Der AK Mietrecht und WEG ersteigert eine Eigentumswohnung

Rückblick auf 2022 und Vorschau für 2023.

Unter der Überschrift „Thema: Hilfe, ich muss zum Versteigerungstermin – was muss ich da tun?“ haben die Arbeitskreise Mietrecht und WEG, Familienrecht und Erbrecht am 1. November 2022 einen Versteigerungstermin durchgespielt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Barbara Hoeck Eisenbach | Rechtsanwältin | Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht | Mediatorin

VERSTEIGUNGSTERMIN VON A BIS Z

Die Mitglieder probten in einem Rollenspiel den Ablauf eines Versteigerungstermins von A bis Z, also Aufruf bis Zuschlag. Die Idee dahinter war, dass viele Kollegen und Kolleginnen zwar immer mal wieder mit der Zwangsversteigerung in Berührung kommen, aber die wenigsten mit den Feinheiten des Ablaufs sowie den Risiken – und auch Chancen – im Verfahren und im Termin vertraut sind. Und wen besseres konnten wir finden als Herrn Prof. Dipl. Rechtspfleger Udo Hintzen, ehemals lehrend an der HWR, Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Deutsche Rechtspfleger“ und Kommentator des Beck‘schen Kurz-Kommentars zur Zwangsverwaltung?

„THEMA: HILFE, ICH MUSS ZUM VERSTEIGERUNGSTERMIN – WAS MUSS ICH DA TUN?“

Im Vorfeld wurde den Teilnehmenden folgender Sachverhalt mitgeteilt: Ein Gläubiger einer Wohnungseigentümerin vollstreckt aus einer Sicherungshypothek aus dem dritten Rang. Im Rang vor ihm sind zwei Grundschulden zu 100.000 bzw. 40.000 Euro und in Abteilung II eine Grunddienstbarkeit eingetragen. Die Eigentümerin hat auch Wohngeldschulden, die sich die WEG hat titulieren lassen. Der Verkehrswert beträgt 250.000 Euro, es liegen verschiedene Anträge und Anmeldungen vor, das Grundbuch wurde ebenfalls mitgeschickt. Die Teilnehmenden waren gebeten worden, eine der Rollen im Verfahren zu übernehmen.

DER ABLAUF DES TERMINS

Der Fall wurde dann sehr lebensnah durchgespielt: Herr Professor Hintzen – der zugleich als unser Regisseur fungierte – rief als Rechtspfleger die Sache auf. „Anwesend“ waren der betreibende Gläubiger bzw. sein Vertreter, (starring Kai-Peter Breiholdt), die Schuldnerin in Person (deren Namen wir diskret verschweigen) sowie einige Bietinteressenten (Barbara Hoeck-Eisenbach as herself), und eine GmbH wollte in Person ihrer Geschäftsführerin auch mitbieten (also co-starring Juliana Schilowski). Um die Sache lebensnah zu machen, gab es auch die WEG-Verwalterin (also starring Sandra Lang-Lajendäcker), die dem Verfahren wegen titulierter Hausgeldschulden beigetreten war.
Anwesend war auch eine Vertreterin der Bank (as guest star Grit Andersch), deren Grundschuld (ohne Brief) in Höhe von 100.000 Euro zuzüglich 15 % Zinsen vorrangig gesichert war.
Bei der Feststellung der Beteiligten zeigten sich schon die ersten Hürden: Wer muss welche Vollmacht in welcher Form beibringen, etwa wenn statt des Gläubigers dessen Rechtsanwalt auftritt? Und es gab gleich in diesem Verfahrensstadium den ersten nachhaltigen Lerneffekt für Anwältinnen, die WEG-Verwaltungen beraten: Die WEG-Verwalterin musste sich nämlich belehren lassen, dass ihr Beitritt verspätet erfolgt war, denn es fehlte an einer rechtzeitigen Zustellung des Beitrittsbeschlusses an den Schuldner (§ 44 Abs. 2 ZVG: vier Wochen vor dem Versteigerungstermin!). Als beratender Anwalt sollte man hier im Vorfeld helfen können. Der Beitritt wurde dadurch allerdings nicht unwirksam, war aber nicht mehr in Rangklasse 2 zu berücksichtigen.
Sodann teilte der Rechtspfleger mit, welche Gläubiger die Zwangsversteigerung betrieben und wann die Beschlagnahme erfolgt war. Im Fall war dies nicht relevant, aber Herr Prof. Hintzen erläuterte, dass in dem Fall, in dem z.B. mehrere Miteigentumsanteile versteigert werden, beantragt werden kann, die Anteile gemeinsam oder einzeln auszubieten.
Der festgesetzte Verkehrswert (in unserem Fall 250.000 Euro) wurde bekannt gegeben und nach Anhörung der Beteiligten vom Rechtspfleger das geringste Gebot festgesetzt. Sodann wurden die Versteigerungsbedingungen bekannt gemacht, also etwa, welche Rechte bestehen bleiben und wie hoch der bar zu zahlende Teil des geringsten Gebots ist (in unserem Fall waren das 52.300 Euro).

