Im Osten viel Neues

Die VII. internationale Konferenz in Warschau

I.

Auch in diesem Jahr fand in Warschau die von der Rechtsanwaltskammer Warschau (OIRP Warszawa) ausgerichtete internationale Konferenz statt. Zwischen der Warschauer Rechtsanwaltskammer und dem Berliner Anwaltsverein besteht eine gelebte Kooperationsvereinbarung. In diesem Jahr durften wir, Dr. Dietmar Kurze und Jörg Schachschneider, an der Konferenz teilnehmen. Warschau – eine pulsierende, junge Stadt Keine sechs Stunden mit der Bahn, eine mit dem Flugzeug – Warschau ist uns Berlinern eigentlich sehr nah. Und doch steht die Hauptstadt unseres polnischen Nachbarlandes bei Vielen nicht auf dem Besuchszettel. Wer es wagt – wobei sich das Risiko im Wesentlichen auf

Dr. Dietmar Kurze | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Erbrecht und VorsorgeAnwalt | Kärgel de Maizière & Partner   | Sprecher des Arbeitskreises Erbrecht im Berliner Anwaltsverein

Jörg Schachschneider | Rechtsanwalt | Vorstandsmitglied des BAV | Mitglied der Satzungsversammlung | www.BerlinerAnwalt.com

viele der Fotos mit besonderem Dank @Okręgowa Izba Radców Prawnych w Warszawie (Rechtsanwaltskammer Warschau)

Warschau – eine pulsierende, junge Stadt Keine sechs Stunden mit der Bahn, eine mit dem Flugzeug – Warschau ist uns Berlinern eigentlich sehr nah. Und doch steht die Hauptstadt unseres polnischen Nachbarlandes bei Vielen nicht auf dem Besuchszettel. Wer es wagt – wobei sich das Risiko im Wesentlichen auf die Pünktlichkeit der Bahn beschränkt – wird angenehm überrascht: Eine pulsierende, junge, internationale, weiter aufstrebende Stadt mit freundlichen Menschen begrüßt ihre Gäste.

Das Geschäftsviertel beeindruckt mit Hochhäusern und einer Skyline, die an Chicago erinnert – aber in Neu, individueller und sehr herzlich. So war auch der Blick aus dem 38. Stock des Tagungsgebäudes, den wir genießen durften, spektakulär. Innen gab es einen liebenswürdigen, fröhlichen Empfang und ein Zusammentreffen mit Kolleginnen und Kollegen aus vielen europäischen Ländern: u.a. aus Bulgarien, Deutschland, Island, Italien, Polen, Rumänien, Spanien, Türkei.

Beziehungen und Dialog der Anwaltsorganisationen mit staatlichen Institutionen (z.B. in der Gesetzgebung) und der Zivilgesellschaft

Eröffnet wurde die Konferenz mit Grußworten der Präsidentin der Warschauer Rechtsanwaltskammer, Frau Prof. Monika Calkiewicz, und der Staatssekretärin aus dem polnischen Ministerium der Justiz, Frau Zuzanna Rudzińska-Bluszcz.

Das Thema in diesem Jahr, verteilt auf zwei Konferenztage, war Beziehungen und Dialog der Anwaltsorganisationen mit staatlichen Institutionen (z.B. in der Gesetzgebung) und der Zivilgesellschaft. Im Rahmen dieses Themas stellten wir das Projekt des BAV „Anwälte gehen in die Schule“ mit den Themen wie z.B. Minderjährigkeit (Welchen Schutz gibt es bei Verträgen?), Staatsbürgerschaft, Arbeitsrecht (Stichworte: Vorstellungsgespräch, Mobbing, Mutterschutz, Kündigung) und Sozialrecht (Unter welchen Voraussetzungen kann man finanzielle Schüler- Hilfe oder Bundesausbildungsbeihilfe bekommen?) oder Besuch im Gericht mit anwaltlicher Begleitung vor. Kurzer Werbeblock: Wenn auch Sie mal in eine Schulklasse möchten: Bitte E-Mail an mail@berlineranwaltsverein.de. Dass der Berliner Anwaltsverein auch eine kostenlose Rechtsberatung für Jugendliche in Zusammenarbeit mit SOS-Kinderdorf anbietet und wir regelmäßig Veranstaltungen haben, die auch für Nicht-Anwälte offen sind und zu denen dann auch mal der Bundesjustizminister kommt, war ebenfalls Teil des Vortrages.

