Auf die nächsten 100 Jahre Erich Schmidt Verlag

Zum Jubiläumsevent des Erich Schmidt Verlags am 11. Oktober 2024

Der Erich Schmidt Verlag in Berlin kann mittlerweile auf seine 100-jährige Geschichte zurückblicken. Der Verlag nahm dies zum Anlass, sein Jubiläum am 11. Oktober 2024 in einem gebührenden Rahmen zu feiern. Das Jubiläumsevent bestand aus zwei Teilen. Vor der Gala – dem Hauptteil des Events mit Start ab 17 Uhr im TIPI AM KANZLERAMT – fand mit Beginn 15 Uhr ein literarischer Rundgang statt. In diesem Rahmen hatten die Festgäste Gelegenheit, sich um das Humboldt Forum herum in das Zeitalter der Aufklärung zu versetzen.

Bernd Preiß | Online-Redakteur | Erich Schmidt Verlag

DER LITERARISCHE RUNDGANG

„Von der Spreegasse zur Sperlingsgasse“

Vom Treffpunkt am Humboldt Forum verlief der Rundgang zunächst über den Schlossplatz in die Sperlingsgasse bzw. die ehemalige Spreegasse. Die 95 Meter lange Straße trägt ihren Namen seit dem 29.8.1931. Anlass für die Umbenennung zur Sperlingsgasse war der 100. Geburtstag des Dichters Wilhelm Raabe. Raabe lebte während seines Studiums an der Berliner Universität von 1854 bis 1858 in der Spreegasse im Haus Nr. 11. Seine damaligen Erlebnisse fasste er in der „Chronik der Sperlingsgasse“ zusammen. Die Chronik erschien unter dem Pseudonym „Jakob Corvinus“. Heute steht ein Plattenbau als Wohngebäude an der Sperlingsgasse. Zudem grenzt die Gartenanlage des ehemaligen Staatsratsgebäudes der DDR an der Straße an.

Das Nicolaihaus und die Kraft des Wortes

Ein weiteres Highlight war der Weg zum Nicolaihaus, ein historisches Bürgerhaus in der Brüderstraße 13. Es steht unter Denkmalschutz und wurde 2011 von der „Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ übernommen, die es instandgesetzt hat. Das Haus erzählt von dem Verleger und Schriftsteller Friedrich Nicolai (1733–1811), einem der Väter der Aufklärung. Dort trafen sich seinerzeit vor allem Menschen, die die Gesellschaft über die Kraft des Wortes verändern wollten.

DAS FESTLICHE RAHMENPROGRAMM

Das festliche Rahmenprogramm begann ab 18 Uhr im TIPI AM KANZLERAMT in Berlin mit der Eröffnungsansprache von Verleger Dr. Joachim Schmidt. Begrüßt wurden die Gäste von der Moderatorin Birgit Benz. Die studierte Betriebswirtschaftlerin ist Geschäftsführerin der School of Governance, Risk & Compliance Training GmbH sowie der Forensic Management GmbH. Bereits seit 1990 ist Birgit Benz als Betrugsermittlerin (Certified Fraud Examiner) tätig. Sie arbeitet seit nahezu zwei Jahrzehnten mit dem Erich Schmidt Verlag zusammen.

Verleger Dr. Joachim Schmidt: „Ich dachte fast, ich wäre bei der Gründung dabei gewesen“

Dr. Joachim Schmidt eröffnete die Gala mit seinem ganz herzlichen Dank an die zahlreich erschienenen Gäste und scherzte anfangs, dass er angesichts der vielen Gratulationen fast schon dachte, er wäre bei der Gründung dabei gewesen.

Anschließend galt sein Dank den zahlreichen Autoren und Verfassern, deren Bedeutung er betonte, aber auch den vielen Partnern, Dienstleistern und Beratern. Ein besonderer Dank galt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Erich Schmidt Verlages, und zwar sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft. Hierbei betonte er vor allem den Teamgeist der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Einen Gruß richtete er auch an die mit anwesende Verlegerfamilie, deren Kraft nach seinen Worten wie eine Gravitationskraft wirkt. Insgesamt hob er den großen Kooperationsgeist im gesamten Umfeld des Verlages hervor.

Abschließend wies Dr. Joachim Schmidt auf die zum Jubiläum erschienene Festschrift „100 Jahre Erich Schmidt Verlag 1924–2024“ hin – auch hier mit besonderem Dank an die Mitautorin sowie die Grafik und die Herstellungsabteilung des Verlages.

STAATSSEKRETÄR DR. DIRK FEUERBERG: „DER ERICH SCHMIDT VERLAG IST EIN ZUVERLÄSSIGER PARTNER DER VERWALTUNG UND JUSTIZ“

Es folgte das Grußwort von Dr. Dirk Feuerberg, Staatssekretär für Justiz der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz.

Dr. Dirk Feuerberg betonte die Bedeutung des Erich Schmidt Verlages als zuverlässiger Partner der Justiz und hob besonders den im Verlag erscheinenden „Hauck/Noftz“ und die zahlreichen Publikationen zum Umweltrecht hervor. Sodann ging er auf die Kontinuität des Verlages als Familienunternehmen ein und würdigte den Erich Schmidt Verlag als festen Bestandteil der Verlagslandschaft.

