Ein halbes Jahr MoPeG

Ein Vortragsabend mit Registerrichter Prof. Dr. Ries über die ersten Erfahrungen mit dem MoPeG in der Praxis des Registergerichts

Das Notarinstitut der Humboldt-Universität zu Berlin lud am 3. Juli 2024 zu einem Vortragsabend mit Prof. Dr. Ries ein, der über die Praxiserfahrungen im Zusammenhang mit dem Handels- und Gesellschaftsregister nach dem MoPeG berichtete.

Prof. Dr. Ries ist seit 1995 Richter am Handelsregister in Berlin sowie seit 2000 Professor an der HWR und konnte somit aus erster Hand berichten, was die ersten Praxiserfahrungen des Registergerichts nach Einführung des MoPeG sind. Er freute sich, als Praktiker zur Universität eingeladen zu sein, um zu berichten und auch mit Notaren Ideen auszutauschen. Als Zuhörer waren Anwälte, Notare und auch einige Studenten im Vorlesungsraum der Humboldt-Universität und verfolgten den interessanten Bericht von Dr. Ries, der von Prof. Dr. Gregor Bachmann, geschäftsführender Vorstand des Notarinstituts, eingeleitet und begleitet wurde.

Christine Rattey | Rechtsanwältin | Licence en droit (Frankreich) |  Schellenberg Unternehmeranwälte | www.unternehmeranwaelte.de | Vorstandsmitglied des BAV

Prof. Dr. Ries begann seinen Bericht mit einer kurzen Einleitung zur Einführung des MoPeG und der Befürchtung der Bundesländer, dass durch die Einführung des Gesellschaftsregisters für die GbR ein erheblicher Mehraufwand für das Personal und Umschulung erforderlich werden wird. Prof. Dr. Ries stellte nun, ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des MoPeG fest, dass letztlich gar kein neues Personal eingestellt wurde und auch besondere Umschulungen nicht notwendig waren. Die anfänglichen Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Seinem Bericht war vielmehr zu entnehmen, dass die Umsetzung erfolgreich war und ohne große Probleme erfolgt ist.

Wie immer kommen mit der Umsetzung eines neuen Gesetzes neue Praxisfragen dazu. Zu Beginn der Ausführungen neu entstandener Praxisfragen erläuterte Prof. Dr. Ries kurz die neuen relevanten Regelungen des MoPeG für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und den Unterschied zwischen der rechtsfähigen und der nicht rechtsfähigen GbR. Er ging sodann auf verschiedene interessante Problemstellungen ein, die sich nun in der Praxis zeigen oder zeigen können.

Ein kleiner Auszug dieser verschiedenen neuen Praxisfragen soll hier wiedergegeben werden. Der Bericht von Prof. Dr. Ries war deutlich umfassender und konnte einen guten Überblick verschaffen über in Zukunft relevante Praxisfragen.

„Gibt es einen faktischen Registerzwang?“

Einer der ersten Punkte seines Berichts war eine Frage, die sich mit der Einführung des MoPeG stellt: Gibt es einen faktischen Registerzwang?

Rein rechtlich betrachtet besteht kein Zwang für alle Gesellschaften bürgerlichen Rechts, sich in das Gesellschaftsregister eintragen zu lassen. Die Eintragung ist insbesondere nicht konstitutiv für das Entstehen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder ihre Rechtsfähigkeit.

Prof. Dr. Ries stellt sich die Frage, ob ein faktischer Registerzwang besteht. Dies müsse wohl mit Ja beantwortet werden aufgrund der vielen Spezialvorschriften, wie beispielsweise § 40 Abs. 1 Satz 3 GmbHG; § 707a Abs. 1 Satz 2 BGB oder § 106 Abs. 2 Nr. 2b HGB. Auch gemäß § 47 Abs. 2 GBO wird eine Voreintragung erforderlich, um nun eine GbR im Grundbuch eintragen zu lassen. Erfolgt die Voreintragung der GbR nicht, wird das zuständige Register eine Eintragung zurückweisen. Selbst wenn eine GbR sich nicht in das neue Gesellschaftsregister eintragen lassen muss, so ist sie doch faktisch oft aufgrund einer mit dem MoPeG eingeführten Spezialvorschrift dazu gezwungen.

