Die Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie EU 2019/771 …

… und der Digitale-Inhalte- Richtlinie EU 2019/770 in österreichisches Recht. Die „digitalen“ Richtlinien der EU – Wie sieht die Umsetzung in Österreich aus?

1. DIE RICHTLINIEN AUS BRÜSSEL

Mit der RL über bestimmte vertragliche Aspekte des Warenkaufs11 Richtlinie EU 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG, ABl. 136/28. (kurz WK-RL) und der RL über Digitale Inhalte2Richtlinie EU 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, ABl. 136/1.(kurz DIDL-RL) verfolgte der Europäische Gesetzgeber die Intention, die Rechtslage beim Erwerb von Waren und digitalen Dienstleistungen an moderne Verhältnisse anzupassen und den Erfordernissen des gegenwärtigen, stetig steigenden Technologieniveaus im Handel nachzukommen. Aus den ErwGr zu beiden RL geht hervor, dass diese in Ergänzung zueinander das volle Wachstums potenzial des unionalen elektronischen Handels ausschöpfen sollen und so die erhöhten Erwartungen der Verbraucher erfüllt und ein klarer, verständlicher Rechtsrahmen für Unternehmer bereitgestellt wird.3L 136/4, ErwGr 20. Wie der österreichische Gesetzgeber seiner Umsetzungspflicht nachgekommen ist, soll in diesem Beitrag gezeigt werden.

Mag. Jur. Maximilian Schnabl | ehemaliger Assistent in der Rechtsanwaltskanzlei Emesz | www.ra-emesz.at

2. DIE UMSETZUNG DURCH DAS GRUG4Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG) erlassen wird sowie das allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz – GRUG), BGBl. I Nr. 175/2021.

Der konkrete Umsetzungsakt in die österreichische Normenlandschaft erfolgte durch das Gewährleistungsrichtlinien- Umsetzungsgesetz, kurz GRUG. Mit diesem wird die Erlassung eines neuen Verbrauchergewährleistungsgesetzes5Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG), BGBl. I Nr. 175/2021. (VGG) sowie Änderungen in ABGB6Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für die gesamten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie (ABGB), RGBl. Nr. 185/1856 i.d.F. BGBl. I Nr. 145/2022. und KSchG7Bundesgesetz vom 8. März 1979, mit dem Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher getroffen werden (Konsumentenschutzgesetz – KSchG), BGBl. Nr. 135/1983 i.d.F. BGBl. I Nr. 109/2022. kundgemacht. Darin unterscheidet sich die österreichische Umsetzung unter anderem zu jener in Deutschland, wo beide Richtlinien in das BGB8Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 15. Juli 2022 (BGBl. I S. 1146) geändert worden ist. umgesetzt wurden, wobei der hauptsächliche Anwendungsbereich B2C-Geschäfte betrifft.9Nigg, Julian; Uni Innsbruck, Bericht zur Tagung zur „Umsetzung dwarenkauf-Richtlinie und der Digitale Inhalte-Richtlinie in Österreich und Deutschland“ am 26. November 2021, abgerufen am 29. September 2022, https://www.uibk.ac.at/unternehmensrecht/unternehmensrecht/aktuelles/akuelles/bericht-warenkauftagung-26.11.2021.pdf. Der Großteil der umzusetzenden Normen fand Einzug im VGG, während ABGB und KSchG als allgemeine vertrags- bzw. konsumentenschutzrechtliche Gesetzesbestimmungen nur marginale Veränderungen erfuhren.

2.1. Das neu erlassene VGG

Als Kernstück des GRUG gilt das neu erlassene, angepasste Verbraucherschutzrecht in Form des VGG. Dieses findet Anwendung auf Kauf- und Werklieferungsverträge über Waren sowie auf Bereitstellung digitaler Leistungen gegen eine Zahlung oder gegen Hingabe personenbezogener Daten des Verbrauchers, sofern deren Verarbeitung nicht ausschließlich zur Bereitstellung digitaler Leistungen oder rechtlicher Anforderungen geschieht.10Brandl/Talos, Gewährleistung neu? Die Umsetzung der EU-Richtlinien zum Warenkauf und digitalen Inhalten, 15. April 2021, abgerufen am 29. September 2022, https://brandltalos.com/wp-content/uploads/2021/04/15-04-2021_GRUG-Insight_FINAL.pdf.Erforderlich für die Anwendung des VGG ist also der Austausch von Leistungen zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Ausgenommen sind gemäß § 1 Abs. 2 VGG etwa die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen, der Kauf von Tieren oder Geschäfte über nicht digitale Dienstleistungen, welche aber über digitale Formen oder Mittel konfiguriert werden durch den Unternehmer.

