Bewertungen von Kunst und Hausrat im Erb- und Scheidungsfall
Treffen der Arbeitskreise Erbrecht / Familienrecht
Das gemeinsame Treffen der Arbeitskreise Familienrecht und Erbrecht am 9. November 2022 stand ganz im Zeichen des Themas „Bewertungen“, was im Familienrecht insbesondere im Rahmen der Auseinandersetzung über Zugewinnausgleichsansprüche als auch im Erbrecht bei der Berechnung des Nachlasses bei Pflichtteilsstreitigkeiten und Erbaufteilung ein Dauerbrenner ist. Dementsprechend war die Veranstaltung sehr gut besucht.
Tina von Kiedrowski | Rechtsanwältin | Fachanwältin für Familienrecht | von Kiedrowski Caspary Rechtsanwälte
Der Referent, Herrn Dr. Frithjof Hampel, der Bundesfachbereichsleiter des Bundesverbandes öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger (BVS) für Kunst und Antiquitäten ist, war lang ersehnt, er hätte eigentlich schon im Frühjahr 2021 stattfinden sollen, musste aber pandemiebedingt mehrfach verschoben werden.
Herr Dr. Hampel ist Kunsthistoriker und Antiquitätenexperte und verfügt seit seiner Vereidigung als Hausrat- und Kunstsachverständiger im Jahr 1989 über langjährige Erfahrungen bei der Erstellung von Gutachten und Schätzungen. Die Berufsbezeichnung des „Hausrat- und Kunstsachverständigen“ ist gesetzlich nicht geschützt und Herr Dr. Hampel wies darauf hin, dass es für eine gerichtsfeste Auseinandersetzung von essenzieller Bedeutung ist, die Bewertung von einem öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter der IHK durchführen parteineutral und weisungsfrei erstellen zu lasen und nicht von einem „freien“ Kunstsachverständigen.
WIE ARBEITET EIN SACHVERSTÄNDIGER FÜR KUNST UND HAUSRAT?
Beauftragt wird der Sachverständige im Bereich des Familienrechts meist von den Familiengerichten als öffentlich bestellter Sachverständiger in Zugewinnausgleichsverfahren, wohingegen er im Bereich des Erbrechts meistens als Privatgutachter herangezogen wird.
Seine Schätzungen sind dann Grundlage für die Erstellung des Nachlassverzeichnisses und der Erbschaftssteuererklärung. Häufig wollen die Erben den Nachlass unter sich aufteilen, sind sich aber über den Wert der einzelnen Gegenstände unsicher. Andere planen den Verkauf der kompletten Erbschaft und beauftragen den Sachverständigen, weil sie wissen wollen, wie viel Geld der Verkauf einbringen könnte.
Die Kosten für einen Kunstsachverständigen betragen 130,00 €/h und zu Beginn der Beauftragung wird nach einer Vorbesichtigung anhand des geschätzten Zeitaufwandes und der Anfahrtskosten ein Kostenvoranschlag über die voraussichtlichen Gesamtkosten erstellt. Der gesamte Hausrat/Kunst wird fotografiert und eine Bestandsliste erstellt, in der festgehalten wird, aus welchem Material die Objekte sind, welcher Epoche sie entstammen und wie sie erhalten sind.
Der Sachverständige hat ein breites Spektrum der Objektbewertung, nämlich für den allgemeinen Hausrat, wie z.B. Elektrogeräte, Wohnungsmöblierung, Bücher, Textilien und die Kücheneinrichtung, als auch für den höherwertigen Hausrat, wie z.B. Kunst, Antiquitäten und Schmuck.
Jedoch ist der Sachverständige nicht dazu berufen, juristische Fragen, wie z.B. ob ein wertvolles Bild als Haushaltsgegenstand der Teilung nach §§ 1568 b, 1361a BGB unterfällt oder als Vermögen eines Ehegatten dem Zugewinnausgleich unterliegt; diese Einordnung bleibt allein den Anwälten bzw. dem Gericht überlassen.
VERKEHRSWERT IST NICHT GLEICH VERKAUFSWERT
Auch ist es nicht Aufgabe des Sachverständigen, den Verkaufswert zu bestimmen, also den Wert, zu dem die Kunst veräußert werden kann. Hier können – im Rahmen eines Privatgutachtens – nur Hilfestellungen gegeben werden, wo die bestmöglichsten Absatzmöglichkeiten bestehen.