„Nach dem aktuellen Stand haben sich in Berlin circa 15.000 Gesellschaften bürgerlichen Rechts eintragen lassen“

Nach dem aktuellen Stand haben sich in Berlin nunmehr ca. 15.000 Gesellschaften eintragen lassen. Grund dafür war in den ganz überwiegenden Fällen, bei ca. 14.000 der einzutragenden Gesellschaften der Grundbuchbezug. Prof. Dr. Ries berichtete, dass das Registergericht deutlich mehr Anmeldungen erwartet hatte. Er habe mit ca. 1000 Anmeldungen pro Monat gerechnet. Diese Prognose erklärt, wieso die Länder mit einem erhöhten Personalaufwand gerechnet haben und zunächst mehr Personal einstellen wollten, bevor die Gesetzesänderung in Kraft trat. Er erzählt, dass er beispielsweise damit gerechnet hat, dass sich mehr GbRs anmelden, die an Windparks beteiligt sind, um eine spätere Übertragung der Anteile schnell möglich zu machen. Dies ist aber tatsächlich bisher nicht passiert, was ihn wundert.

„Es ist empfehlenswert, bereits jetzt die Voreintragung vorzunehmen“

Sein Rat ist es, bereits jetzt die Voreintragung einer GbR vorzunehmen, wenn in Zukunft Transaktionen geplant sind. Um dann, wenn eine Transaktion realisiert werden soll, beispielsweise eine Anteilsübertragung unter Beteiligung einer GbR, nicht noch unnötig Zeit auf das Abwarten der Voreintragung der an der Transaktion beteiligten GbR aufwenden zu müssen. Insbesondere in Registern, wo die Eintragung nicht so schnell ist, ist es empfehlenswert, bereits jetzt die Voreintragung vorzunehmen.

KEINE VOREINTRAGUNG BEI GESETZLICHER RECHTSNACHFOLGE IM GRUNDBUCH?

§ 47 Abs. 2 GBO regelt relativ eindeutig, wann eine Voreintragung erforderlich ist. So verlangt der Gesetzgeber eine Voreintragung einer GbR im Fall der rechtsgeschäftlichen Rechtsnachfolge. Offen bleibt hingegen, was im Fall der gesetzlichen Rechtsnachfolge ist, zum Beispiel im Fall einer Umwandlung. Da es eben nicht geregelt ist und es sich um eine gesetzliche Rechtsnachfolge handelt, geht Dr. Ries davon aus, dass wohl keine Voreintragungen notwendig sei. Für eine Analogie bliebt kein Raum, wenn der Gesetzgeber bewusst die Voreintragung nur für rechtsgeschäftliche Rechtsnachfolge kodiert hat.

Das Problem stellt sich ferner bei Versteigerungen, an denen eine GbR mitbietet. Auch hier besteht eine Lücke im Gesetz. Kann eine nicht eingetragene GbR ein Grundstück ersteigern? Die Lösung in der Praxis scheint nach den Erfahrungen von Prof. Dr. Ries bisher so zu sein, dass Versteigerer nur eingetragene GbRs bei Versteigerungen von Grundstücken mitbieten lassen. Er fragt sich, ob dies zulässig ist, und meint, dass es nur eine Frage der Zeit sein könnte, bis eine nicht eingetragene GbR dagegen vorgeht. Auch hier ist also die Rechtsprechung zur neuen Gesetzeslage abzuwarten.

NEU: VERSICHERUNG ZUR VERMEIDUNG VON DOPPELEINTRAGUNGEN

Mit Stellung des Antrags auf Eintragung einer GbR ist gemäß § 707 Abs. 2 Ziff. 4 BGB eine Versicherung abzugeben, dass nicht bereits im Handels- oder Partnerschaftsregister eingetragen ist. Diese Versicherung ist neu und wird nach der Erfahrung des Registergerichts Berlin teilweise noch übersehen oder vergessen. Zweck dieser Versicherung soll es sein, eine Doppeleintragung von Gesellschaften zu vermeiden. Offen ist bisher geblieben, ob es sich um eine höchstpersönliche Versicherung handelt, wie sie im Gesellschaftsrecht beispielsweise für Geschäftsführer in § 8 Abs. 3 oder § 39 Abs. 3 GmbHG vorgesehen ist, oder ob sie auch durch Vollmacht abgegeben werden kann. Prof. Dr. Ries ist der Auffassung, dass es sich wohl nicht um eine höchstpersönliche Versicherung handele, so dass beispielsweise über Eintragungen die Erklärung auch durch Vollmacht von Notaren vorgenommen werden kann.

ERFORDERLICHER NAMENSZUSATZ: EIN SCHEINPROBLEM?

Teilweise problematisch betrachtet wird die Regelung des Namenszusatzes, wonach die eingetragenen GbRs entweder der Namenszusatz „eGbR“ oder „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ führen müssen. Eine dieser beiden Alternativen muss gewählt werden. Einige Register vertreten die Auffassung, dass aufgrund der gesetzlichen Regelungen, dass es sich um einen Namenszusatz handelt, dieser Zusatz am Ende des Namens geführt werden muss, und lehnen die Eintragung einer GbR ab, die den Zusatz nicht am Ende, sondern an am Anfang oder mitten im Namen führt. Prof. Dr. Ries hält diese Strenge für unnötig, wesentlich ist es nur, dass eine der beiden Alternativen im Namen ordnungsgemäß genannt ist. Im Berliner Registergericht ist daher hoffentlich nicht mit einer solchen Strenge zu rechnen.

