Ein entscheidender Medienbruch weniger

Die digitale Präsenzbeurkundung wird möglich

Das Bundesministerium für Justiz hat einen Digitalisierungsschub für das Beurkundungswesen bekanntgegeben und einen neuen Gesetzesentwurf für elektronische Beurkundungen im Präsenzverfahren vorgelegt.

Aktuelle Praxis der Notariate in Deutschland

Bisher dürfen Notare Präsenzbeurkundungen nur mit Urkunden in Papierform durchführen. Bei jeder Beurkundung liegt also mindestens eine Urkunde in Papierform vor, daneben regelmäßig weitere Leseexemplare. Am Ende einer Beurkundung liegen dann viele Blätter auf dem Tisch, die keiner mehr braucht. Eine Videobeurkundung ist für deutsche Notare nur im Gesellschaftsrecht und auch nur für standartmäßige UG/GmbH-Gründungen und Registeranmeldungen möglich.

Außerhalb von Deutschland stößt der bürokratischen Papierwust auf Verwunderung. So trifft man beispielsweise schon auf große Skepsis bei französischen Notaren, wenn man als deutscher Notar dort Dokumente im Original mit einer handschriftlichen Unterschrift anfragen muss, nachdem Übersendung aus Frankreich nur mit elektronischer Signatur per E-Mail (verschlüsselt natürlich) erfolgte.

Jetzt tut sich aber auch in Deutschland Entscheidendes. Mit dem neuen Gesetzentwurf soll eine elektronische Beurkundung ab dem 1. Januar 2026 auch im Präsenzverfahren bundesweit möglich werden.

Christine Rattey | Rechtsanwältin | Licence en droit (Frankreich) |  Schellenberg Unternehmeranwälte | www.unternehmeranwaelte.de | Vorstandsmitglied des BAV

Ulrich Schellenberg | Notar und Rechtsanwalt | Fachanwalt für Handelsund Gesellschaftsrecht | Fachanwalt für Erbrecht | Schellenberg Unternehmeranwälte,  www.unternehmeranwaelte.de

DIE LANGSAME DIGITALISIERUNG DES NOTARIATS

Bis heute setzt eine wirksame Beurkundung voraus, dass eine papierne Mutterurkunde im Beisein aller Beteiligter errichtet wird. Änderungen werden handschriftlich vermerkt und vom Notar abgezeichnet. Wird das Textdokument am Laptop geändert, muss der Text ausgedruckt und diese Seite insgesamt nochmals verlesen werden. Am Ende wird die papierene Urkunde von allen Beteiligten handschriftlich unterschrieben. Dies gilt, obwohl am 1. Juli 2022 das elektronische Urkundenregister eingeführt wurde. Das bedeutet, dass jede in Papierform errichtete Urkunde im Anschluss eingescannt wird, um dann von den Notaren elektronisch registriert werden zu können. Das alles, nachdem der Entwurf der Urkunde elektronisch erstellt, überarbeitet und per Mail mit den Parteien kommuniziert wurde. Das ist schlicht anachronistisch. Mit der Einführung des elektronischen Urkundenregisters wurde ein erster großer Schritt Richtung Digitalisierung gemacht. Nun soll der letzte Medienbruch im Notariat abgeschafft werden. Gut so!

Am 22. Mai 2024 hat das BMJ den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Präsenzbeurkundung vorgelegt. Das neue Gesetz soll die Arbeit der Notare, aber auch die Kommunikation zwischen Notaren mit Gerichten und Behörden vereinfachen. Die Verfahren sollen effizienter werden. Das Ministerium betrachtet den Gesetzesentwurf daher als wichtigen Beitrag zur Unterstützung der flächendeckenden Umstellung auf die elektronische Aktenführung in gerichtlichen Verfahren, die ab dem 1. Januar 2026 verpflichtend sein wird.

ALLGEMEINE BEFÜRWORTUNG DES GESETZESENTWURFS

Die Bundesnotarkammer begrüßt den Gesetzesentwurf ausdrücklich. Sie hat bereits mitgeteilt, Notaren eine Signaturanwendung für die Errichtung elektronischer Urkunden zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass allen Notaren die erforderliche Softwareausstattung flächendeckend und unkompliziert zur Verfügung steht. Die Bundesnotarkammer hat bereits einen Prototyp entwickelt, der erprobt wird.

Relevant wird dies für die knapp 6500 in Deutschland tätigen Notare, knapp 1/10 davon ist in Berlin zugelassen. Selbst wenn die Veränderung anfänglich ein Umdenken und Umstellen der Arbeitsprozesse bedeutet, so wird dieser Schritt schnell zu einer Arbeitserleichterung in allen Notariaten führen, da Ausdrucken und Einscannen schlicht wegfallen. Mit jedem zusätzlichen Schritt und Medienbruch, der entfällt, sinkt zudem das Risiko von Fehlern.

WAS SIEHT DER GESETZESENTWURF JETZT KONKRET VOR?

Kern des Entwurfes ist die Einführung ist die Aufnahme elektronischer Niederschriften zur Beurkundung von Willenserklärungen in Gegenwart der Beurkundungsperson nach § 8 Abs. 2 BeurkG-E.

Künftig sollen die Beteiligten die Genehmigung der elektronischen Niederschrift, die auch weiterhin im Präsenzverfahren aufgenommen wird, durch Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur oder durch eigenhändige Unterschrift über ein geeignetes elektronisches Hilfsmittel (Unterschriftenpad oder Touchscreen) dokumentieren. Die Unterschrift soll in der elektronischen Niederschrift bildlich wiedergegeben werden.

