Der Anwalt und sein eigenes Wohlergehen

Die Berufsgenossenschaft, das unbekannte Wesen

Fachanwälte für Sozialrecht (m/f/d) können diesen Artikel gern überblättern, oder auch wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Alle anderen, hoffe ich, erkennen die Wichtigkeit der freiwilligen Unfallversicherung und sichern sich ab.

Einige von Ihnen haben möglicherweise den sehr guten Artikel zur gesetzlichen Unfallversicherung im Anwaltsblatt vom Dezember 2024 schon gelesen. Aber haben Sie es sich auch gemerkt und umgesetzt? Ich denke nicht. Die Weihnachtstage, die Bundestagswahl, von den Ereignissen in der Welt abgesehen, haben dies verdrängt und Ihr Gedächtnis hat all das in die Schublade „später mal“ geschoben. Es ist jedoch für Ihre eigene Absicherung wichtig. Der Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht natürlich im Vordergrund und dafür müssen wir auch einiges tun. Aber auch wir Selbständige und Freiberufler sollten uns um umfassenden Schutz in der Kanzlei, auf dem Weg zum Gericht, zum Mandanten, zu Seminaren u. v. a. kümmern. Das Versorgungswerk und andere Versicherungen decken eben nicht alles ab.

Claudia Frank | Fachanwältin für Arbeits- und SteuerR | Vorstand BAV | Präsidentin der Vertreterversammlung VBG

Seit September 2023 bin ich die alternierende Vorsitzende der Vertreterversammlung der VBG – der Verwaltungsberufsgenossenschaft – mit Sitz in Hamburg und diversen Niederlassungen, unter anderem auch in Berlin. Als Vorsitzende nehme ich an vielen Sitzungen der Ausschüsse teil und habe mich daher in die gesamte Materie ziemlich gut eingearbeitet. Erzähle ich von dieser ehrenamtlichen Tätigkeit im Kollegenkreis, sehe ich nur Fragezeichen. Mit gewisser Sorge stelle ich fest, dass wir, Organe der Rechtspflege, über unsere eigene Unfallvorsorge und finanzielle Folgen bei einer Erwerbsunfähigkeit nicht umfassend informiert sind. Wir sind tatsächlich schlecht beraten, das muss sich ändern.

„Wir sind tatsächlich schlecht beraten, das muss sich ändern“

Ich spreche nicht von mehr Bewegung oder Urlaub, ich spreche von der freiwilligen Versicherung bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft als gesetzliche Unfallversicherung und damit auch von den Anforderungen an uns als ArbeitgeberInnen im Hinblick auf unsere MitarbeiterInnen.

Jeder Arbeitgeber muss, sobald er eine oder einen Angestellte(n) beschäftigt, in die Berufsgenossenschaft einzahlen. Diese Zahlungsverpflichtung trifft nur den Arbeitgeber, nicht die Arbeitnehmer, die Versicherten. Kraft Gesetzes sind unsere Mitarbeiter – egal ob juristische oder nichtjuristische – in der gesetzlichen Unfallversicherung bei einem Arbeits-oder Wegeunfall versichert. Würden wir nicht in diese Kasse einzahlen, könnten wir in Anspruch genommen werden.

Mit dem Begriff Arbeitssicherheit verbinden sich mehrere Pflichten des Arbeitgebers. Davon möchte ich nur drei herausgreifen:

  • Schutz der Arbeitnehmer vor physischen und psychischen Gefahren am Arbeitsplatz,
  • Bereitstellung von sicheren Arbeitsbedingungen, die die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer gewährleisten,
  • Gewährleistung der Einhaltung von Arbeitsgesetzen und Sicherheitsvorschriften.

Von einem Arbeitsunfall sprechen wir, wenn im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ein Unfallereignis eintritt. Von einem Wegunfall sprechen wir, wenn auf dem Weg zum Arbeitsplatz oder vom Arbeitsplatz nach Hause ein Unfall passiert. Bei einem Arbeitsunfall hat der Mitarbeiter Anspruch auf die beste Heilbehandlung, damit er oder sie schnell wieder gesund wird und an seinem Arbeitsplatz zurückkehren kann. Die Kosten dieser Heilbehandlung trägt die VBG. Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenkasse muss, egal welche Krankenhausbehandlung erfolgt und welche Medikamente verschrieben werden, keinerlei Zuzahlung geleistet werden. Der gesetzlich Versicherte ist bei einem Arbeitsunfall dem privat Versicherten fast gleich, wenn nicht sogar besser gestellt. Die VBG zahlt auch jede Reha-Maßnahme, die erforderlich ist, damit der Verletzte schnell wieder arbeitsfähig wird. Die VBG unterhält in Deutschland mehrere BGKliniken. An diesen Kliniken wird auch geforscht und in 2024 haben zwei BG-Kliniken einen Wissenschaftspreis erhalten. In Berlin befindet sich eine BG-Klinik in Marzahn. Das Charité-Universitätsklinikum kooperiert mit dieser BG-Klinik. Man kann zu Recht sagen, die ärztliche Behandlung bei einem Arbeitsunfall durch einen BG-Arzt oder -Klinik ist die beste und fortschrittlichste. Es wundert nicht, wenn so mancher Arbeitnehmer eine Erkrankung als Arbeits- oder Wegeunfall bezeichnet. Die dazu ergangenen Urteile rund um das Thema „ Arbeitsunfall“ sind zahlreich, zeigen jedoch auch, dass die Richter am BSG mit der Zeit gehen. So wurde früher der Treppensturz zuhause, auch wenn man tatsächlich noch für das Unternehmen gearbeitet hatte, so gut wie nie als Arbeitsunfall anerkannt. Nach und durch Corona hat sich dies erheblich gewandelt.

