Editorial – Heft 04 | 2023

Liebe Leserinnen und Leser, herzlich willkommen im Berliner Anwaltsblatt

Die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Software für die gesamte deutsche Zivilgerichtsbarkeit für Videoverhandlungen gem. § 128 a ZPO haben wir hier – und an vielen anderen Stellen – gemeinsam mit dem Deutschen Anwaltverein (DAV) schon angesprochen. Auch für Strafverfahren fordert die Anwaltschaft Fortschritte – nämlich zur audiovisuellen Dokumentation der Hauptverhandlung. Aktuell machen die Generalstaatsanwaltschaften mobil gegen die Pläne des Bundesjustizministeriums (BMJ), die strafrechtliche Hauptverhandlung endlich objektiv zu dokumentieren. Es wird der Eindruck erweckt, der aktuelle Referentenentwurf des BMJ sei auf einhellige Ablehnung in der Praxis gestoßen. Das ist falsch. Richtig ist: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert schon seit Jahren die audiovisuelle Dokumentation.

Uwe Freyschmidt | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht | Vorsitzender des Berliner Anwaltsvereins

Auch im europäischen Ausland ist dies längst bewährte Praxis. Derzeit stützt sich die Dokumentation des Strafprozesses in Deutschland vor allem auf handschriftliche Mitschriften. Dass das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung handschriftlich Notizen anfertigen, um sich später – nicht selten mit unterschiedlichem Ergebnis – an den Verfahrensablauf zu erinnern, wirkt aus der Zeit gefallen. Diese Praxis ist optimierungsbedürftig. Notwendig ist eine objektive, allen Beteiligten zugängliche Protokollierung des Inhalts der Beweisaufnahme. Sie schafft eine objektive und zuverlässige Dokumentation des Inhalts der Beweisaufnahme für das Gericht und die übrigen Verfahrensbeteiligten. Der Prozess der Wahrheitsfindung wird so nicht nur transparenter, sondern letztlich auch für das Gericht einfacher, da etwa die Übereinstimmung von Zeugenaussagen leichter überprüfbar wäre. Der DAV setzt sich bereits seit Jahren für die Einführung der audiovisuellen Dokumentation der Hauptverhandlung ein und begrüßt die entsprechenden Pläne des BMJ ausdrücklich. Wir fordern daher, nun zügig mit der Pilotierungsphase zu beginnen. Außerdem arbeiten wir daran, auch die Justiz auf allen Ebenen von der Notwendigkeit der Dokumentation der Hauptverhandlung und der Verhandlungen gem. § 128a ZPO zu überzeugen.

Diese und andere Themen der Digitalisierung der Justiz möchten wir am 23. März 2023, also vor Erscheinen dieses Hefts, auch in einer Veranstaltung unserer Reihe „Zuhören – Mitreden“ mit Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann diskutieren. Wenn Sie die Veranstaltung verpasst haben, finden Sie einen Stream auf unserer Website. Wir freuen uns auf das Wiedersehen und die Diskussion mit Ihnen bei der Mitgliederversammlung des Berliner Anwaltsvereins am Dienstag, 2. Mai 2023. Im Anschluss gibt es bei einem Get-together wieder Anlass auch zum informellen Austausch. Wir freuen uns, wenn Sie dabei sind (und bitten um Ihre Anmeldung unter: mail@berliner-anwaltsverein.de)!

Exklusiv für Mitglieder | Heft 04 | 2023 | 72. Jahrgang