Arbeitsschutz im Profisport

Kündigungsschutz auch für Ronaldo & Co

Die EM 2024 hatte ihre Schatten ab Mitte Mai 2024 vorausgeworfen. Auch wer sich nicht für Fußball interessierte, musste sich mit den Verkehrsbeeinträchtigungen abfinden. Als ich wieder im Stau stand, machte ich mir Gedanken über den Profisport im Arbeitsrecht. Die dazu veröffentlichten Urteile geben Aufschluss, wie Arbeitsgerichte diese besonderen Arbeitsverträge auslegen, wie die Versetzung in andere Mannschaften zu sehen ist, und was es mit dem „Widerruf“ auf sich hat. Einige Urteile hatten für großen Aufruhr gesorgt und wurden daraufhin von der nächsten Instanz aufgehoben. Tatsache ist, dass Profifußballer, die in der Ersten Bundesliga angekommen sind und um die sich mehrere Vereine reißen, bestimmen, was in ihren Verträgen alles geregelt werden soll. Denken wir an Sadio Mané, Toni Kroos oder Sami Khedira, dürfte die Beendigung von deren Arbeitsverhältnissen nicht zu einer Kündigungsschutzklage führen, geschweige zur Zahlung einer Abfindung. Bei den Herren handelt es sich um die reichsten Fußballer Deutschlands. So verdient Harry Kane beim FC Bayern München 2,10 Mio. Euro pro Monat! Diese Zahl habe ich mir nicht eingebildet, sie ist im Internet veröffentlicht. Doch auch diese Multimillionäre sind Arbeitnehmer.

Claudia Frank | Fachanwältin für Arbeits- und Steuerrecht | Probandt PartGmbH | Im Vorstand des Berliner Anwaltsvereins

DER BEFRISTETE ARBEITSVERTRAG IM PROFIFUSSBALL

2016 hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz ein Urteil des ArbG Mainz aufgehoben und entschieden, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages zwischen einem Fußballverein der Ersten Bundesliga und einem Lizenzspieler durch den sachlichen Grund der Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt ist. Bei diesem Urteil reibt sich der Arbeitsrechtler die Augen. Was war passiert? Der Kläger war zunächst nicht mehr als erster Torhüter der ersten Mannschaft eingesetzt worden und der Arbeitsvertrag endete nach Ablauf der Befristung. Das Arbeitsgericht Mainz hatte in einer aufsehenerregenden Entscheidung festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung zum 30. Juni 2014 beendet worden ist, sondern der Befristungsgrund, „die Eigenart der Arbeitsleistung“, unwirksam ist, mithin ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorlag. Diese Entscheidung hatte im gesamten Fußball-Land der Republik zu einem Aufschrei geführt. Ich vermag daher nicht zu sagen, ob sich das LAG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom Februar 2016 – also ca. ein Jahr später – von diesem Druck der Vereine ganz befreien konnte. Das LAG ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Arbeitsverhältnis infolge der Befristungsvereinbarung vom Mai 2012 zum Juni 2014 geendet hat und die Befristung wirksam ist. Die Befristungsabrede sei wirksam, weil dafür der sachliche Grund der „Eigenart der Arbeitsleistung“ vorliegt. So seien bereits ausweislich der Gesetzesbegründung unter „Eigenart der Arbeitsleistung“ Fälle im Rundfunk- und im Bühnenbereich erfasst worden.

„Als Befristungsgrund wird die Eigenart der Leistung in den Vordergrund gestellt“