Digitalisierung mit Buchdruck vergleichbar

Die anstehenden Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz (KI) ergeben und denen sich alle Verlage heute stellen müssen, verglich er mit den bahnbrechenden Veränderungen, die die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern im 15. Jahrhundert mit sich brachten.

Weitere 100 Jahre ESV

Unter Hinweis auf die Online-Datenbanken, wie „ESVDigital“, nannte er den Erich Schmidt Verlag einen unverzichtbaren Partner für Justiz und Verwaltung und „prognostizierte“ weitere 100 Jahre Erich Schmidt Verlag.

VORSTÄNDIN DES BÖRSENVEREINS ANNEROSE BEURICH: „VERLAG ALS BESTES BEISPIEL FÜR EINE OFFENE DEBATTENKULTUR“

Ein weiteres Grußwort richtete anschließend Annerose Beurich, stellvertretende Vorsitzende des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, an die Festgäste.

Annerose Beurich übermittelte zunächst herzliche Grüße vom Vorstandskollegium des Börsenvereins, um anschließend an das Engagement des Verlagsgründers zu erinnern, der 1946 treibende Kraft der Gründung der Berliner Verleger- und Buchhändlervereinigung und ihr erster Vorsitzender war. Als Zusammenschluss der buchhändlerischen Verbände der amerikanischen und britischen Besatzungszonen entstand dann später die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verleger- und Buchhändler- Verbände, aus der schließlich der Börsenverein Deutscher Verleger- und Buchhändlerverbände mit Sitz in Frankfurt am Main erwuchs.

Im Weiteren würdigte Annerose Beurich den Erich Schmidt Verlag als einen sehr verlässlichen Anbieter von crossmedialen Fachinformationen. In Zeiten von Hass, Fakenews und von Halbwissen sei der Erich Schmidt Verlag das beste Beispiel für die Aufrechterhaltung einer offenen Debattenkultur.

RECHTSANWÄLTIN DR. ASTRID AUER-REINSDORFF: „OHNE VERLAG BIST DU ALLEIN“

Es folgte die Paneldiskussion zwischen Rechtsanwältin Dr. Astrid Auer-Reinsdorff, Vorständin des Berliner Anwaltsvereins, und Prof. Dr. Christian Fandrych, Vorstand des Goethe-Instituts, moderiert von Brigit Benz. Die Diskussion stand unter dem Motto „100 Jahre ESV: Autoren, Leser und Verlag“.

Die Diskussion eröffnete Dr. Astrid Auer-Reinsdorff mit dem Thema: „Was leisten Autoren und Verlage gemeinsam für die Leser?“ Zunächst hob Dr. Astrid Auer-Reinsdorff die Autorenschaft als unverzichtbar für Praxis und Wissenschaft hervor, wobei die Verlage als Schnittstelle fungieren würden. Im Anschluss daran wies sie auf die vielfältigen Bedürfnisse der Leserschaft hin, die auch mit der Digitalisierung einhergehen. Während digitale Inhalte sich mehr für die ganz gezielte Suche nach Informationen eignen, würden Printprodukte dem Leser eher einen Überblick über eine bestimmte Materie verschaffen.

Es folgte Prof. Dr. Christian Fandrych mit dem Beitrag: „Warum brauchen Autoren Verlage?“

Seine These: Den Grund, warum Autoren Verlage brauchen, sieht Prof. Dr. Christian Fandrych in der besseren Sichtbarkeit der Autoren. Zudem würde durch die Unterstützung durch die Verlagsredaktionen der Austausch von Wissen darüber gefördert, wie man besser an die Zielgruppen herankommen kann und wie innovative Konzepte für die Zukunft erstellt werden können.

Insoweit wies er darauf hin, dass der Erich Schmidt Verlag neue Wege ausprobiert, was er vor allem auf seinem Tätigkeitsgebiet an der Zeitschrift „Deutsch als Fremdsprache“ ausmacht. Prof. Dr. Christian Fandrych lobte dabei die gute Betreuung durch den Verlag.

Eigenverlage nicht empfehlenswert

Auf die Frage von Frau Benz, ob den Autoren zwecks besserer individueller Sichtbarkeit auch sogenannte „Eigenverlage“ zu empfehlen sind, zeigten sich beide Diskussionspartner skeptisch.

Dr. Astrid Auer-Reinsdorff vertrat die These: „Ohne Verlag bist du allein“. Ihr zufolge fehlt dem einzelnen Autor schlicht der Marktzugang. Auch soziale Medien, wie etwa „LinkedIn“, könnten die Reichweite der Autoren nicht nennenswert erhöhen. Dies, so Dr. Astrid Auer- Reinsdorff weiter, könne sich aber ändern. Noch aber hänge der Bekanntheitsgrad eines Autors entscheidend von den Verlagen ab.

Prof. Dr. Christian Fandrych fügt hinzu: „Auch Modelle, wie etwa ‚Open Access‘ erhöhen momentan nicht automatisch die Sichtbarkeit“. Die Zusammenarbeit mit einem Verlag sei dafür unverzichtbar.

