Der Weg der GbR zur Grundbuchfähigkeit

Eine kurze Rechtsgeschichte von 1900 bis heute

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), geregelt in den §§ 705 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), ist die grundlegendste Form der Personengesellschaft in Deutschland. Ihre Entwicklung, insbesondere im Hinblick auf ihre Rechts- und Grundbuchfähigkeit, ist eine der faszinierendsten Rechtsgeschichten des deutschen Zivilrechts. Sie illustriert eindrucksvoll, wie die Rechtsprechung auf die praktischen Bedürfnisse des modernen Wirtschaftslebens reagiert und das geschriebene Recht dynamisch fortbildet.

Dr. Wolfgang Probandt | Rechtsanwalt – Notar a. D. | unter Anwendung der KI Gemini
© Philipp Heinisch

DIE GbR IM BGB VON 1900: EINE REINE VERTRAGSBEZIEHUNG

Als das Bürgerliche Gesetzbuch am 1. Januar 1900 in Kraft trat, war die Konzeption der GbR aus heutiger Sicht sehr restriktiv. Die Schöpfer des BGB sahen in ihr kein eigenständiges Rechtssubjekt, sondern lediglich ein schuldrechtliches Vertragsverhältnis zwischen zwei oder mehr Personen, die sich zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen.

  • Keine eigene Rechtspersönlichkeit: Die GbR war keine juristische Person und besaß keine eigene Rechtsfähigkeit. Sie konnte also nicht selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein.
  • Gesamthandsvermögen: Das Vermögen der Gesellschaft war als sogenanntes Gesamthandsvermögen konzipiert (§ 718 BGB). Das bedeutete, dass die Vermögensgegenstände nicht der Gesellschaft als solcher, sondern allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zur gesamten Hand gehörten.
  • Keine Parteifähigkeit im Prozess: Folgerichtig konn te die GbR nicht selbst vor Gericht klagen oder verklagt werden. Stattdessen mussten immer alle Gesellschafter gemeinsam als Partei auftreten.
  • Keine Grundbuchfähigkeit: Da die GbR rechtlich nicht als eigenständige Entität existierte, konnte sie auch nicht als Eigentümerin eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen werden. Es mussten stattdessen alle einzelnen Gesellschafter mit dem Vermerk „in Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ eingetragen werden. Jeder Wechsel im Gesellschafterbestand erforderte eine umständliche und kostspielige Berichtigung des Grundbuchs.

Diese dogmatische Sichtweise spiegelte die Vorstellung wider, die GbR sei primär eine Gelegenheitsgesellschaft für kurzfristige, überschaubare Zwecke. Die heutige, weitverbreitete Nutzung als dauerhafte Organisationsform für Freiberufler-Sozietäten, kleine Gewerbebetriebe oder zur Verwaltung von Immobilien war vom historischen Gesetzgeber nicht vorhergesehen worden.

DIE SCHLEICHENDE ANERKENNUNG IM 20. JAHRHUNDERT: DIE RECHTSPRECHUNG EBNET DEN WEG

Schon bald zeigten sich die erheblichen Nachteile dieser starren Konzeption im aufkommenden Wirtschaftsverkehr des 20. Jahrhunderts. Die Praxis verlangte nach einfacheren und handhabbareren Lösungen. Die Rechtswissenschaft und die Gerichte begannen daher, die ursprüngliche gesetzliche Regelung durch richterliche Rechtsfortbildung zu modifizieren.

Ein entscheidender Wegbereiter war das Reichsgericht. Es erkannte zunehmend die Notwendigkeit an, die am Rechtsverkehr teilnehmende GbR als eine Einheit zu behandeln. Es etablierte die Lehre, dass bei einem Vertrag, den ein Gesellschafter für die Gesellschaft schließt, nicht nur die einzelnen Gesellschafter, sondern auch die Gesellschaft als Verband verpflichtet werde.

Nach 1949 setzte der Bundesgerichtshof (BGH) diese Entwicklungslinie fort. In einer Reihe von Entscheidungen gestand er der am Rechtsverkehr teilnehmenden Außen-GbR eine sogenannte Teilrechtsfähigkeit zu. Der wichtigste Schritt war die Anerkennung ihrer Parteifähigkeit im Zivilprozess. Fortan konnte die GbR unter ihrem Namen klagen und verklagt werden, was eine enorme praktische Erleichterung darstellte.

