Digital Health

Ein Fingerzeig

… von Dr. iur. Julian Braun, der im September den AKs Medizin- und IT-Recht das rechtlich teils noch unerschlossene Terrain digital vermittelter Gesundheitsanwendungen beschrieb: Alle unmittelbar bei Behandelnden vor Ort in Anspruch genommenen Gesundheitsversorgungsleistungen gleichen einander in ihrer Unmittelbarkeit, jede digital vermittelte Gesundheitsversorgungsleistung ist digital vermittelt auf … nun, eine von immerhin mehrerlei derzeit grundsätzlich zulässigen Weisen.

Livia Mertens | Betreuerin des AK Medizinrecht | stud. iuris im Zweitstudium

KLASSISCHER KLÄRUNGSBEDARF

Mit der Feststellung eben jener Pluralität im Bereich der Digital Health – wenngleich nicht mit oben anstehenden Worten – leitete der Vortragsredner der Septembersitzung des AK Medizinrecht, Herr Dr. Julian Braun, Fachanwalt für Medizinrecht und langjährig im Bereich der digitalen Gesundheitsanwendungen tätiger Syndikusrechtsanwalt, sein Referat ein, um sich sodann zunächst der dem klassischen Arztbesuch näherstehenden Telemedizin und ihren – wiederum mehrerlei, nämlich zweierlei – Erscheinungsformen, als da wären die entweder synchron oder aber asynchron erfolgende Fernbehandlung, zu widmen. „Dr. iur. Julian Braun beschrieb das rechtlich teils noch unerschlossene Terrain digital vermittelter Gesundheitsanwendungen“

Und schon in diesem Teil seines Vortrags entsponnen sich Diskussionen, die zeigten, dass selbst die vergleichsweise klassisch anmutenden ärztlichen Fernbehandlungen nicht ohne rechtliche Tücken sind, sie zu Missverständnissen führen oder schon bestehende Missverständnisse in ihrem vollen Umfang offenlegen können.

REGELUNGSBEDARF, DER SICH NICHT BEZIFFERN LÄSST

Hauptthema des Vortrags aber waren die – dementsprechend der Veranstaltung ihren Titel gebenden – DiGAs (Digitale Gesundheitsanwendungen), also positiv auf die Gesundheit der Nutzenden einwirkende Apps, deren Hauptfunktion „wesentlich“ auf digitalen Technologien basiert, insbesondere also nicht dazu dient, als ein Kommunikationsmedium zwischen Arzt und Patient zu dienen. Die dem Vortragsredner, u. a. seit 2019 Vorstandsmitglied des Spitzenverbandes Digitale Gesundheitsversorgung e.V., eigene Expertise mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der Digitalisierung des Gesundheitswesens zeigte Dr. Braun wiederum nicht nur in seinen Vortragsausführungen, sondern auch in den daraus sich zahlreich ergebenden Rückfragen und Diskussionen. Nicht einfach geduldig, sondern sichtlich sogar gern stellte er dar, inwieweit die neuen Gesundheitsanwendungen von Regelungen de lege lata erfasst werden, inwieweit und wo existierende Regelungen der Anwendung jener Anwendungen als Stolpersteine im Wege liegen – und wo es zunächst einmal neuer Regelungen bedarf, um Leistungsanbieter wie auch DiGA-Nutzer sicher durch das Feld der neuen Möglichkeiten, gute gesundheitliche Versorgung zu erlangen, überhaupt mit einiger (Rechts-) Sicherheit navigieren zu lassen.

ÜBERDIES EIN PLÄDOYER: FÜR DIE JURISTEREI!

So sehr allerdings jener Vortrag für die Septembersitzung des AK Medizinrecht bereits durch sein konkretes Thema und dessen – noch – fehlende Alltäglichkeit, Geläufigkeit gar, selbst in den Kreisen der medizinrechtlichen Fachanwaltschaft hervorstach und hier durchaus umfassender wie auch eingehender inhaltlich wiedergegeben zu werden verdient hätte, festgehalten und deshalb im Folgenden nun ausgeführt wissen möchte die Verfasserin dieser Zeilen unbedingt eines:

Dass, obschon wohl kaum Planziel seines Referats, Herr Dr. Braun an diesem Abend sowohl mit dem Vorgetragenen als auch durch seine Art des Vortragens in erwähnenswert hohem, deshalb hier erwähntem hohen Maße der Rechtswissenschaft daselbst, und ihr tatsächlich ganz allgemein, Fürsprache leistete; ging doch, wann immer sein eigenes Wirken als Syndikusrechtsanwalt, sein Beitragen zum Erschließen des Rechts, zum Ausformen neuer Regelungen zur Sprache kam, aus seinen Äußerungen eine große Begeisterung hervor für sein Aufgabenspektrum, das er, zusammengefasst, beschrieb als ihm erlaubend, bislang nur begrenzt, zumal oft bruchstückhaft bis hin inkonsistent, kartografiertes rechtliches Terrain auszudeuten.