Richtig wichtig: enger Kontakt zu Autoren

Dr. Astrid Auer-Reinsdorff empfiehlt den Verlagen darüber hinaus, sehr aktiv engen Kontakt zu den Autoren zu halten, vor allem bei den Jüngeren, die fast etwas Angst hätten, längere Beiträge zu verfassen. Sie bevorzugen es eher nur, auf LinkedIn kurze Statements zu posten. Hier gelte es, gerade die Jüngeren zu ermutigen, sich an längere Abhandlungen zu wagen.

In die gleiche Richtung ging die Antwort von Prof. Dr. Christian Fandrych, der ebenfalls empfiehlt, die Nähe zu den Autoren aufrechtzuerhalten. Ihm zufolge geht es vielen Autoren dabei immer auch um die Datensicherheit und die Wahrung ihrer Urheberrechte.

AUTOR UND REDNER GERRIET DANZ: „DAS GEHIRN IST EIN LÖSUNGSFINDUNGSORGAN“

Nach der Vorspeise setzte Kommunikationscoach und Buchautor Gerriet Danz das Festprogramm fort. Sein Thema: „Expedition Innovation. Wie Unternehmen Wandel und Digitalisierung meistern“. Dabei widmet er sich zunächst den Voraussetzungen für erfolgreiche Innovationen.

Sich immer wieder neu erfinden

Eine der ersten Maximen des Kommunikationstrainers ist die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Gemeint ist der Kampf des alten Denkens gegen das neue Denken. Hinzu kommt die Fähigkeit, stets den Blick nach vorne zu richten, also quasi in die Zukunft zu schauen, verbunden mit Neugier und der Offenheit, auch aus anderen Branchen zu lernen.

Gehirn als Lösungsfindungsorgan

Eine gewichtige Voraussetzung für Innovativkraft ist Gerriet Danz zufolge die Kreativität. Darunter versteht er die Fähigkeit, Dinge miteinander zu verknüpfen, die es bisher noch nicht gegeben hat, und die nicht unbedingt auf der Hand liegen. Das menschliche Gehirn sieht er dabei als Lösungsfindungsorgan.

Anschließend illustriert er seine Ausführungen anhand einiger Beispiele aus der Praxis. Hervorzuheben ist insoweit IKEA, der Pionier der Bausätze für Möbel. Bei IKEA habe man sich nicht auf den Anfangserfolgen ausgeruht, so Gerriet Danz. Inzwischen verleast IKEA nicht nur seine Möbel, sondern vermietet sogenannte Tiny Apartments, um der Wohnungsnot in Tokyo entgegenzuwirken – natürlich eingerichtet mit IKEA-Möbeln. Da bei einigen Besuchern auch der Köttbullar beliebter ist als die Einrichtungsgegenstände, betreibt IKEA auch Fastfood-Restaurants.

VERLEGER DR. JOACHIM SCHMIDT: TRANSFORMATION GEMEINSCHAFTLICHE AUFGABE

Das Abschlussgespräch nach dem Hauptgang, der untermalt wurde durch den Zauberer Max Olbrich, stand im Zeichen eines Dialoges von Birgit Benz und Dr. Joachim Schmidt.

Zunächst hob Dr. Joachim Schmidt den aktuellen Transformationsprozess als gemeinschaftliche Aufgabe hervor, die nur im Team zu schaffen sei.

Im Rückblick ging Dr. Joachim Schmidt dann auch auf seinen Vater, Dr. Erich Schmidt jun., ein. Er bedauerte, dass sein Vater, der mit einer enormen Energieleistung das Verlagsprogramm ausgebaut hatte, viel zu früh verstarb. Bis dessen Tod am 8. November 1985 im Alter von nur 62 Jahren habe niemand aus der Familie heraus erwartet, dass er als sein Sohn den Verlag fortführt. Es wurde jedoch sofort klar, dass Verlag in der Familie bleiben müsse. Die Lage war herausfordernd, da er – so Dr. Joachim Schmidt – seinerzeit noch in der Berufsausbildung war. Es war ein Glücksfall, dass der vormals kaufmännische Leiter des Verlages, Claus-Michael Rast, die laufenden Geschäfte des Verlages zunächst allein und ab Ende 1998 bis 2009 gemeinsam mit Dr. Joachim Schmidt führte. Dr. Joachim Schmidt bedankte sich für den gemeinsamen Weg ausdrücklich bei Claus-Michael Rast.

Auf die Frage, woher er seine Kraft für die Bewältigung der verlegerischen Herausforderungen nimmt, antwortete Dr. Joachim Schmidt, dass der Verlag inzwischen Teil seiner eigenen Identität geworden sei. Besondere Energie spenden dabei die Erfolge, bei denen man im Verlag gemeinsam mit Kraft vorankommt. Abschließend galt sein besonderer Dank noch einmal seiner Familie, Birgt Benz und dem Organisationsteam für das Jubiläumsevent.

Heft 12 | 2024 | 73. Jahrgang