Bericht aus dem AK Mietrecht und WEG vom 9. April 2024
Baumängel, Eigentumsumschreibung und Zahlungsansprüche im Bermudadreieck von Bauträger, GdWE und Erwerber
Das Schöne am Arbeitskreis ist, dass KollegInnen mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten teilnehmen. Denn in unserem Arbeitskreis lieben wir Schnittstellen, die normalen Fragen lassen sich ja in der Regel durch den Blick in einen Kommentar lösen.1Aber welcher Fall ist schon normal? Wir konnten für unseren April-Termin Frau Rechtsanwältin Cyntia Rochelmeyer2Aus der Kanzlei LOH Rechtsanwälte, Berlin. gewinnen, die uns als ausgewiesene Expertin im Bauträger- und WEG-Recht – aus Bauträgersicht – einige der „schönsten“ – dabei immer wiederkehrenden – Fragen aus der Praxis nahebrachte.
Johannes Hofele | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Breiholdt und Partner Rechtsanwälte | Sprecher des Arbeitskreises Mietrecht und WEG im BAV
In der Einführung erläuterte sie allgemeine Fragen zum Bauträgervertrag, der kaufvertragliche, werkvertragliche und auch Elemente aus dem Geschäftsbesorgungsrecht hat, aber dennoch trotz dieser unterschiedlichen Elemente einen einheitlichen Vertrag darstellt. Schon MaBVein normaler Bauvertrag ist kompliziert genug, aber bei der Errichtung einer Eigentumswohnanlage stellen sich Schnittstellenprobleme, weil sich die Errichtungspflicht des Bauträgers aus jedem einzelnen Bauträgervertrag mit dem jeweiligen Sondereigentümer eben auch auf das Gemeinschaftseigentum bezieht. Damit nicht genug: Wird eine Mehrhausanlage errichtet und werden die Häuser nacheinander gebaut, stellt sich die Frage, wann der Bauträger eigentlich erfüllt hat und ob zum Beispiel ein Erwerber, dessen Gebäude errichtet ist, auch Mängel am Gemeinschaftseigentum der anderen Gebäude geltend machen kann.
„Sonderwunschvereinbarungen sind beurkundungspflichtig“
Auch wenn die Menschheit seit mehreren tausend Jahren Häuser baut, scheinen wir das immer noch nicht richtig zu können – es gibt immer Mängel. Und dazu kommt, dass es praktisch keinen Erwerber gibt, dem hinterher nicht noch einfällt, dass er das eine oder andere doch anders haben will, als er sich das ursprünglich überlegt hat und in der Baubeschreibung niedergelegt wurde. Hier ist der wichtige Hinweis zu erteilen: Sonderwunschvereinbarungen sind ggf. beurkundungspflichtig.
Den Bauträger interessiert natürlich vorrangig, wann er sein Geld bekommt, hier kommt die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) ins Spiel, die dem Bauträger genau vorschreibt, wann er welche Zahlungen „entgegennehmen“ darf.3Eine ziemliche sperrige Norm, mit der der Berichterstatter seit seinen Anfängen in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, bei der er MaBV-Prüfungen bei Bauträgern durchgeführt hatte, kaum mehr in Berührung kam. Die MaBV als Verbraucherschutzregelung legt dem Bauträger ein recht enges Korsett auf, Verstöße sind auch bußgeldbewehrt. Sie regelt unter anderem die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs, der Bauträger darf Zahlungen nur nach Maßgabe eines eng vorgeschriebenen Zahlungsplans entgegennehmen. Dieser darf maximal sieben Teilzahlungen enthalten. Die Teilzahlungen sind rechtlich Abschlagszahlungen.4BGH v. 22.12.2000 – VII ZR 310/99. Verstößt der Bauträger gegen den Zahlungsplan, sind die Abschlagszahlungsvereinbarung nichtig, an deren Stelle tritt § 641 Abs. 1 BGB – die gesamte Vergütung ist also erst bei Abnahme zu entrichten.
