Chancen der KI für die Rechtspraxis

22. Konferenz der Europäischen Rechtsanwaltschaften

I.
TEILNEHMER AUS 17 LÄNDERN!

Am 1. November 2024 richtete der Berliner Anwaltsverein wieder die Konferenz der Europäischen Rechtsanwaltschaften mit Teilnehmern aus 17 (sic!) Ländern aus. Es war bereits die 22. Auch in diesem Jahr durften wir die Räume der Vertretung der EU-Kommission nutzen – vielen herzlichen Dank dafür! Diesjähriges Thema war die inzwischen zum Dauerthema avancierte künstliche Intelligenz. Wer jetzt stöhnt, och nö, ich kann das nicht mehr hören … ja, mag sein, dass seit einiger Zeit sehr viel darüber berichtet wird, und dass wir dabei die natürliche Intelligenz nicht vernachlässigen sollten. Aber es ist wie vor 120 Jahren mit den Postkutschen und den Autos: KI wird nicht einfach so wieder verschwinden.

Jörg Schachschneider | Rechtsanwalt | Vorstandsmitglied des BAV | Mitglied der Satzungsversammlung | www.BerlinerAnwalt.com

„Die Entwicklung dürfte unumkehrbar sein und exponentiell stattfinden“

Und sei so manche als Neuheit vorgestellte Entwicklung auch noch belächelnswert, wie z. B. eine KI, die Ihnen bzw. TikTok-Opfern sagt, was Sie in den Reisekoffer einpacken sollen …. Die Entwicklung dürfte unumkehrbar sein und exponentiell stattfinden.

Viele Chancen, Risiken und Anwendungsgebiete von KI

Es ging am 1. November 2024 also um Chancen der KI für die Rechtspraxis. In seiner Eröffnungsrede betonte der BAV-Vorsitzende Uwe Freyschmidt, dass es wichtig sei, Chancen und Risiken des Einsatzes von KI durch die Anwaltschaft klar zu benennen. Eine auf KI gestützte Mandatsannahme sei schon heute ein interessanter Anwendungsbereich. Sodann schloss Markus Hartung in seiner moderierenden Einführung damit an, dass künstliche Intelligenz, artificial intelligence, viele Bedeutungen und Anwendungsgebiete habe und haben werde. So habe beispielsweise Belgien die Antworten auf den vorherigen, vorbereitenden Fragenkatalog mit KI erstellt. Insoweit sei KI aber noch am Anfang. Es habe viele sogenannte halluzinierende Antworten – Lücken werden nicht als solche identifiziert, sondern von der KI mit Halluzinationen gefüllt, die es für am wahrscheinlichsten hält – gegeben. Deswegen war die erhebliche Nacharbeit von Ben Schaumont (Belgien) unabdingbar.

Viele Chancen, Risiken und Anwendungsgebiete von KI

Es ging am 1. November 2024 also um Chancen der KI für die Rechtspraxis. In seiner Eröffnungsrede betonte der BAV-Vorsitzende Uwe Freyschmidt, dass es wichtig sei, Chancen und Risiken des Einsatzes von KI durch die Anwaltschaft klar zu benennen. Eine auf KI gestützte Mandatsannahme sei schon heute ein interessanter Anwendungsbereich. Sodann schloss Markus Hartung in seiner moderierenden Einführung damit an, dass künstliche Intelligenz, artificial intelligence, viele Bedeutungen und Anwendungsgebiete habe und haben werde. So habe beispielsweise Belgien die Antworten auf den vorherigen, vorbereitenden Fragenkatalog mit KI erstellt. Insoweit sei KI aber noch am Anfang. Es habe viele sogenannte halluzinierende Antworten – Lücken werden nicht als solche identifiziert, sondern von der KI mit Halluzinationen gefüllt, die es für am wahrscheinlichsten hält – gegeben. Deswegen war die erhebliche Nacharbeit von Ben Schaumont (Belgien) unabdingbar.

KI prüft lediglich Wahrscheinlichkeiten

Hartung führte weiter aus, dass die KI einen sehr großen Datenhunger habe. Beim Erstellen von Texten funktioniere KI so, dass es lediglich die Wahrscheinlichkeit für das nächste Wort berechne und dann das jeweils wahrscheinlichste Wort in den fortschreitenden Text aufnehme. Das habe jedoch zur Folge, dass Müll (als Ausgangsdaten) auch nur Müll produziere. Zudem sei bei KI zu berücksichtigen, dass viele KI-Modelle US-basiert seien. In Deutschland würde der Einsatz von KI auf staatlicher Seite vielfach dadurch verhindert, dass viele Bereiche Ländersache seien, so dass einheitliche Regelungen schwierig seien. Deutschland sei beim Einsatz von KI im Bereich der Strafverfolgung (z. B. Gesichtserkennung) grundsätzlich zurückhaltend. Und Urteile ergingen zwar im Namen des Volkes – aber würden dann vielfach nur hinter Paywalls veröffentlicht. Abschließend führte Markus Hartung aus, dass es auch in Zukunft wohl eher keine Ersetzung der Anwaltschaft durch KI geben werde. Den Anwalt an der Seite des Mandanten werde es auch weiterhin geben. Sehr wohl würden aber einzelne Tätigkeiten der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts durch KI ersetzt werden.

