Europaratskonvention zum Anwaltsberuf

Expertenkomitee erarbeitet völkerrechtlichen Schutzmechanismus für die Anwaltschaft.

UN-BERICHT ZUM SCHUTZ VON RECHTSANWÄLTEN.

Der UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Rechtsanwälten, Diego García-Sayán, präsentierte bei der 50. Sitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen in Genf im Juni 2022 seinen Bericht zum Schutz der Rechtsanwälte vor unzulässigen Eingriffen in die freie und unabhängige Ausübung ihres Berufs. Dabei wurde die Bedeutung der Unabhängigkeit von Anwälten herausgestellt: Rechtsanwälte müssten frei von Einschränkungen und ohne Angst vor Repressalien, einschließlich Schikanen durch Justizbehörden und Gerichte, tätig werden können. Insbesondere müsse eine Gleichsetzung von Anwälten mit ihren Mandanten oder mit den Anliegen, die sie vertreten, verhindert werden. Daneben sei die besondere Bedeutung von unabhängigen Institutionen der anwaltlichen Selbstverwaltung wie Anwaltskammern und Anwaltsvereinigungen für den Schutz der Unabhängigkeit und Integrität von Rechtsanwälten sowie ihrer beruflichen Interessen hervorzuheben. Den Abschlussbericht stellte er auch auf der Podiumsveranstaltung des Menschenrechtsausschusses im DAV unter dem Titel „Wenn die Verteidigung von Menschenrechten auf die Anklagebank führt – die Demontage des Rechtsstaats durch staatliche Maßnahmen gegen Anwält:innen“ auf dem diesjährigen Deutschen Anwaltstag in Hamburg (Foto) vor.

Oliver Wolf | Rechtsanwalt | Berlin | Referent im DAV
Hinweis: In der Oktoberausgabe des DAV-Anwaltsblatts ist ein Artikel zum geplanten Europaratsabkommen zum Schutz von Rechtsanwälten unter dem Titel „Völkerrechtlicher Schutz für die Anwaltschaft?“ erschienen.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 11/2022 | 71. Jahrgang

SIGNALWIRKUNG EINES NEUEN RECHTSINSTRUMENTS AUF EUROPARATSEBENE FÜR DEN SCHUTZ VON ANWÄLTEN

In diesem Zusammenhang sprach der UN-Sonderberichterstatter auch über die Bedeutung der Vorbereitungen zur geplanten Europaratskonvention zum Anwaltsberuf. Dies erfolgte vor dem Hintergrund einer weltweiten Zunahme von Praktiken, welche die Arbeit von Anwältinnen und Anwälte weltweit untergraben, einschränken, und behindern – insbesondere derjenigen, deren anwaltliche Tätigkeit in der Bekämpfung von Korruption, der Verteidigung von Menschenrechten, oder dem Schutz vulnerabler Gruppen liegt. Herr García- Sayán bekräftigte dabei seine uneingeschränkte Unterstützung für die Ausarbeitung der Konvention sowie für die Arbeit des damit betrauten Gremiums im Europarat. Er wies dabei auf die möglichen positiven Effekte hin, die ein solches Übereinkommen über Europa hinaus haben könnte, und unterstrich das übergeordnete Ziel, Kolleginnen und Kollegen global stärker zu schützen.

FORTSCHRITTE BEI DER AUSARBEITUNG EINES ENTWURFS ZUM GEPLANTEN ÜBEREINKOMMEN

Der mit der Ausarbeitung des Konventionstextes zur künftigen „European Convention on the Protection of Lawyers“ beauftragte Sachverständigenausschuss des Europarats für den Schutz von Rechtsanwälten (CJ-AV) hielt seine zweite Sitzung vom 11. bis 13. Juli 2022 in Straßburg ab. An dieser nahmen Vertreter der Mitgliedstaaten und einschlägiger internationaler Berufsorganisationen, darunter als Beobachter Mitglieder des Rats der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaft (CCBE), teil. Der CJ-AV-Ausschuss setzt nun zur bevorstehenden 3. Sitzung vom 8. bis 10. November 2022 seine Arbeit an einem künftigen Rechtsinstrument fort, das darauf abzielt, den Schutz der Rechtsberufe und das Recht, den Beruf ohne Vorwand oder Zwang auszuüben, zu stärken. Aktuell wird dazu ein erster Entwurf eines Rechtsakts geprüft, um ein robustes Instrument zu entwickeln, das den Rechtsanwälten bei der Ausübung ihres Berufs einen starken und wirksamen Schutz bieten kann. Der CJ-AV stimmt sich dazu eng mit dem UN-Sonderberichterstatter als Beobachter des Ausschusses ab.

STELLUNGNAHME DES DEUTSCHEN ANWALTVEREINS ZUM KONVENTIONS VORHABEN ZUM SCHUTZ DER ANWALTSCHAFT

Der DAV hat sich Anfang Juli 2022 in einer gemeinsamen Stellungnahme der Ausschüsse Berufsrecht, Europa und Menschen rechte sowie Ende August durch ein federführend von der eigens dazu eingesetzten Unterarbeitsgruppe im CCBE ausgearbeitetes Positionspapier zum geplanten völkerrechtlichen Abkommen zum Schutz von Anwälten positioniert. Darin werden die Bestrebungen des Europarates, Anwaltsrechte auf internationaler Ebene zu kodifizieren, begrüßt und erste aus Verbandssicht grundlegende Elemente, etwa zum Anwendungsbereich eines solchen Regelwerks, dargelegt. Der Sachverständige Jeremy McBride hatte zuvor einen ersten Entwurf eines möglichen Konventionstextes vorgelegt. Der DAV setzt sich insbesondere für den verbindlichen Charakter eines solchen Rechtsinstruments ein. Darüber hinaus hat sich der DAV zur Abgrenzung des Anwaltsberufs im Vertragstext geäußert und sich hier für eine klare Definition ausgesprochen, welche sich an der „Recommendation No. R (2000)21“ des Ministerkomitees über die freie Ausübung des Rechtsanwaltsberufs orientiert. Durch die Konvention sollen Personen geschützt werden, die gerade aufgrund ihres Status als berufener Berater und Vertreter in allen gerichtlichen und außergerichtlichen rechtlichen Angelegenheiten für die Einhaltung anwaltlicher „core values“ – Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und ihrem Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen – sowie ferner für Integrität und Zuverlässigkeit bürgen und deshalb zur Wahrung des ihnen entgegengebrachten Vertrauens ihrer Mandanten eines besonderen Schutzes vor staatlicher Kontrolle und Bevormundung bedürfen.