Turnier gescoutet bzw. gesichtet wurden und denen nun ein E-Sportlervertrag angeboten wurde.

Weiter benötigen E-Sportvereine und -verbände sowie Sportvereine, die ihren Mitgliedern E-Sport anbieten wollen, anwaltliche Beratung. In diesen Fällen spielt die Frage der Gemeinnützigkeit des E-Sports die zentrale Rolle. Seit mittlerweile sechs Jahren kündigen die Koalitionäre auf Bundesebene die Gemeinnützigkeit des E-Sports gemäß der Abgabenordnung an. Doch passiert ist bislang nichts. Das lässt die Vereine, Verbände & Co. in großer Rechtsunsicherheit zurück, da die Verwendung finanzieller Mittel für E-Sport die anerkannte Gemeinnützigkeit der Akteure gefährden würde. Dadurch kann es zu existenzbedrohenden Steuerrückzahlungen kommen.

MARKTBEREINIGUNG DURCH KONFLIKTLÖSUNG

Selbstverständlich kommt es auch im E-Sport zu handfesten Konfliktsituationen. Diese werden zum Teil begünstigt durch eine wahrnehmbare Unredlichkeit mancher Akteure in rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten. Soweit ersichtlich hat es in Deutschland jedenfalls bislang zwei Urteile gegeben, in denen es ausdrücklich um den E-Sport ging.

Das erste Verfahren war am Landgericht Kiel (Urteil vom 30. März 2022, Az. 17 O 248/20) anhängig. Der Kläger war Mitglied eines deutschlandweit bekannten Duos, das die damalige Fußballsimulation „FIFA“ gespielt hat. Vom Beklagten, einem FIFA-Streamer mit 14.000 Followern, wurde der Kläger in einem Stream der Plattform Twitch.tv live beleidigt. Das Landgericht Kiel verurteilte den Beklagten daraufhin, die beleidigenden Äußerungen zu unterlassen und eine Geldentschädigung in Höhe von 800 Euro zu zahlen. Das Gericht begründete das Urteil unter anderem mit dem hohen Bekanntheitsgrad des Klägers als E-Sportler.

Das zweite Verfahren, das beim AG Wildeshausen (Urteil vom 6. Juli 2023, Az. 4 C 31/23) geführt wurde, hatte das Vorgehen einer semiprofessionellen E-Sportorganisation gegen einen ehemaligen E-Sportler zum Gegenstand. Die Organisation machte die Verwirkung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5000 Euro geltend. Dem beklagten E-Sportprofi wurde vorgeworfen, er habe durch Äußerungen, insbesondere auf Twitter, der Organisation einen Imageschaden zugefügt. Das Gericht urteilte, dass bereits die Vertragsstrafenklausel des zu Grunde liegenden E-Sportlervertrages unwirksam war. Die Klage wurde daher abgewiesen.

„Insgesamt ist der Branche zu attestieren, dass sie sich in der Phase der Marktbereinigung befindet“

Anlass für Vertretungsfälle geben auch Situationen, in denen die erspielten Preisgelder nicht an die einzelnen Teammitglieder ausgezahlt werden und deren Höhe ein anwaltliches Vorgehen rechtfertigen. Insgesamt ist der Branche zu attestieren, dass sie sich in der Phase der Marktbereinigung befindet. Die zunehmende Professionalisierung verdrängt dabei mehr und mehr die mangelhafte Zahlungsmoral und Unzuverlässigkeit mancher Akteure.

LOOTBOXEN UND GEMEINNÜTZIGKEIT

Ein Thema, mit dem der E-Sport wiederholt konfrontiert wird, sind Lootboxen. Lootboxen sind digitale Schatzbzw. Beutekisten in Games, die entweder mit Echt- oder Spielgeld erworben werden können. In den Kisten befinden sich zum Beispiel Ausrüstungsgegenstände oder, im Falle von Sportsimulationen, virtuelle Sportler. Allerdings wissen die Gamer vorher nicht, was in den Kisten enthalten ist und ob der Inhalt ihnen nützlich ist. Aufgrund dieses Zufallselements wird darüber diskutiert, ob Lootboxen Glücksspiel gemäß des Glücksspielstaatsvertrages sind und im Ergebnis verboten wären.

Die Lootboxen-Diskussion wirkt sich auch auf die mögliche Gemeinnützigkeit des E-Sports aus. Kürzlich hat sich hierzu das Bundesfamilienministerium zu Wort gemeldet und in etwa wie folgt argumentiert: Sollten Lootboxen illegales Glücksspiel sein, könnte dies der Gemeinnützigkeit entgegenstehen, da Lootboxen Bestandteil des E-Sports seien und illegales Glücksspiel nicht gemeinnützig werden könne. Diesem Schluss liegt jedoch die Annahme zu Grunde, Lootboxen seien Bestandteil des E-Sports. Das ist jedoch falsch. Lootboxen sind kein Bestandteil des E-Sports, sondern nur des Gamings. Das Zufallselement der Lootboxen würde im E-Sport nur zu unfairen Wettbewerbsverzerrungen führen und ist zu exkludieren.

Die nach wie vor ausstehende Gemeinnützigkeit hemmt die weitere Entwicklung, Professionalisierung und Wettbewerbsfähigkeit des deutschen E-Sports ganz erheblich.

ERGEBNIS

Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass – einerseits – die Arbeit als Anwalt im E-Sport seine eigenen Herausforderungen mit sich bringt. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang das E-Sportrecht als Querschnittsmaterie, das Kenntnisse aus verschiedenen Rechtsgebieten erfordert. Wichtig ist es aber auch, dass E-Sportanwälte laufend die technische Entwicklung der Unterhaltungsindustrie verfolgen müssen. Andererseits handelt es sich beim E-Sport um eine noch junge Branche. Dadurch besteht viel Bedarf an einer gestalterischen Teilnahme an der Entwicklung des E-Sportrechts.

Heft 07 / 08 | 2024 | 73. Jahrgang