„Auch in Zukunft wird es wohl eher keine Ersetzung der Anwaltschaft durch KI geben“

Markus Hartung berichtete auch noch über das brandneue Projekt des Kommentars Grüneberg (früher: Palandt), der vom Verlag als Grundlage mit ChatGPT verknüpft worden sei. Man könne mit dem Kommentar dann elektronisch arbeiten. Negativ sei, dass die Lizenz nur für ein Jahr gelte und dann jeweils neu erworben werden müsse, auch wenn man mit der vorherigen Auflage noch zufrieden sei.

II.
BEITRÄGE DER TEILNEHMENDEN LÄNDER UND DISKUSSION

Zu Beginn der Diskussionen und der Länderbeiträge trug Małgorzata Gemen (Polen) vor, dass es in Polen vorrangig darum gehe, Gesetze und KI in Einklang zu bringen, insbesondere den Widerstreit zwischen dem Einsatz von KI und der anwaltlichen Schweigepflicht. Weiteres Thema sei die Haftung beim Einsatz von KI. Zudem dürfe es keine technologische Diskriminierung durch die Kosten von KI-Modellen geben. Ebenfalls aus Polen trug Andrzej Zwara vor, dass es in Polen Workshops für den Umgang mit KI gebe, und dass dabei vor allem auch auf den Datenschutz Wert gelegt werde. Despina Moschopoulou berichtete für Griechenland, dass dort KI vor allem in der Verwaltung bei Standardfragen eingesetzt werde. So sei es beispielsweise gelungen, die Bearbeitungszeiten in den Grundbuchämtern durch den Einsatz von KI deutlich zu verringern.

Für Österreich trug Dr. Rupert Wolff vor, dass Gerichtsentscheidungen immer von Menschen getroffen werden sollten. Der Gefahr, dass sich Richter zu sehr auf KI verlassen, müsse begegnet werden. Ebenso sei auf die Verschwiegenheitspflicht sehr zu achten. Und wenn eine KI aus dem juristischen Begriff der Fruchtziehungsberechtigten eine Obstesserin mache ….

Dr. Stephan Grigolli berichtete für Italien, dass es dort eine Software gebe, die allein aufgrund der Klageanträge den Ausgang des Rechtsstreits vorhersagen könne. Die Erfolgsquote dieser KI liege bei 70 Prozent. Der Autor dieses Artikels äußerte, dass er die Quote von 30 Prozent für falsche Vorhersagen für sehr hoch halte, und ob die 70 Prozent überhaupt die mathematisch statistische Relevanz erreichten. In Italien würde KI vor allem an den Universitäten implementiert.

Michael Patchett-Joyce, Großbritannien, benannte Vertrauen und Verschwiegenheit als essentielle Elemente, die eben die Anwaltschaft erbringen könne. Jeder, der KI einsetze, müsse sich dieses Risikos, ob KI diese Essentialen gewährleisten könne, bewusst sein. Und die Probleme von KI mit dem Urheberrecht bei der Nutzung fremden geistigen Eigentums karikierte Patchett-Joyce sehr treffend mit dem Begriffspaar copyright – copyleft.

Barbara Dohmann, ebenfalls Großbritannien, wies u. a. auf die Haftungsfragen bei der Verwendung von KI hin.

In Belgien setzten einige Kanzleien KI als Training für junge Anwälte ein, um diesen mehr Erfahrung beizubringen. Das berichtete auch Patchett-Joyce für Großbritannien. Die interne Ausbildung von Rechtsanwälten könne so deutlich verkürzt werden.

Schließlich stellte der Vertreter der Hausherrin (EUKommission), von Peters, die vierstufige Pyramide der EU vor, in der nach der Größe des Risikos beim Einsatz von KI differenziert wird. Je risikoreicher der Bereich ist, in dem KI eingesetzt werden soll, je höher sind die Sicherheitsanforderungen. Patchett-Joyce (Großbritannien) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Entwicklung von KI auch an der EU vorbeigehen könne.

Weitgehende Übereinstimmung bestand in der Frage, dass Plänen zu Vorgaben der Struktur anwaltlicher Schriftsätze eine Absage zu erteilen sei. Und schließlich äußerte der Autor dieses Beitrags seine Auffassung, dass Rechtsanwälte nicht durch KI ersetzt würden, aber dass möglicherweise Rechtsanwälte, die KI nicht nutzen, eines Tages durch Rechtsanwälte, die KI nutzen, ersetzt werden könnten.

Allen Teilnehmern großen und herzlichen Dank für ihre Teilnahme an der Konferenz und an den Berliner Anwaltstagen des Berliner Anwaltsvereins! Wir sehen uns auf der kommenden Konferenz 2025!

Heft 01/02 | 2025 | 74. Jahrgang