Selbständige Rechtsanwälte können sich gemäß § 6 SGB VII freiwillig versichern und sind dann bei einem Arbeitsunfall ebenfalls versichert. Wenn also der selbständige Anwalt oder die selbständige Anwältin im Büroalltag einen Unfall erleidet, genießt er oder sie den Versicherungsschutz der Unfallkasse. So sind auch die Wegeunfälle von diesem Versicherungsschutz erfasst. Darunter fallen nicht nur Unfälle auf dem Weg zur oder von der Kanzlei, sondern auch auf dem Weg zum Gericht, zum Mandanten, zu Seminaren oder sonstigen betrieblichen Veranstaltungen. Der Schutz ist natürlich immer tätigkeitsbezogen, das heißt, es muss mit einer Tätigkeit als Anwalt oder Anwältin im Zusammenhang stehen. Somit genießt der Anwalt bei einem Unfall im Homeoffice ebenfalls Versicherungsschutz, sofern die Tätigkeit „seiner versicherten Tätigkeit zuzuordnen ist“. Die Rechtsprechung zu der gesetzlichen Unfallversicherung ist wirklich sehr umfangreich, nicht hingegen die Fälle, die den Versicherungsschutz bei einer freiwilligen Versicherung von Mitgliedern unserer Zunft zum Gegenstand haben. Somit kommt es mal wieder auf den Einzelfall an.

Bei einem solchen Arbeitsunfall werden die Kosten für die erforderliche ambulante und stationäre Behandlung von dieser Unfallversicherung übernommen. Sie müssen also Ihre Krankenversicherung nicht in Anspruch nehmen, somit keinen Eigenanteil tragen oder auf Beitragserstattung verzichten. Die VBG trägt aber nicht nur die Kosten der Heilbehandlung und Rehabilitation, sondern auch die Kosten der Teilhabe am Arbeitsleben (eventuell eine spezielle Gestaltung des Arbeitsplatzes nach einem Unfall) und „am Leben in der Gemeinschaft“. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit und Verletztengeld sowie Verletztenrente werden ebenfalls gewährt. Die Höhe der Geldleistungen bestimmt der freiwillig Versicherte selbst, in dem er die Versicherungssumme wählt. Ein besonderer Vorteil dieser freiwilligen Versicherung ist das Verletztengeld, welches von der Krankenkasse nur für 78 Wochen der Arbeitsunfähigkeit gezahlt wird, von der VBG jedoch, solange noch Behandlungen möglich sind und die Aussicht attestiert wird, dass die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden kann. Zwar kann nicht in jedem Fall der gesamte finanzielle Verlust bei einer Arbeitsunfähigkeit aufgefangen werden, aber das Verletztengeld kann sogar bis zu 8000,00 Euro monatlich angehoben werden. Monatlich werden mindestens 1528, 00 Euro gezahlt, sofern man die niedrigste Versicherungssumme gewählt hat.

Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 Prozent wird bereits eine Rente gezahlt, und zwar lebenslang. Im Todesfall wird an die Hinterbliebenen ebenfalls eine Rente gezahlt, aber auch weitere Leistungen werden gewährt.

Wie hoch ist nun der Beitrag, den wir jährlich an die VBG zahlen? Dieser berechnet sich nach der Höhe der Versicherungssumme, die wir wählen, nach dem Beitragssatz und dem Gefahrtarif. Wir Anwälte gehören zu der Gefahrklasse 0,6 und der Gefahrtarif ist 0,5. Die Beiträge werden im Vorschussverfahren eingezogen und am Ende des Jahres abgerechnet. Es handelt sich dabei um Betriebsausgaben. Erhalten Sie nach einem Arbeitsunfall Leistungen der VBG, dann handelt es sich dabei zwar um Einnahmen als Anwalt, aber Sie zahlen darauf keine Einkommensteuer.

„Jeder selbständige Anwalt oder Anwältin sollte der freiwilligen gesetzlichen Unfallversicherung beitreten“

Fazit: Jeder selbständige Anwalt oder Anwältin sollte umgehend der freiwilligen gesetzlichen Unfallversicherung beitreten. Die Leistungen, die bei einem Arbeitsunfall gewährt werden, sind um ein Vielfaches höher als die einer privaten Versicherung und stehen in keinem Verhältnis zum Beitrag, der wesentlich geringer ist als die monatlichen Beiträge zur Krankenkasse oder eine private Unfallversicherung.

Fortsetzung folgt.

Heft 03 | 2025 | 74. Jahrgang