„Bekannt dürfte wohl der Streit um die sogenannte Schlussrate sein, die erst bei ,vollständiger Fertigstellung‘ fällig ist“
Wie immer liegt der Teufel im Detail und Bauträger sind gut beraten, ihre Verträge nicht auf Kante zu nähen. So darf der Bauträger die Besitzeinräumung nicht davon abhängig machen, dass der Erwerber zuvor das Sondereigentum abgenommen hat.5OLG München v. 28.1.2019 – 28 U 3555/18. Bekannt dürfte wohl der Streit um die sogenannte Schlussrate sein, die erst bei „vollständiger Fertigstellung“ fällig ist. Es bedarf nicht allzu überbordender Fantasie, dass man trefflich streiten kann, wann das bei einem Gebäude wohl der Fall ist. Umso erstaunlicher ist, dass hier sogar Streit darüber herrscht, ob diese Frage höchstrichterlich entschieden ist. Die Referentin erläuterte, dass der BGH dazu in seinem Urteil aus dem Jahr 20116BGH v. 27.10.2011 – VII ZR 84/09. nicht konkret Stellung genommen hatte, wobei dies erfreulicherweise zu einer intensiven Diskussion unter den Anwesenden führte. Geklärt ist, dass diese letzte Kaufpreisrate in zehn Jahren7BGH v. 7.12.2023 – VII ZR 231/22. verjährt, was wiederum einen interessanten Austausch darüber entfachte, wann die Verjährung beginnt: Die Lösung findet sich im Gesetz, die zehnjährige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 200 BGB mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen. Der Anspruch ist entstanden, wenn er erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. In der Regel ist das der Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 271 BGB), sofern keine besonderen Absprachen getroffen wurden.8Und kann beim BGH a.a.O. Rz. 36 nachgelesen werden. Ein weiteres Problem ist, welche Einreden Bauträger zustehen, falls der Erwerber die Rate nicht bezahlt.9Dazu OLG Hamburg v. 17.4.2015 – 9 U 35/14.
Die praktische Erfahrung der Referentin zeigte sich dann bei der Darstellung der Mängelrechte aus § 634 BGB und der Frage, wann eigentlich vom Erfüllungsanspruch auf die Sekundäransprüche übergegangen wird. Die PowerPoint-Präsentation war klasse,10Die Teilnehmenden haben die Pdf erhalten – Pech für die, die nicht dabei waren. weil hier sehr gut strukturiert die ganzen Mängelrechte dargestellt waren. Und in diesem Zusammenhang ging es dann ans Eingemachte: Mängel am Sondereigentum, Mängel an Gemeinschaftseigentum, Mängel an beidem.11Sogenannte „Doppelmängel“. Wem stehen welche Mängelrechte zu, was ist mit dem Vorschussanspruch der GdWE, wenn keine Abnahme erfolgt ist?12Dazu OLG München v. 22.3.2022 – 28 U 3194/21. Und natürlich als Krönung: Was ist eigentlich bei Mängeln an Gemeinschaftseigentum, an dem der Erwerber ein Sondernutzungsrecht hat?13OLG Braunschweig v. 20.6.2019 – 8 U 62/18, Rn. 14.
Weil wir einen Arbeitskreis machen, war es – wie immer – nicht die Aufgabe der Referentin, die Teilnehmenden mit Kochrezepten zu versorgen, die man dann einfach so anwenden kann. Dazu ist die Materie auch viel zu komplex. Aber alle Anwesenden, die dabei waren, haben durch die frische Art des Vortrags und die dadurch ausgelöste angeregte Diskussion sehr viel für die Praxis mitgenommen.
Wer jetzt bereut, nicht dabei gewesen zu sein, ein kurzer Ausblick auf die kommenden Monate: Im Juni wird Herr Rechtsanwalt Kai-Peter Breiholdt14Breiholdt und Partner Rechtsanwälte mbB in Berlin. zur „Jahresabrechnung nach WEMog“ referieren, im Juli wird Herr Rechtsanwalt Olaf Lenkeit15Münch, Kanzlei für Zivil- und Wirtschaftsrecht, Berlin. ein extrem spannendes Dunkelthema beleuchten: „Verbraucherwiderruf und GdWE – Fluch oder Segen(?)“.
- 1Aber welcher Fall ist schon normal?
- 2Aus der Kanzlei LOH Rechtsanwälte, Berlin.
- 3Eine ziemliche sperrige Norm, mit der der Berichterstatter seit seinen Anfängen in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, bei der er MaBV-Prüfungen bei Bauträgern durchgeführt hatte, kaum mehr in Berührung kam.
- 4BGH v. 22.12.2000 – VII ZR 310/99.
- 5OLG München v. 28.1.2019 – 28 U 3555/18.
- 6BGH v. 27.10.2011 – VII ZR 84/09.
- 7BGH v. 7.12.2023 – VII ZR 231/22.
- 8Und kann beim BGH a.a.O. Rz. 36 nachgelesen werden.
- 9Dazu OLG Hamburg v. 17.4.2015 – 9 U 35/14.
- 10Die Teilnehmenden haben die Pdf erhalten – Pech für die, die nicht dabei waren.
- 11Sogenannte „Doppelmängel“.
- 12Dazu OLG München v. 22.3.2022 – 28 U 3194/21.
- 13OLG Braunschweig v. 20.6.2019 – 8 U 62/18, Rn. 14.
- 14Breiholdt und Partner Rechtsanwälte mbB in Berlin.
- 15Münch, Kanzlei für Zivil- und Wirtschaftsrecht, Berlin.