Es handelt sich dabei um eine Arbeitsleistung, die in einem außergewöhnlichen Maß die Besonderheit der Arbeitsleistung übersteigt und branchenspezifische Merkmale bzw. Gesichtspunkte aufweist. Das sei im Profifußball der Fall, vor allem und auch bei einem Lizenzspieler. Im Profifußball werden seit Jahrzehnten ausnahmslos befristete Arbeitsverträge geschlossen. Als Befristungsgrund wird die Eigenart der Leistung in den Vordergrund gestellt. Nur so können immer wieder befristete Arbeitsverträge geschlossen werden. Es besteht immer die Unsicherheit, wie lange kann der Spieler eingesetzt werden, und zwar für den Verein wirtschaftlich sinnvoll. Im Profisport werde dieses Maß der Ungewissheit im Verhältnis zu sonstigen Arbeitsverhältnissen erheblich überstiegen. So besteht eine im Spitzenfußball besondere Verletzungsgefahr. Die persönliche Leistungsentwicklung des Spielers ist von Faktoren abhängig, die nicht prognostizierbar sind. Das allein, so das LAG, würde möglicherweise die Befristung nicht rechtfertigen, und so kommen weitere, nicht vorhersehbare Umstände hinzu wie zum Beispiel „die negative Beeinflussung der Mannschaft“. Es handelt sich um einen Mannschaftssport. Die Chemie sollte in der Kabine stimmen. Nicht selten führt der Wechsel von Trainern zu einem anderen spieltaktischen Konzept. Nicht jeder Spieler mag sich in veränderte Spielsysteme einfügen und anpassen. Häufige Veränderungen in der personellen Zusammensetzung der Mannschaft führen dazu, dass einzelne Spieler ihre Leistungsfähigkeit dann nicht abrufen können. Dies bewirkt, dass ein zuvor wertvoller Spieler dem gestiegenen Leistungsniveau der Mannschaft nicht mehr entspricht. All diese Umstände würden also ein berechtigtes Interesse des Vereins, die Arbeitsverträge seiner Lizenzspieler zu befristen, rechtfertigen. Das mag bei einigen Spielern finanziell keine großen Auswirkungen haben. Ein Profisportler, der nicht mehr eingesetzt wird, verliert

an Reputation, er verliert an Ansehen, und wenn dann sein Vertrag nicht mehr fortgesetzt wird, kann dies zu erheblichen finanziellen Einbußen führen. Spieler und Trainer sind Arbeitnehmer. Eine Kündigung ist daher nicht so ohne Weiteres möglich. Aber es gibt tatsächlich und bei bestimmten Konstellationen die Rechtmäßigkeit einer sogenannten Druckkündigung. Was ist zu tun, wenn ein Fußballprofi in einer Saison „nichts bringt“? Die Fans werden sauer und fordern die Kündigung dieses Spielers. Die Sponsoren sagen, wenn die Fans sauer sind, dann stellen wir das Sponsoring ein. Was macht der Verein?

„Bei bestimmten Konstellationen gibt es die Rechtmäßigkeit einer sogenannten Druckkündigung“

Im Juni 2009 hatte sich das Arbeitsgericht Berlin mit einem solchen Fall beschäftigt und ist zu dem Ergebnis gelangt: Geplante Aktionen von Fans aus Verärgerung über einen Fußballer können einen Verein zu einer Druckkündigung des Spielers gemäß § 626 BGB (fristlose Kündigung) ebenso berechtigen wie eine Verweigerung wichtiger Sponsoren des Vereins, zu einem weiteren Engagement für den Fall, dass dem Spieler nicht gekündigt wird. Der Verein muss Anstrengungen unternehmen, um Fans und Sponsoren davon abzubringen. Wenn ihm das nicht gelingt, ist eine solche Kündigung wirksam. In dem Arbeitsgericht Berlin zu entscheidenden Fall hat der Profifußballer den Prozess gewonnen. Fast alle Tatsachen waren streitig, Die redaktionellen Leitsätze des Arbeitsgerichts sind richtungsweisend.