FRAGEN ÜBER FRAGEN

Obwohl die Ermittlung des geringsten Gebots der Einladung beigefügt war, zeigten sich in den Gesichtern einiger Teilnehmenden dann deutlich sichtbar einige Fragezeichen, was das denn genau wieder sei – gehört hat man das ja, aber wie wird das genau berechnet? Was fällt jetzt noch mal in das geringste Gebot und was ist das Bargebot? Welche Rechte bleiben bestehen? Was für Belastungen muss der Ersteiger übernehmen? Für einige Aha-Erlebnisse sorgte vor allem die Feststellung, dass die Festsetzung des geringsten Gebots nicht anfechtbar ist.
In diesem Teil der Veranstaltung kamen viele Fragen auf: Was ist mit der Grundschuld in Abteilung II? Die schätzt der Rechtspfleger einfach gem. § 51 Abs. 2 ZVG – in unserem Fall auf 100 Euro. Unanfechtbar. Was passiert, wenn nur ein Teilbetrag einer gesicherten Forderung angemeldet wird, und muss dies begründet werden? Die Bankenvertreterin hatte nämlich nur den „Restbetrag“ von 80.000 Euro angemeldet und „weigerte“ sich, eine Begründung für die Teilanmeldung abzugeben – „Weigerung“ in Anführungszeichen deshalb, weil sie schlicht nichts dazu sagen muss.
Und sonst etwa: Was ist, wenn der Inhaber der vorrangigen Grundschuld „mit Brief“ unbekannt ist? Was ist mit den Zinsen? In welche Rangklasse fallen die Zinsen? Wie ermittelt der Rechtspfleger den Wert eines Wohn-rechts und wo fließt dieses ein? Bei der Ermittlung eines lebenslangen Nießbrauchs hilft dem Rechtspfleger die Sterbetafel. Gut zu wissen, dass der Nießbraucher keine Liegestütze machen muss, nach dem Motto – je weniger er schafft, desto kürzer seine mutmaßliche Rest-Lebensdauer.
Dann ging es weiter im Verfahren: Die Bietinteressenten wurden über den Anfall der Grunderwerbsteuer belehrt. Die Bietzeit muss mindestens 30 Minuten betragen, eine Beendigung der Versteigerung vorher ist nicht möglich. Dann weiter: „Die Beteiligten und Interessenten werden sodann gem. § 139 ZPO über die Bedeutung des geringsten Gebotes (einschließlich bestehenbleiben-der Rechte), über die 7/10-Grenze des § 74a ZVG, über Art und Höhe evtl. Sicherheitsleistung sowie über die Bestimmung des § 85a ZVG, die Verzinsungspflicht ab Zuschlag belehrt. Man darf davon ausgehen, dass die allermeisten Personen – auch wenn es AnwältInnen sind – das beim ersten (oder auch zweiten) Mal Hören schlicht nicht verstehen.

DIE BIETERSCHLACHT

Da unsere Teilnehmenden aber vorbereitet waren, konnte die Bieterschlacht nun losgehen:
Ausgehend vom geringsten Gebot von 52.300 Euro – bei bestehenbleibenden Rechten in Höhe von 140.100 Euro – prasselten die Gebote ein. Selbstverständlich forderte der Gläubigervertreter stets Sicherheitsleistung, weil er „den Bietenden nicht traue“. Gut zu wissen, dass man die Sicherheitsleistung schon vorher bei der Justizkasse einzahlen bzw. unter Verzicht auf die Rückzahlung hinterlegen sollte, wenn man ernsthaft bieten will. Barzahlung geht schon lange nicht mehr und die Überweisung dürfte deutlich einfacher sein, als einen Bundesbankscheck oder eine Bürgschaft beizubringen.
Für viel Erheiterung sorgten die Versuche einer Bieterin, für ihren nicht anwesenden Ehemann via laut gestelltem Mobiltelefon ein Gebot abzugeben. Dies wurde vom Rechtspfleger sehr ungnädig quittiert, da Gebote nur persönlich oder per notarieller Bietervollmacht durch einen Vertreter abgegeben werden können. Da aber auch keine Sicherheit gestellt war, ließ er das Gebot erst gar nicht zu. Allein der „gute Name“ als Sicherheit reicht also nicht. Es gibt aber den Abtretungstrick: Sie hätte selbst bieten und dann im Zuschlagstermin den Anspruch unter Vorlage einer notariellen Abtretungserklärung an den Ehemann abtreten können.
Die Geschäftsführerin der GmbH scheiterte beim Bieten auch: Ihr fehlte eine legitimierende Vollmacht und auch der Online-Zugriff auf das Handelsregister auf dem schicken Tablet half ihr da nicht weiter. Ein schnöder Papierauszug hätte aber gereicht.
Höchstgebot waren dann 71.000 Euro (wir nennen den Namen nicht, um keinen Neid zu erwecken). Der Rechtspfleger verkündete das letzte Gebot und den Schluss der Versteigerung nach dreimaligem Aufruf. Der Verkündungstermin über den Zuschlag wurde in einer Woche bestimmt.

ROLLENSPIEL STATT VORTRAG – SOLLTE MAN ÖFTERS MACHEN

Das Format hat allen sichtlich Spaß gemacht und war vor allem der richtige Ansatz, um diese sperrige Materie mit Leben zu füllen. Die angesetzten zwei Stunden wurden überzogen und das Ende der Veranstaltung wurde durch den Feierabend des Hausmeisters bestimmt. Damit ist aber die Geschichte noch nicht zu Ende: Mit dem Verteilungstermin geht es ja weiter, wir werden uns bemühen, eine Folgeveranstaltung zu machen.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 01/02 | 2023 | 72. Jahrgang