„Herr Dr. Braun leistete an diesem Abend daselbst, ganz allgemein, Fürsprache“

Hierdurch nun zeichnete er ganz nebenbei ein Bild der Rechtswissenschaft als sich unvermeidbar ständig um neue Anwendungsfelder erweiterndes Tätigkeitsgebiet, das mithin von den der Rechtswissenschaft Kundigen die ständige Neuauslegung, die ständige Überprüfung auf Anwendbarkeit alter Gesetzmäßigkeiten auch auf dem neuen Gelände verlangt; zudem die Lokalisierung von Regelungslücken, von in dem neuem Umfeld ihrem eigentlich Zweck zuwiderlaufenden Regelungen; nicht zuletzt das Entwerfen, bestenfalls Errichten von möglichen Brücken, welche ein Voranschreiten auch auf jenem zuvor unbekannten Grund erlauben mögen. Denn gewiss bald schon wird sich hinter jenem noch, dann schon: einstmals unbekannten Grund liegend neuerlich Neuland entdecken lassen; aus mancher, von mehr Skepsis geprägter Sicht gefasst: entdecken lassen müssen.

ERKENNTNISPOTENZIAL FÜR DREI, ERKENNTNISGEWINN NUR FÜR ZWEI

Damit vermittelte Herr Dr. Braun in erster Linie den Fach anwältinnen und -Anwälten für Medizinrecht mit dem Feld der an Wichtigkeit in der Gesundheitsversorgung zunehmenden Digital Health die teils bereits, teils immerhin in absehbarer Zeit erschlossenen, der Begehung zulässigen Wege durch immerhin eines dieser auf der Landkarte noch von zahlreichen „Here be monsters“- Markierungen geprägten Gebiete. In zweiter Linie profitierten die teilnehmenden Mitglieder des AK IT-Recht, indem er darlegte, in welchen Bereichen der Gesundheitsversorgung zukünftig mit einer erhöhten Nachfrage IT-rechtlicher Expertise zu rechnen ist; dass es bei diesem doch bescheidenen Erkenntnisgewinn für die dem Arbeitskreis IT-Recht zugehörigen Sitzungsteilnehmenden geblieben ist, hätte sich allerdings vermeiden lassen: durch deren wenigstens gelegentliche Beteiligung an den ansonsten sehr rege geführten Diskussionen an diesem Abend.

Profitieren können aber hätten – nicht profitieren können aber haben – von einem Besuch dieser Veranstaltung ganz besonders – und samt und sonders jeglicher Zweifel jedenfalls der diese Zeilen Verfassenden! – all jene von Zweifeln ob der Sinnhaftigkeit des Jurastudiums geplagten Kommilitonen, die selbiger Verfasserin – selbstverständlich, auch samt, dann sonders! – ausschließlich durch Hörensagen bekannt sind. Schließlich hätten sie plötzlich erkennen dürfen: Alle rechtswissenschaftlichen Studienverlaufspläne gleichen einander, jedes der Rechtswissenschaft gewidmete Berufsleben kann der Rechtswissenschaft auf ganz eigene Weise gewidmet werden.

WEITERGEHEN! – HIER GIBT ES VIEL NEUES ZU SEHEN

Mehr noch: Goethe hat, als er meinte, den ersten aus seines Fausts Munde kommenden Versen weitere Verse in dieser ersten Faust vor- und hintanstellen, ja, gar einen Faust II noch folgen lassen zu müssen, in erster Linie die eigene Narretei offenbart: Die Wanderschaft durch die menschliche Kulturgeschichte – nach damaligem Kanon –, welche doch nicht zu inspirieren vermag: redundant! Die Erleichterung, mit welcher der erstbeste sich erbietende Geist – und sei es der, der stets verneint – als Quell der Inspiration angenommen wird: redundant!

Ist doch das Potenzial närrischer Geistlosigkeit des Menschen in vollkommener Prägnanz entlarvt allein durch jene einleitenden Worte seiner Hauptfigur, die sich da – als Mensch, der mit den Menschen lebt – in Juristerei bewandert zeigt; und doch nichts mit sich anzufangen weiß.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 11/2023 | 72. Jahrgang