Nach § 19 EStG sind Fußballtrainer Arbeitnehmer, wenn sie für mindestens eine Spielzeit verpflichtet werden. Somit sind sie – wie auch die Fußballprofis selbst – arbeitsvertragsgemäß zu beschäftigen. Wenn sie also für die Erste Bundesligamannschaft eingestellt wurden, dann muss sowohl der Profispieler in dieser Mannschaft spielen als auch der Trainer die Erste Mannschaft trainieren. Zwischen der Ersten und Zweiten Mannschaft eines Clubs liegen erhebliche Klassen- und Qualitätsunterschiede. Daher ist zu prüfen, ob eine „Versetzung“ in die Zweite Bundesliga oder auch nur in die Zweite Mannschaft zulässig ist. Auch die Antwort darauf hängt, wie so oft, von der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages ab. Der Club, der den Trainer oder den Spieler eingestellt hat, ist der Arbeitgeber und daher in den Grenzen des § 106 GewO weisungsbefugt. So können Spieler einwenden, dass sie in der Zweiten Mannschaft nicht leistungsgerecht trainiert werden, es sich also um eine Degradierung handelt. Ist eine derartige Degradierung vom Direktionsrecht des Arbeitsgebers gedeckt? Eins ist klar, ein angestellter Berufsfußballspieler der Ersten oder Zweiten Liga kann nicht so ohne Weiteres in den Trainingsbetrieb der Regionalligamannschaft versetzt werden, denn dann wechselt er sogar vom Profi- in den Amateurtrainingsbetrieb. Deswegen ist es durchaus normal, dass in den Arbeitsverträgen derartige Versetzungs-, ja sogar „Abstellungsklauseln“ enthalten sind. Diese besagen, der Arbeitgeber ist berechtigt, den Spieler oder auch den Trainer in eine andere Mannschaft des Clubs abzustellen. Eine solche Versetzung ist nicht selten Gegenstand von Rechtstreitigkeiten. Auch in diesem Punkt haben die Arbeitsgerichte in der Vergangenheit die Besonderheiten des Profisports – und nicht nur des Fußballs – in ihre Überlegungen einbezogen. So hat zum Beispiel das Arbeitsgericht Bielefeld geurteilt, dass die Anweisung eines Spielers, an Spielen oder am Training der Zweiten Mannschaft des Clubs teilzunehmen, sofern diese in der Oberliga oder höheren Spielklasse spielt, nicht überraschend ist und folglich wirksam.

„Inwieweit kann ein Trainer vom Profibereich in das Nachwuchsleistungszentrum versetzt werden“

Das Arbeitsgericht Hannover hat schon im März 2022 über die Frage entscheiden müssen: Inwieweit kann ein Trainer vom Profibereich in das Nachwuchsleistungszentrum versetzt werden. Nach dem ersten befristeten Arbeitsvertrag war geregelt, dass der Nachwuchs dem Lizenzspielerbereich unterliegt. Der danach geschlossene unbefristete Arbeitsvertrag enthielt diese Regelung nicht. Folglich sagte das Arbeitsgericht, ganz offensichtlich ist die Tätigkeit im Nachwuchsbereich nicht das Gleiche wie das Training im Lizenzspielerbereich, sonst wäre es ja im neuen Arbeitsvertrag erwähnt worden. Selbstverständlich ist es für Trainer für ihre berufliche Entwicklung wichtig, ob sie vorwiegend mit Profisportlern oder mit Nachwuchsspielern zusammenarbeitet. Auch im Profilager muss Wert auf den Arbeitsvertrag gelegt werden. Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass nicht alle Fußballprofis Millionen verdienen, und es oft ein langer Weg ist, bis sie in die Erste oder Zweite Mannschaft eines Bundesligavereins aufgenommen werden. Ihre Stellung als Arbeitnehmer ist daher wichtig. Aber, wie bereits aufgezeigt, die Befristung eines Profifußballers ist wesentlich einfacher als die eines „normalen“ Arbeitnehmers. Neben den Besonderheiten der Arbeitsleistung spielt das Verbandsrecht eine Rolle. So können zum Beispiel nur zweimal im Jahr, in der Sommer- und in der Wintertransferperiode Spieler ihren Verein wechseln. Selbstverständlich sind auch Fußballprofis krankenversichert. Wenn sie arbeitsunfähig werden, muss der Verein sechs Wochen das Gehalt fortzahlen, und zwar in unbeschränkter Höhe. Bei besonders guten Spielern, die gefragt sind, wird nicht selten im Vertrag vereinbart, dass die Entgeltfortzahlung in ungekürzter Höhe weit über sechs Wochen hinaus weitergezahlt werden muss.

URLAUBSTAGE

Man mag es nicht glauben, aber in den normalen Verträgen mit Profis wird auch die Anzahl der Urlaubstage geregelt. So hängt dies durchaus auch davon ab, wie lange sich die Fußballer im sogenannten Trainingslager befinden und wie viele Spiele in der jeweiligen Saison angesetzt werden. Daher werden weniger Urlaubstage vereinbart, als dies normalerweise der Fall ist. Liest man Urteile zum Profisport, dann merkt man schnell, eigentlich passt das nicht zusammen. Doch Richter sind in ihren Entscheidungen frei, und das ist auch gut so.

Heft 07 / 08 | 2024 | 73. Jahrgang