Auch Kanzleien leiden unter dem Fachkräftemangel
Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten muss wieder attraktiver werden
Der Fachkräftemangel ist zu einem gravierenden Problem in der deutschen Wirtschaft geworden. Es gibt kaum eine Branche, die nicht darüber klagt. Auch in vielen Rechtsanwaltskanzleien können offene Stellen nur noch schwer besetzt werden. Der Fachkräftemangel in den Kanzleien geht zum einen auf den demografischen Wandel zurück: Die Boomer-Generation tritt jetzt in den Ruhestand. Gleichzeitig rücken immer weniger junge Menschen in den Beruf nach. Zum anderen geht jedoch die Zahl derjenigen, die Rechtsanwaltsfachangestellte (ReFa) werden wollen, bereits seit mehr als 20 Jahren kontinuierlich zurück.
Anke Stachow ist freie Journalistin mit dem Schwerpunkt „Recht und Steuern“.
Doch damit nicht genug. Auch die Quote der Abbrecher ist mit 33 Prozent überdurchschnittlich hoch. Zum Vergleich: Im Bundesgebiet bezogen auf alle Branchen liegt sie bei 26,7 Prozent. Alarmierend sind die Ergebnisse einer Studie, die die Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V. beim Institut für Freie Berufe (IFB) 2023 in Nürnberg in Auftrag gegeben hat: Etwas mehr als die Hälfte der befragten Auszubildenden gaben an, dass sie nach ihrem Abschluss nicht mehr in einer Kanzlei arbeiten wollten. Auch 46 Prozent der ausgelernten Kräfte würden nicht noch einmal den Beruf der ReFa ergreifen.
GUTES ARBEITSKLIMA IST WICHTIG
Woran liegt es, dass dieser Beruf heute nicht mehr so attraktiv zu sein scheint? Die Gründe sind vielfältig. Versicherungen und Banken, aber auch die Justiz locken gut ausgebildete Kanzleifachkräfte mit geregelteren Arbeitszeiten, höheren Gehältern sowie anderen (sozialen) Leistungen. Darüber hinaus scheint ein Teil des Problems auch im Arbeitsumfeld zu liegen: Personalführung, Kommunikation auf Augenhöhe und Wertschätzung sollten inzwischen zwar selbstverständlich sein, sind es aber häufig in Kanzleien noch nicht. Das mag vor allem daran liegen, dass die Anwältinnen und Anwälte als Chefs ihre Prioritäten anders setzen und für Personalthemen einfach einfach nicht ausreichend Zeit aufbringen. Darunter leidet dann häufig das Arbeitsklima. Ein schlechtes Arbeitsklima ist der bedeutsamste Grund für einen Arbeitgeberwechsel. Das geht auch aus den Forschungsberichten des Soldan Instituts hervor. Dieser Grund wird häufiger genannt als andernorts bestehende bessere Verdienstmöglichkeiten, haben die Kölner Berufsforscher festgestellt. Insgesamt haben sie in drei Bänden die Situation des nichtjuristischen Personals sowie das Miteinander in deutschen Anwaltskanzleien detailliert analysiert.
„Versicherungen und Banken, aber auch die Justiz locken gut ausgebildete Kanzleifachkräfte mit geregelteren Arbeitszeiten, höheren Gehältern sowie anderen (sozialen) Leistungen“
Inzwischen wird in der Anwaltschaft auf das Fachkräftemangel- Problem aktiv reagiert. Ein Beispiel dafür sind die Vergütungsempfehlungen für Auszubildende der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Jahrelang waren sie im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen relativ gering gewesen. Nun hat die BRAK ihre Empfehlungen abermals erhöht. So soll die durchschnittliche Vergütung im Bundesgebiet im ersten Ausbildungsjahr 940,04 (Vorjahr: 833,48) Euro, im zweiten Jahr 1043,04 (932,91) Euro und im dritten Jahr 1144,38 (1031,04) Euro betragen.
FÜR ENTLASTUNG SORGEN
Neben einer angemessenen Vergütung spielen insbesondere flexiblere Arbeitszeiten für viele Kanzleimitarbeitende eine bedeutende Rolle. Hier können Servicelösungen helfen, indem sie überdurchschnittlich hohe Arbeitsbelastungen reduzieren und dadurch für mehr Arbeitszufriedenheit sorgen. Beispielsweise kann ein Telefonservice eingesetzt werden, damit die Kanzlei in den Bürozeiten durchgehend erreichbar ist, auch wenn die Mitarbeiter in der Pause sind. Engpässe durch Urlaub, Krankheit, Elternzeit oder gerade besonders hoher Arbeitsanfall lassen auch durch einen Schreibservice abfedern. Eine externe Unterstützung im Kosten- und Gebührenrecht oder bei Inkassodienstleistungen kann ebenfalls im Rahmen des Fachsekretariats hinzugebucht werden.
Eine Patentlösung, um dem Fachkräftemangel in der Kanzlei zu begegnen, gibt es nicht. Aber Anwältinnen und Anwälte sollten darüber nachdenken, welche Maßnahmen sie selbst ergreifen können, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Ein angenehmes Arbeitsklima, ein offenes Ohr für die Belange der Mitarbeitenden und technische Lösungen, um den Arbeitsdruck zu verringern, sind auf jeden Fall gute Ansätze.