BMJ-Umfrage zum Fremdbesitz, die Zweite
BMJ legt Stellungnahmen der Verbände vor
Das war im Dezember ein ziemlicher Aufreger: Am 5.12.2023 berichtete die BRAK jubelnd vom Ergebnis einer Umfrage des BMJ zum Fremdbesitz.1BRAK-Newsroom: https://www.brak.de/newsroom/zugang-ueber-beaanwalt- legte-kein-bea-nachrichtenjournal-vor-berufung-verworfen/ umfrage-bmj-fremdkapital-anwaltschaft-steht-lockerung-desfremdbesitzverbotes- kritisch-gegenueber/. Die Ergebnisse lauteten in der Kurzzusammenfassung des BMJ vom 21.12.2023,2Pressemeldung des BMJ: https://www.bmj.de/SharedDocs/ Pressemitteilungen/DE/2023/1221_Umfrage_BMJ.html. dass 63 Prozent der Teilnehmenden eine Lockerung des Fremdbesitzverbots generell ablehnten und das Geschäftsmodell von weiteren 28 Prozent der Teilnehmenden keine Lockerung nötig war. 80 Prozent sprachen sich gegen die Aufnahme reiner Kapitalgeber aus, 73 Prozent der Teilnehmenden sahen Gefahren, die sich auch durch gesetzliche Vorgaben nicht hinreichend eindämmen ließen.
VOM BAYAGH ZUM EUGH
Nachdem die Umfrage und ihre Bewertung eingehend im Dezember und Januar erörtert worden war, ebbte die Aufmerksamkeit etwas ab, oder besser: Der Fokus veränderte sich. Denn vor dem EuGH wurde der Vorlagebeschluss des Bayerischen AGH verhandelt, in dem es wiederum um die europarechtliche Zulässigkeit des Fremdbesitzverbots ging.3AGH Bayern v. 20.4.2023 – BayAGH III-4-20/21 m. Anm. Schwintowski, LTZ 2023, 222; Kilian, DStR 2023, 1621. Ende April wurde vor der Großen Kammer verhandelt – das will was heißen, denn ganz überwiegend werden vor dem EuGH die Fälle vor Kammern mit drei Richtern verhandelt. Wenn es vor die Große Kammer geht – da sitzen 15 Richterinnen und Richter –, ist es buchstäblich großes Kino. Ergebnisse gibt es noch nicht, zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Beitrags lagen auch die Schlussanträge des Generalanwalts noch nicht vor.
WEITERE PRESSEMELDUNG DES BMJ
Am 22.5.2024 verteilte das BMJ eine weitere Presseerklärung zu der Umfrage zu möglichen Lockerungen des Fremdbesitzverbots.4Pressemeldung des BMJ (die Stellungnahmen der Verbände sind über einen Link in der Pressemeldung verfügbar): https://www.bmj.de/ SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/0522_Fremdbesitzverbot. html. Das war kein Versehen, auch wenn die Presseerklärung zunächst einmal nur wiederholte, was das BMJ bereits in seiner Presseerklärung vom 21.12.2023 verkündet hatte. Gleichzeitig mit der damaligen offenen Umfrage unter Anwälten hatte das BMJ aber verschiedene Verbände zu ihrer Auffassung zum Thema der Lockerung befragt. Geäußert hatten sich die BRAK, der Legal Tech Verband, GDV und Patentanwaltskammer sowie Steuerberaterkammer und -Verband. Nicht geäußert hatte sich der DAV.
SICHTWEISE DER VERBÄNDE
Die Stellungnahmen der Verbände zeichnen ein geteiltes Bild: Befürworter der Lockerung, wie der Legal Tech Verband (LTV) und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), argumentieren, dass Fremdkapital entscheidend für die digitale Transformation und Wettbewerbsfähigkeit sei. Sie betonen, dass Investitionen in Technologien und moderne Marketingmethoden notwendig sind, um den veränderten Erwartungen der Mandanten gerecht zu werden und sich gegen neue Rechtsdienstleister wie Legal-Tech-Unternehmen behaupten zu können. Der GDV hob zudem hervor, dass eine Lockerung den Zugang zum Recht verbessern könnte, insbesondere bei wirtschaftlich weniger attraktiven Mandaten.
Die anderen befragten Verbände sprachen sich gegen Lockerungen aus. Sie sehen erhebliche Risiken und Gefahren für Unabhängigkeit und Qualität der Beratung durch wirtschaftliche Interessen externer Kapitalgeber. Die BRAK betonte, dass bestehende Finanzierungsmodelle ausreichend seien und die Wettbewerbsfähigkeit der Anwaltschaft auch ohne Fremdkapital gewährleistet werden könne. Die Patentanwaltskammer sah keinen praktischen Bedarf für eine Lockerung und wies darauf hin, dass Investitionen in digitale Technologien durch laufende Einnahmen oder bewährte Finanzierungswege gedeckt werden können. Insgesamt bleibt die Diskussion kontrovers, wobei die Befürworter auf notwendige Modernisierungen und Effizienzsteigerungen verweisen, während die Gegner die fundamentalen Prinzipien der Unabhängigkeit und Qualität der Beratung verteidigen. Es klingt alles seltsam vertraut, neue Argumente scheint es nicht zu geben, Zwischenlösungen sind bei den Gegnern einer Lockerung nicht vorstellbar.
EIN AUSWEG?
Interessant an den Stellungnahmen ist, dass es gerade die „reinen Kapitalinvestoren“ sind, vor denen gewarnt wird. Das ist auch ein wesentliches Ergebnis der Umfrage unter den Anwälten. Wie wäre es, wenn es Kapital von Berufsangehörigen gäbe, die allerdings nicht ihren Beruf in der Kanzlei ausüben? So ist es etwa bei den Steuerberatern: Fremdbeteiligung ist dort etwas anderes als bei Anwälten, weil es ein ausdrückliches Tätigkeitsgebot nicht gibt. Würde das die Situation ändern?
- 1BRAK-Newsroom: https://www.brak.de/newsroom/zugang-ueber-beaanwalt- legte-kein-bea-nachrichtenjournal-vor-berufung-verworfen/ umfrage-bmj-fremdkapital-anwaltschaft-steht-lockerung-desfremdbesitzverbotes- kritisch-gegenueber/.
- 2Pressemeldung des BMJ: https://www.bmj.de/SharedDocs/ Pressemitteilungen/DE/2023/1221_Umfrage_BMJ.html.
- 3AGH Bayern v. 20.4.2023 – BayAGH III-4-20/21 m. Anm. Schwintowski, LTZ 2023, 222; Kilian, DStR 2023, 1621.
- 4Pressemeldung des BMJ (die Stellungnahmen der Verbände sind über einen Link in der Pressemeldung verfügbar): https://www.bmj.de/ SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/0522_Fremdbesitzverbot. html.