Erbrecht in Mitte

Dialog mit dem Kammergericht.

Am 25. Mai 2023 wurde der Dialog zwischen Richtern und Anwaltschaft fortgesetzt. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen fanden in der Littenstraße zusammen. Der 19. Senat des Kammergerichts wurde durch RiKG Dr. Ezra Zivier repräsentiert. Der Anwaltsverein hat keine sachlichen Ressourcen gescheut und ein 74-seitiges Skript – die Folien des Vortrags – in Papierform und an jeden Teilnehmer ausgehändigt. Es wäre zu überlegen, ob nicht eine Versendung per E-Mail ressourcenfreundlicher wäre. Glücklicherweise hat sich niemand an den Kartons festgeklebt.

Axel Sawal | Rechtsanwalt und Notar | Fachanwalt für Erbrecht

DER GOODWILL IN DER NACHLASSBEWERTUNG

Zu einem lebendigen Austausch kam es bei den Fragen zum notariellen Nachlassverzeichniss. Der „Goodwill“ als ergänzende Auskunft der Unternehmensbewertung wurde diskutiert. Vor allem war es aber interessant, Richter, Rechtsanwälte und die „Notar-Ecke“ (ganz rechts vorne) zu den Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Rahmen des notariellen Nachlassverzeichnisses zu hören. Gemäß ihrer Rolle erhoffen sich die anwaltlichen Vertreter aus dem notariellen Nachlassverzeichnis ergänzende Erkenntnisse über die privatschriftlichen Auskünfte des Erben hinaus. Ihnen ist bewusst, dass die Notare über diese Aufträge nicht begeistert sind. Die Erben müssen gewissermaßen hausieren gehen mit dem Wunsch, einen Notar zur Übernahme eines Nachlassverzeichnisses zu tragen. Es hat den Anschein, als würden die Sekretariate der Notariate zwar die Übernahme nicht verweigern (der Notar muss ja tätig werden). Die Antwort lautet aber meist, dass eine kurzfristige Übernahme wegen zeitlicher Überlastung nicht möglich sei.

„Der Kuchen besteht eben nicht nur aus Rosinen“

Das ist ein Ärgernis für alle Beteiligten. Die Damen und Herren Notarkolleg*innen mögen ihre diesbezügliche Einstellung überdenken. Der Kuchen besteht eben nicht nur aus Rosinen. Die Beteiligten bzw. ihre anwaltlichen Vertreter müssen zur Not einen schriftlichen Antrag an den Notar erteilen. Gegen Untätigkeit oder Ablehnungen ist eine Beschwerde gemäß § 15 BnotO möglich. Oder sie können sich an die Dienstaufsicht wenden. Vielleicht kann auf diese Art und Weise eine gerechtere Aufteilung von Nachlassverzeichnissen erreicht werden. Bisher bleiben sie bei einigen wenigen Notaren hängen, die ihre Verpflichtung ernst nehmen.

AUFKLÄRUNGSPFLICHTEN

Zu den Aufklärungspflichten und dem notwendigen Inhalt des Nachlassverzeichnisses häufen sich die Urteile und Beschlüsse der Oberlandesgerichte. Im Erkenntnisverfahren (Klage auf Zustimmung eines notariellen Nachlassverzeichnisses) oder im Zwangsvollstreckungsverfahren (Entscheidung über den Antrag auf ein Zwangsgeld gegen den Erben, weil das notarielle Nachlassverzeichnis nicht den Anforderungen entspreche) ist natürlich auch das Kammergericht gefragt.
Hierzu gibt es einige, durchaus widersprüchliche OLG-Entscheidungen. Es wäre wünschenswert, wenn die Senate diese Frage zur Klärung durch den BGH zulassen würden.

UMWEG ZUR BELEGEINSICHT?

Interessant wurde es auch bei der zwischen den Anwälten und der „Notar-Ecke“ diskutierten Frage, ob die Verpflichtung zur Hinzuziehung des Pflichtteilsberechtigten (§ 1314 Abs. 1 Satz 2 BGB) dazu führt, dass der beim Notar anwesende Pflichtteilsberechtigte oder sein Vertreter/ seine Vertreterin auf diesem Weg Einsicht in die Kontoblätter und Belege bekommen kann.
Es ist allerdings fast einheitliche Meinung, dass im Normalfall ein solches Recht des Pflichtteilsberechtigten nicht besteht. Nicht nur die „Notar-Ecke“ war der Auffassung, dass das Beiziehungsrecht nicht dazu führen kann, dass der materielle Umfang der Auskunftspflichten erweitert würde. Der Unterzeichner jedenfalls würde ohne ausdrückliche Gestattung des Erben in die ihm überlassenen oder von ihm eingeholten Unterlagen dem Pflichtteilsberechtigten keinen Einblick gewähren. Dies würde möglicherweise sogar gegen die Verschwiegenheitspflichten des Notars verstoßen. An dieser Stelle ist eine obergerichtliche Klärung unbedingt wünschenswert.

SONSTIGES

Die sonstigen Fragen plätscherten ein wenig dahin. Man hätte sich einen engagierteren und an manchen Stellen besser vorbereiteten Vortrag wünschen können.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 09/2023 | 72. Jahrgang