Anwaltsorganisationen im aktiven Kontakt mit Gesellschaft und Politik

Es ist wichtig, dass Anwaltsorganisationen nicht gesellschaftlich isoliert agieren, sondern in den aktiven Kontakt mit Gesellschaft und Politik treten. Die Rednerinnen und Redner anderer europäischer Anwaltsorganisationen stellten ebenfalls ihre Projekte und Kommunikation mit Gesellschaft und Politik vor. Darunter sind einige beeindruckende Programme, die einen großen persönlichen, ehrenamtlichen Einsatz abfordern, vielfach im menschenrechtlichen Bereich.

„Es ist wichtig, dass Anwaltsorganisationen nicht gesellschaftlich isoliert agieren, sondern in den aktiven Kontakt mit Gesellschaft und Politik treten“

Dabei wurde auch deutlich, dass unsere Kolleginnen und Kollegen teilweise mit erheblichen Einschränkungen, Restriktionen und Gängeleien bei Ausübung ihrer anwaltlichen Arbeit leben müssen. Und das hier in Europa, der Europäischen Union. Die Freie Advocatur wie bei uns in Deutschland ist also bei Weitem keine Selbstverständlichkeit. Vielen Dank für die gewährten Einblicke an alle Redner!

II. TOLLES RAHMENPROGRAMM

Das Rahmenprogramm der zweitägigen Konferenz war nicht minder interessant und sehr liebevoll organisiert. Unsere polnischen Gastgeber gaben alles und organisierten unter anderem auch eine historische Stadtführung. Die wechselhafte Geschichte Polens mit vielen Bezügen zu den Nachbarländern wurde spannend und in ungemein angenehmer Weise dargestellt. Das Bild der Warschauer Innenstadt ist weitgehend modern oder historisch-rekonstruiert. Dem geeichten Blick des Erbrechtlers fielen dazwischen immer wieder Gebäude auf, die anscheinend schon seit Jahrzehnten leer stehen. Die Atmosphäre ist international und geschäftig. Persönlich hat einer von uns neben den lehrreichen Informationen ganz profan auch gelernt: Für eine Stadtführung sollte man auf geeignetere Schuhe zurückgreifen als auf solche Salontreter (Wortherkunft: Mutter). Selbstverständlich war die schöne Stadtführung aber ein paar dicke Quanten viel mehr als wert. Ein wunderbares Essen schloss sich am ersten Abend an. Und schon hier zeigte sich eine Steigerung der ohnehin fröhlichen Stimmung.

Große elegante Gala am Abend Am zweiten Abend luden unsere polnischen Kolleginnen und Kollegen zur Jubiläumsfeier der Warsaw Bar Association in das Kregliccy Fortress, eine Art Festungsanlage, ein. Rund 700 (sic!) Warschauer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte kamen. Bemerkenswert war, dass es für die sehr gastfreundlichen Kolleginnen und Kollegen aus Warschau selbstverständlich war, den Abend weitgehend mit den internationalen Gästen zu verbringen. Nun waren wir wohl auch ein lustiger Haufen mit dem Mix aus vielen europäischen Ländern. Es war ein fantastischer Abend.

Die historische Location im Festungslook außen und Clubatmosphäre innen taten ihr übriges. Am Rand des beeindruckenden Saals gab es Sitzmöglichkeiten und gleich mehrere Buffetstationen. Überwiegend wurde gestanden, flaniert, sich angeregt unterhalten – und getanzt. Zwei Bands wechselten sich ab und sorgten für Stimmung bis tief in die Nacht. Für die Rückfahrt zu den Unterkünften hatte man dann obendrein auch noch einen Taxiservice mit Gutscheinen organisiert. Magdalena Bartosiewicz und allen anderen, die unseren Aufenthalt so angenehm machten, unseren ganz besonderen Dank!

Hinterm Horizont geht´s weiter … Reisen heißt, den Horizont zu erweitern und zu lernen – und das haben wir: über die teilweise schwierigen Verhältnisse für Anwältinnen und Anwälte in anderen Ländern. Über das Engagement unserer Berufsgruppe in Europa auf vielfältige und inspirierende Weise im Recht und in der Gesellschaft allgemein. Wir haben gesehen, was Aufbruch und Dynamik bedeuten, dass wir in Berlin vielleicht vergleichsweise doch nicht (mehr) so hip und jung sind, wie wir uns sehen. Diese Eindrücke nehmen wir mit und wollen sie als Anregungen einbringen.

Da mehrere Bilder mehr als mehrere 1000 Zeichen sagen, und da viele sowieso am liebsten Bilder gucken, haben wir unserem Artikel viele davon beigefügt. Es bleibt uns, für die Organisation der Konferenz und für die Herzlichkeit sehr zu danken: Dziękuję! Danke!

Heft 11 | 2024 | 73. Jahrgang