Trotz dieser Fortschritte blieb ein zentrales Problem bestehen: die Grundbuchfähigkeit. Hier hielt der BGH lange an seiner restriktiven Haltung fest. Das Argument war, dass das Grundbuch die wahren Rechtsverhältnisse klar und eindeutig wiedergeben müsse. Da die GbR keine vollwertige juristische Person sei, könnten nur die Gesellschafter als die wahren Träger des Eigentumsrechts eingetragen werden. Diese Haltung wurde in der juristischen Literatur zunehmend als inkonsequent und praxisfern kritisiert.

DIE REVOLUTION: DIE „WEISSES ROSS“-ENTSCHEIDUNG DES BGH 2001

Die lang erwartete Wende kam mit einer bahnbrechenden Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 29. Januar 2001 (NJW 2001, 1056). Dieses Urteil, oft nach der klagenden Gesellschaft als „Weißes Ross“-Entscheidung bezeichnet, markiert einen Wendepunkt in der Rechtsgeschichte der GbR. Der BGH gab seine bisherige Rechtsprechung auf und vollzog eine dogmatische Kehrtwende. Die zentralen Thesen des Urteils waren:

  1. Volle Rechtsfähigkeit der Außen-GbR: Der BGH erkannte an, dass die GbR, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet, rechtsfähig ist. Sie ist damit ein eigenständiges Rechtssubjekt, das selbst Vermögen erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann.
  2. Logische Folge, Grundbuchfähigkeit: Als direkte und logische Konsequenz ihrer anerkannten Rechtsfähigkeit ist die GbR auch grundbuchfähig. Sie kann somit unter ihrem Namen als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen werden.

Der Senat begründete seine Entscheidung ausdrücklich mit den Bedürfnissen des modernen Wirtschaftslebens. Die bisherige Auffassung sei zu kompliziert, realitätsfern und würde die GbR als weitverbreitete und wichtige Gesellschaftsform in ihrer Handlungsfähigkeit unangemessen behindern.

DIE FOLGEN DER ENTSCHEIDUNG UND DIE GESETZLICHE MODERNISIERUNG

Die Entscheidung des BGH löste eine Welle von Anpassungen in Gesetzgebung und Praxis aus. Der Gesetzgeber reagierte mit Gesetz vom 11. August 2009 (ERVGBG). Dieses Gesetz schuf die notwendigen Änderungen in der Grundbuchordnung (GBO), um die Eintragung der GbR als solche zu ermöglichen. Nach § 47 Abs. 2 GBO konnten nun die GbR unter ihrem Namen und zusätzlich ihre Gesellschafter im Grundbuch eingetragen werden, was die Transparenz erhöhte.

Den vorläufigen Schlusspunkt dieser langen Entwicklung setzte das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), das am 1. Januar 2024 umfassend in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz hat die durch die Rechtsprechung geschaffene Rechtslage nun endgültig im BGB kodifiziert und systematisiert.

„Aus einer starren, rein schuldrechtlichen Konstruktion hat die Rechtsprechung eine flexible und handlungsfähige Personengesellschaft geformt“

Die wichtigsten Neuerungen des MoPeG für die GbR sind:

  • Gesetzliche Definition der Rechtsfähigkeit: § 705 Abs. 2 BGB n. F. stellt klar, dass die Gesellschaft selbst Träger von Rechten und Pflichten ist, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll.
  • Einführung eines Gesellschaftsregisters: Für die rechtsfähige GbR (nun oft als eGbR bezeichnet) wurde ein neues, öffentliches Gesellschaftsregister geschaffen. Die Eintragung ist grundsätzlich freiwillig.
  • Faktische Eintragungspflicht für Immobiliengeschäfte: Um ein Grundstück zu erwerben oder zu veräußern, ist die Voreintragung der GbR im Gesellschaftsregister nun zwingend erforderlich (§ 47 Abs. 2 GBO n. F.). Nur die im Register eingetragene eGbR ist grundbuchfähig.

FAZIT UND AUSBLICK

Die historische Entwicklung der GbR von 1900 bis heute ist ein beeindruckendes Beispiel für die Fähigkeit des Rechtssystems, sich an veränderte gesellschaftliche und wirtschaftliche Realitäten anzupassen. Aus einer starren, rein schuldrechtlichen Konstruktion hat die Rechtsprechung, angeführt vom BGH, eine flexible und handlungsfähige Personengesellschaft geformt. Mit dem MoPeG hat der Gesetzgeber diese Entwicklung nun bestätigt und in ein modernes, transparentes System überführt. Die lange Reise der GbR von einer nicht rechtsfähigen Gemeinschaft zur eingetragenen und voll anerkannten Rechtspersönlichkeit ist damit zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen.

Den nicht mit KI erstellten Beitrag finden Sie unter folgendem Link: https://probandt.com/die-gbr-und-das-grundbuch/

Heft 11 | 2025 | 74. Jahrgang