Zu den großen Änderungen durch das VGG gehört die konsumentenfreundliche Fristenverlängerung in § 10: Bei einmaliger Bereitstellung der Ware, also etwa bei deren Kauf, gilt, wie im allgemeinen Gewährleistungsrecht, eine Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ab dem Tag der Übergabe. Bei der fortlaufenden Bereitstellung digitaler Leistungen hat der Unternehmer während der gesamten Bezugsdauer Gewähr zu leisten. Bei Waren mit verbundenen digitalen Leistungen muss der Unternehmer Gewähr leisten für jeden Mangel, der innerhalb des Bereitstellungszeitraums auftritt, mindestens aber zwei Jahre. Dies auch für den Fall, dass die Ware bzw. die damit verbundene digitale Leistung für einen kürzeren Zeitraum als zwei Jahre bezogen wird. Für Rechtsmängel gilt weiterhin die Zweijahresfrist ab Kenntnis des Mangels.

„Eine weitere Änderung findet sich in § 11 VGG, wonach die Vermutungsfrist für das Vorliegen eines Mangels von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert wird; bei fortlaufender Bereitstellung einer digitalen Dienstleistung ist der Unternehmer während des gesamten Zeitraums des Leistungsbezugs beweispflichtig“

Eine weitere Änderung findet sich in § 11 VGG, wonach die Vermutungsfrist für das Vorliegen eines Mangels von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert wird; bei fortlaufender Bereitstellung einer digitalen Dienstleistung ist der Unternehmer während des gesamten Zeitraums des Leistungsbezugs beweispflichtig. Die Geltendmachung kann vom Verbraucher durch formfreie (außergerichtliche) Erklärung erfolgen; aus Gründen der Nachweisbarkeit wird aber zumindest eine schriftliche Geltendmachung empfohlen.11Verbraucherrecht.at, Gewährleistung: Neuerungen ab 2022, abgerufen am 29. September 2022, https://verbraucherrecht.at/gewaehrleistungneuerungen-ab-2022/5877.

„Eine weitere große Neuerung im überarbeiteten Verbraucherschutzrecht ist die gesetzlich festgehaltene Aktualisierungspflicht (auch: Updatepflicht) i.S.d. § 7 VGG“

Eine weitere große Neuerung im überarbeiteten Verbraucherschutzrecht ist die gesetzlich festgehaltene Aktualisierungspflicht (auch: Updatepflicht) i.S.d. § 7 VGG.12Wirtschaftskammer Österreich, Gewährleistung – das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) ab 1. Januar 2022, abgerufen am 29. September 2022, https://www.wko.at/service/wirtschaftsrecht-gewerberecht/neuesverbrauchergewaehrleistungsgesetzt-ab-1-1-2022.html. Diese bestimmt, dass bei Waren mit digitalen Elementen oder digitalen Leistungen der Unternehmer dafür Gewähr zu leisten hat, dass dem Verbraucher jene Aktualisierungen zur Verfügung gestellt werden, die zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands erforderlich sind. Zu guter Letzt wurde auch die Verjährungsfrist überarbeitet: Diese endet nun nicht mehr gleichzeitig mit der Gewährleistungsfrist, sondern drei Monate nach deren Ablauf, gem. § 28 Abs 1.13Brandl/Talos, Gewährleistung neu? Die Umsetzung der EU-Richtlinien zum Warenkauf und digitalen Inhalten, 15. April 2021, abge-rufen am 29. September 2022, https://brandltalos.com/wp-content/uploads/2021/04/15-04-2021_GRUG-Insight_FINAL.pdf.