Auch der Notar selbst muss die Niederschrift nun mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen, § 13a BeurkG-E. Über eine solche Signatur verfügen alle Notare bereits, da sie zur Einreichung der Urkunden im elektronischen Urkundsregister erforderlich ist. Diese Regelung führt daher kaum zu Mehraufwand für die Notare. Die so erstellten und elektronisch signierten Urkunden sollen als öffentliche elektronische Dokumente im Sinne von § 371a Abs. 3 ZPO Beweiskraft wie andere öffentliche Urkunden besitzen.

Gemäß § 36 Abs. 2 BeurkG-E sollen auch Beurkundungen anderer Erklärungen sowie Beurkundungen von Tatsachen oder Vorgängen sollen durch die Aufnahme einer elektronischen Niederschrift möglich sein. Eine Erklärung in einem elektronischen Dokument, die von dem Erklärenden mit einer notariell beglaubigten eigenhändigen elektronischen Namensunterschrift oder mit einem notariell beglaubigten eigenhändigen elektronischen Handzeichen versehen wurde, soll ab dem 1. Januar 2026 als öffentlich beglaubigte Erklärung gemäß § 129 Abs. 3 BGB-E gelten.

ÄNDERUNGEN DER FORMVORSCHRIFTEN DES BGB-AT

Mit der Einführung des Gesetzes sind zudem wesentliche Änderung von Formvorschriften im BGB verbunden:

So wird in § 126 BGB-E geregelt sein, dass auch eine öffentlich beglaubigte Erklärung der Schriftform genügt.

In § 129 Abs. 2 BGB-E wird sodann gesetzlich geregelt, welches elektronische Dokument als öffentlich beglaubigte Erklärung gilt.

Die umfassendsten Änderungen wird naturgemäß das Beurkundungsgesetz erfahren, in welchen in den §§ 13a bis § 13c BeurkG-E die elektronische Niederschrift geregelt werden soll.

Diese Gesetzesänderungen werden zu einer Vereinfachung nicht nur bei Beurkundungen, sondern auch sonstigen Vertragsschlüssen außerhalb eines Notariats führen.

PAPIERURKUNDE ALS ALTERNATIVE

Die Möglichkeit der Errichtung einer Papierurkunde soll daneben bestehen bleiben. Ob eine Beurkundung ab dem 1. Januar 2026 in Papierform oder mittels eines elektronischen Dokuments errichtet wird, kann der beurkundende Notar entschieden. Dies ermöglicht es dem Notar, das Verfahren individuell für die jeweiligen Urkundsbeteiligten zu gestalten. Nicht vorgesehen ist in dem Gesetzesentwurf ein Wahlrecht der Urkundsbeteiligten. Nur bei Errichtungen von Verfügungen von Todeswegen bleibt die Beurkundung in Papierform sogar verpflichtend (vgl. § 31 BeurkG-E). Daneben muss der Notar natürlich auch dann in Papierform beurkunden, wenn das zu beurkundende Geschäft einer Schriftform genügen muss, für welche eine qualifizierte elektronische Signatur nicht ausreichend wäre.

EINE VEREINFACHTE ELEKTRONISCHE IDENTIFIZIERUNG ALS FOLGE?

Konsequenz der Gesetzesänderung ist die steigende Nutzung der elektronisch qualifizierten Signatur und elektronischen Identifizierung.

Ein Notar muss heute regelmäßig mit den Urkundsbeteiligten einer Videobeurkundung klären, ob die für die Teilnahme an einem Onlineverfahren erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Hierfür ist der Besitz eines deutschen Personalausweises mit eID-Funktion, eines elektronischen Aufenthaltstitels mit freigeschalteter Onlinefunktion oder einer anderen europäischen eID mit dem Sicherheitsniveau „hoch“ erforderlich. Ebenso erforderlich sind ein NFC-fähiger amtlicher Ausweis, dessen Lichtbild ausgelesen werden kann, ein Smartphone zum Auslesen des Lichtbildes sowie ein Computer mit Mikrofon, Kamera und stabiler Internetverbindung. Hier wird deutlich, dass noch eine hohe Hürde für die bereits heute gesetzlich zugelassene Videobeurkundung besteht.

Für eine Vereinfachung der digitalen Beurkundung wird es daher auch sinnvoll sein, über eine Vereinfachung der elektronischen Signatur nachzudenken. Es wird in der Zukunft für jeden eine elektronische Identität geben müssen, die der Notar dann zu überprüfen hat und die jedem eine elektronische Identifikation und qualifizierte Signatur ermöglicht, im Idealfall auch europaweit. Der Weg dahin wird sicher noch einige Zeit und Arbeit in Anspruch nehmen.

FAZIT

Das neue Gesetz stellt einen wichtigen Schritt in Richtung Digitalisierung der Notariate und auch der Justiz dar. Es kann daher nur begrüßt werden. Die Vermeidung des Medienbruchs wird schnell zu einer Arbeitserleichterung führen und Verfahrensabläufe vereinfachen. Will auch das deutsche Notariat mit all seinen speziellen Besonderheiten in der Welt der Digitalisierung ankommen, ist dieser Gesetzentwurf ein wichtiger Schritt.

Heft 09 | 2024 | 73. Jahrgang