„Oft überschätzen die Leute den Wert der Kunstgegenstände oder Antiquitäten“
Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsberechtigte, die an einem möglichst hohen Wert interessiert sind und sich im Vorfeld des Gutachtens anhand von Verkaufsportalen oder durch Anfragen bei Auktionshäusern informiert haben, sind häufig enttäuscht, wenn im Gutachten ein wesentlich niedriger Verkehrswert (market value) angesetzt wird. „Oft überschätzen die Leute den Wert der Kunstgegenstände oder Antiquitäten“, erklärte Herr Dr. Hampel. Grund dafür ist, dass Auktionshäuser den Ankaufspreis dagegen oft bewusst (zu) hoch ansetzen, um den Anreiz für einen Verkauf zu schaffen; außerdem verlangen sie von dem Verkäufer eine Einlieferungsgebühr von 10−20 % des erzielten Verkaufspreises und vom Käufer eine Provision (Aufgeld) von ca. 25 %.
WAS BEEINFLUSST DEN WERT VON KUNST?
Wie kann also der Wert eines Kunstwerks zu einem bestimmten Stichtag ermittelt werden? Hilfsmittel dafür sind die wertbildenden Kriterien eines Werkes wie z.B. die Stilanlage, die Authentizität (die Echtheit), Erhaltungszustand, Künstler, die Signatur, Maße, Motiv und die Marktgängigkeit.
Kunstpreisdatenbanken wie Artprice und Artnet geben Limitpreise vergleichbarer Werke wieder, die eine Tendenz im Preis erkennen lassen. Die wichtigste Aussage über den Wert eines Werkes ist die Echtheit. Erkenntnisse darüber können oft nur Spezialisten, die im Streitfall hinzugezogen werden müssen, durch aufwendige Materialanalysen und die Provenienz, die lückenlose Herkunft, festgestellt werden. Hierfür hilft das Art Loss Register, eine internationale Datenbank verlorener und gestohlener Kunstwerke, die in Zusammenarbeit zwischen den größten Auktionshäusern wie Sotheby’s und Christie’s und den Verbänden des Kunsthandels gegründet wurde. Insgesamt ist es wesentlich einfacher, eine Fälschung zu erkennen, als die Echtheit eines Kunstwerkes festzustellen.
Bei der Beauftragung als Privatgutachter kommt dem Sachverständigen häufig die Rolle eines Vermittlers zu, muss er die häufig überzogenen Preisvorstellungen wieder durch eine transparente und nachvollziehbare Einschätzung zurechtrücken und über die bestmöglichen Absatzmöglichkeiten beraten.
FRÜHER BEGEHRT, HEUTE VERSCHMÄHT
Während zeitgenössische Kunst gefragt ist wie nie zuvor, insbesondere von Größen wie z.B. Gerhard Richter, Georg Baselitz und Jeff Koons, aber auch Möbel-Designklassiker von Le Corbusier, Philippe Starck und Charles Eames, ist bei antiken Möbeln und Kunst aus früheren Epochen seit Jahrzehnten ein gewaltiger Wertverfall eingetreten.
Die Preise für antike Möbel aus der Barock-, der Biedermeier- oder der Artdéco-Zeit, aber auch Silber, Kristallgläser, Porzellan und Orientteppiche sind in den letzten 20 Jahren in den Keller gerauscht. Gleiches gilt für Meißener Porzellan, Bilder des 19. Jahrhunderts, Lithographien und Graphiken.
Der Wert bestimmt sich in erster Linie nach der Nachfrage. Fehlt diese, dann drückt das den Preis. Die Erbengeneration hat einen anderen Geschmack und richtet sich zeit- und schnörkellos ein. Ehemalige Familienschätze, wie das massive Barockbuffet oder die glänzende Mahagonikommode entsprechen nicht mehr dem Zeitgeist der „Generation Ikea“, die diese Objekte häufig nur noch loswerden möchte. Dadurch wird der Markt mit diesen Objekten geflutet und die Preise aufgrund des hohen Angebots sinken.
„Ein handgeknüpfter Perserteppich, der 1960 für 60.000,00 DM gekauft wurde, hat heute manchmal nur noch einen Verkehrswert von 1.200,00 €“, erzählt Frithjof Hampel.
Auch aktuelle politische und wirtschaftliche Krisen beeinflussen den gemeinen Wert von Sammlerstücken: Als Beispiel nannte Herr Dr. Hampel den Markt von gebrauchten Luxusuhren, wie z.B. Rolex, der in den letzten 20 Jahren boomte. Seit 2020 hat aufgrund der Pandemie und des Ukraine-Krieges der Markt für getragene Luxusuhren um bis zu 30% nachgegeben: Viele Sammler haben aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Uhren „versilbert“ und dadurch wurde das über lange Zeit sehr knappe Angebot von limitierten Uhren wieder größer, was schließlich zu günstigeren Preisen führt.