2.2. Änderungen im KSchG

Im bereits bestehenden Konsumentenschutzrecht findet das GRUG Umsetzung in § 7d, welcher dem Verbraucher ein unverzügliches Rücktrittsrecht bei Nichtbereitstellung der digitalen Leistung einräumt. Damit wird Art. 13 DIDL-RL auch außerhalb des VGG in österreichisches Recht gegossen.

2.3. Änderungen im ABGB

Auch im allgemeinen Zivilrecht soll künftig (auch zwischen Unternehmern) eine Aktualisierungspflicht festgesetzt werden. Des Weiteren wurde der Regressanspruch zwischen Händler und Vormann nach § 933b aufgenommen und wurden die Verjährungsfristen des VGG auch in das ABGB übernommen; auch die Formfreiheit bei der Geltendmachung soll im allgemeinen Zivilrecht Einzug finden.

3. AUSBLICK

Der Handel mit elektronischen Waren und „Software as a service“ ist mittlerweile schon weit verbreitet und in unserem Lebensalltag angekommen; vom Musikstreaming, das ein Großteil der Bevölkerung gern täglich nutzt, bis zur Branchensoftware, die das Rückgrat verschiedenster (Groß-)betriebe und Institutionen bildet; der Gesetzgeber geht damit auf den technologischen Fortschritt ein. Wie sich die neue Rechtslage auf den Handel mit elektronischen Waren und digitalen Dienstleistungen entwickeln wird, bleibt abzuwarten; bis jetzt hat sich noch keine Rechtsprechungslinie herauskristallisiert. Grundsätzlich gehen die gesetzlichen Änderungen und Ergänzungen in die richtige Richtung, bleibt abzuwarten, wie die Gerichte im Streitfall entscheiden.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 01/02 | 2023 | 72. Jahrgang
  • 1
    1 Richtlinie EU 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG, ABl. 136/28.
  • 2
    Richtlinie EU 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, ABl. 136/1.
  • 3
    L 136/4, ErwGr 20.
  • 4
    Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG) erlassen wird sowie das allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz – GRUG), BGBl. I Nr. 175/2021.
  • 5
    Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG), BGBl. I Nr. 175/2021.
  • 6
    Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für die gesamten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie (ABGB), RGBl. Nr. 185/1856 i.d.F. BGBl. I Nr. 145/2022.
  • 7
    Bundesgesetz vom 8. März 1979, mit dem Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher getroffen werden (Konsumentenschutzgesetz – KSchG), BGBl. Nr. 135/1983 i.d.F. BGBl. I Nr. 109/2022.
  • 8
    Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 15. Juli 2022 (BGBl. I S. 1146) geändert worden ist.
  • 9
    Nigg, Julian; Uni Innsbruck, Bericht zur Tagung zur „Umsetzung dwarenkauf-Richtlinie und der Digitale Inhalte-Richtlinie in Österreich und Deutschland“ am 26. November 2021, abgerufen am 29. September 2022, https://www.uibk.ac.at/unternehmensrecht/unternehmensrecht/aktuelles/akuelles/bericht-warenkauftagung-26.11.2021.pdf.
  • 10
    Brandl/Talos, Gewährleistung neu? Die Umsetzung der EU-Richtlinien zum Warenkauf und digitalen Inhalten, 15. April 2021, abgerufen am 29. September 2022, https://brandltalos.com/wp-content/uploads/2021/04/15-04-2021_GRUG-Insight_FINAL.pdf.
  • 11
    Verbraucherrecht.at, Gewährleistung: Neuerungen ab 2022, abgerufen am 29. September 2022, https://verbraucherrecht.at/gewaehrleistungneuerungen-ab-2022/5877.
  • 12
    Wirtschaftskammer Österreich, Gewährleistung – das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) ab 1. Januar 2022, abgerufen am 29. September 2022, https://www.wko.at/service/wirtschaftsrecht-gewerberecht/neuesverbrauchergewaehrleistungsgesetzt-ab-1-1-2022.html.
  • 13
    Brandl/Talos, Gewährleistung neu? Die Umsetzung der EU-Richtlinien zum Warenkauf und digitalen Inhalten, 15. April 2021, abge-rufen am 29. September 2022, https://brandltalos.com/wp-content/uploads/2021/04/15-04-2021_GRUG-Insight_FINAL.pdf.