NEU: EUROPÄISCHE GESCHÄFTSANSCHRIFT

Was Prof. Dr. Ries überrascht hat, ist die neue Regelung des § 707 Abs. 2 Ziff. 1 lit. c) BGB, wonach eine Geschäftsanschrift innerhalb der Europäischen Union ausreicht. Es ist mithin für eine GbR keine Geschäftsanschrift mehr in Deutschland erforderlich. Dies stellt eine Erleichterung im Vergleich zu Kapitalgesellschaften dar, welche eine Geschäftsanschrift in Deutschland vorweisen müssen. Es wird sich in der Praxis zeigen, ob die Geschäftsanschrift im europäischen Ausland zu Problemen, insbesondere bei Zustellungen, führen wird.

NEU: ANFECHTUNGSKLAGE IM PERSONENGESELLSCHAFTSRECHT

Neu ist die Möglichkeit der Anfechtungsklage für die OHG und die KG, nachdem zuvor nur die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage gegeben war. Nun kann ein Gesellschafter einer OHG oder einer KG auch eine Anfechtungsklage einreichen, Frist hierfür sind drei Monate. Prof. Dr. Ries befürwortet dies, da zumindest nach den drei Monaten ein bestandskräftiger Beschluss vorhanden sei. Er wirft jedoch auf die Frage auf, wieso der Gesetzgeber dies nicht für die GbR ähnlich geregelt habe. Er vermutet, dass das daran liegt, dass in GbRs regelmäßig familiäre Strukturen haben und es daher in der GbR vorzugswürdig ist, dass Streitigkeiten schnell und direkt geklärt werden und nicht vor Gericht. Zudem könnte die persönlich geprägte Struktur der GbR streitanfälliger sein, sodass eine Vielzahl von Anfechtungsklagen erhoben werden könnte. Hinzu kommt die Hoffnung, dass in den GbRs zunächst das Gespräch gesucht und privat eine Lösung gefunden wird.

KAUM RAUM FÜR BISHERIGE ANALOGIEN IM PERSONENGESELLSCHAFTSRECHT

Zum Abschluss referierte Prof. Dr. Ries, dass oft dort, wo in der Vergangenheit eine analoge Anwendung von Vorschriften im Handels- und Gesellschaftsrecht für Personengesellschaften möglich war, dies nun nicht mehr möglich sein werde. Der Gesetzgeber hat mit dem MoPeG umfassende Neuerungen im Personengesellschaftsrecht vorgenommen. Hat er etwas nicht geregelt, so wird es sich nicht (mehr) um eine versehentliche Gesetzeslücke handeln, sondern vermutlich um ein bewusstes Nichtregeln. Unter diesem Gesichtspunkt gab der Professor den Hinweis, dass sich viele neue Examensprobleme mit dem MoPeG stellen, die die Klausursteller nun aufgreifen können, sowohl im ersten und zweiten Staatsexamen oder der notariellen Fachprüfung. Dafür werden bisherige Streitigkeiten über analoge Anwendungen von bestimmten Vorschriften wegfallen, da der Gesetzgeber nun klare Regelungen geschaffen hat.

AKTUELLE FEHLER BEI ANMELDUNGEN ZUM GESELLSCHAFTSREGISTER

Am Ende seines Berichts wurde Prof. Dr. Ries gefragt, was dem Register derzeit an Fehlern auffällt bei Anmeldungen von GbRs. Prof. Dr. Ries konnte die Frage kurz damit beantworten, dass es keine erheblichen oder großen Fehler gebe, die nun mit der Einführung des Gesellschaftsregisters und Umsetzung des MoPeG auffällig sind. Nur, dass die neue Versicherung, dass noch keine anderweitige Anmeldung der Gesellschaft im Handels- oder Partnerschaftsregister erfolgt ist, werde gelegentlich vergessen. Ansonsten handele es sich meist nur um banale Fehler. Der Abend und Bericht von Prof. Dr. Ries war sehr interessant. Er hat nicht nur aufgezeigt, wo in der Praxis Neuerungen durch das MoPeG eingetreten sind und wo gerichtliche Verfahren zu erwarten sind, sondern hat auch aufgezeigt, dass die Umsetzung des MoPeG und Einführung des Gesellschaftsregisters in der Praxis ohne größere Probleme erfolgt sind. Er konnte zudem die Neugier wecken, wie Gerichte über manch neu entstandene rechtliche Fragen des Personengesellschaftsrecht in Zukunft entscheiden werden.

Heft 09 | 2024 | 73. Jahrgang