Generational Transfer im internationalen Bereich

Unternehmensnachfolge – Veranstaltung des DAV Portugal zusammen mit der ARGE Internationales Wirtschaftsrecht in Lissabon

Die Übertragung eines Familienunternehmens ist hoch-aktuell und hochsensibel. Nach Studien des renommierten Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn gibt es ca. 50.000(!) Unternehmensnachfolgen pro Jahr in Deutschland. Eine KfW-Studie spricht sogar von fast 100.000. Ähnlich verhält sich dies in anderen europäischen Ländern mit ebenso ausgeprägten mittelständischen Strukturen, wie z. B. der Schweiz oder in Italien, wo fast 30 % der CEOs über 70 Jahre alt sind.

Adi Seffer | Rechtsanwalt | Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht | Fachberater Unternehmensnachfolge (DStV e. V.) | Partner in der Kanzlei PrimePartners Wirtschaftskanzlei
Exklusiv für Mitglieder | Heft 12/2022 | 71. Jahrgang

Die Statistiker des IFM zeigen uns auch auf, weshalb in fast 40 % der Übertragungen (vor allem bei kleineren Unternehmen) diese scheitern. Die fünf wichtigsten Gründe hierfür sind:

  1. Verdrängung. Die Übergebenden verdrängen bzw. verschieben das Thema der Unternehmensnachfolge
  2. Zeit. Der Übergabeprozess wird nicht rechtzeitig geplant und die damit verbundene Zeit wird massiv unterschätzt
  3. Falsche Nachfolgeregelung. Die Nachfolge richtet sich nach der Person / dem Wunschkandidat, die/der für die Nachfolge vorgesehen ist und nicht nach einer wirtschaftlich und unternehmensstrategischen Gesamtkonzeption
  4. Mangelhafte / fehlerhafte interne Kommunikation. Die beabsichtigte Nachfolgeregelung wird intern gegenüber den Mitarbeitern und betroffenen Personen nicht rechtzeitig bzw. nicht hinreichend kommuniziert. Es kommt zu Reibungsverlusten, Zukunftsängsten und Kurzschluss-Reaktionen
  5. Mangelhafte Innovation und Investmentstau. Der Übergebende hat nur einen geringen Anreiz in den Monaten/Jahren vor der beabsichtigten Übergabe zu Innovation, Investition und unternehmerischer Dynamik
    (Quelle, Raschke IfM 2002, S. 40)

    Aus meiner praktischen Erfahrung würde ich noch ergänzen:

  6. oberflächliche steuerliche und rechtliche Beratung.

Um die Brandbreite und Komplexität zu verdeutlichen, soll folgender Beispielsfall, der einem wirklichen Fall nachgebildet ist, gelten:
Hans Tüchtig gründet 1992 in München ein High-Tech Unternehmen und bringt als Sacheinlage ein Grundstück vor Ort von 8.000 qm in die Firma ein und errichtet auf dem Grundstück Büro- und Produktionsstätten. Seine Frau Helga hält seit der Gründung der Firma 30 % der Anteile, ist aber zunächst nicht in der Gesellschaft tätig. Die Satzung enthält eine qualifizierte Nachfolgeklausel, nach der die verbleibenden Gesellschafter die Gesellschaft weiterführen und die Geschäftsanteile des versterbenden Gesellschafters – ohne Abfindung an Dritte – auf die verbleibenden Gesellschafter übergehen. Die Geschäfte entwickeln sich prächtig. 2002 wird in der Nähe von Mailand ein Grundstück von ca. 5.000 qm erworben und dort eine weitere Betriebsstätte mit Produktion gegründet. Als Hans Tüchtig im Jahre 2005 im Alter von nur 45 Jahren stirbt, hat das Unternehmen ca. 30 Mitarbeiter, ist umsatzstark und seine Patente sind heiß begehrt. Seine Witwe Helga, damals 40 Jahre alt, die nun die Anteile von Hans gemäß der Satzung übernahm, erhält sogleich sehr attraktive Kaufangebote über einen mittleren zweistelligen Mio.-Betrag, u. a. von den unmittelbaren Konkurrenten aus Schweden und Spanien. Sie entscheidet sich jedoch gegen einen Verkauf und stellt einen Manager als Mitgeschäftsführer ein, mit dem sie zusammen die Firma führt. Bis dato zeigt er sich als Glücksgriff, ambitioniert, ehrbar, und erfüllt seine Aufgaben prima.
Das Geschäft wächst weiter und erwirtschaftet ca. 200.000 bis 800.000 Gewinn p.a., welcher zu 50 % ausgeschüttet, im Übrigen vorgetragen und für Investitionen genutzt wird. Im Jahr 2010 wird eine Tochtergesellschaft für den internationalen Vertrieb und Marketing in Zug/Schweiz gegründet, wo nun schon zehn Mitarbeiter beschäftigt sind.
Helga hat nunmehr (2022) zwei erwachsende Kinder: Valentino, 35 Jahre alt, ist Sportlehrer und an der Firma nicht interessiert, sowie Charisma, 31 Jahre. Charisma hat ein Ingenieur-Studium und ein BWL-post-graduate (IBA) und arbeitet seit zwei Jahren in der Firma als COO.
Neben der Firma, die nun insgesamt ca. 60 Mitarbeiter hat, besteht in der Familie kein überschaubares Privatvermögen, außer der von Helga und Charisma bewohnten Villa am Starnberger See, welche die Eheleute im Jahre 2000 zum Preis von 1 Mio. erwarben, sowie ca. 5 Mio. in Barvermögen und Aktien.
Ehe- oder Erbverträge wurden nicht geschlossen. Nach dem Tode von Hans Tüchtig wurde keine Erbteilung durchgeführt, was für alle in Ordnung war und auch bis dato nie beanstandet wurde. Allein Valentino hat gelegentlich mal nach einer „Abfindung“ gefragt, ohne dass dies bislang vertieft wurde.

Grafik: IfM Bonn, 2021

Nun steht an, eine „vernünftige“ Nachfolge zu regeln,

Plan A: Unternehmensnachfolge intern

Helga Tapfer, die sich im nächsten Jahr zurückziehen will, möchte Charisma, die großes Interesse an der Fortführung zeigt, dies ermöglichen.

Plan B: Unternehmensnachfolge extern

Helga und Charisma entscheiden gemeinsam, dass die Firmenführung für einen zu viel ist und überlegen, welche Möglichkeiten es gibt.
Zusätzlich könnte eine Rolle spielen, wenn der Hauptwohnsitz von Helga und Charisma in die Schweiz (Zug) oder an den Sitz der Tochterfirma in Italien (Mailand) verlegt würde.
Wir werden in diesem Beitrag keine Lösungsskizze erarbeiten. Der Fall, der viele Lösungen bietet, zeigt vor allem auf, welche Aspekte zu berücksichtigen sind, um zu einer Lösung zu gelangen. Diese sollen nachfolgend beleuchtet werden:
Zunächst gehört zu einer erfolgreichen Beratung einer internen Nachfolge die Prüfung der gesellschaftsrechtlichen und weiterer sog. Governance-Aspekte (Führungsstruktur, Verträge mit dem Top-Management). In unserem Beispielsfall ist daher die Satzung der GmbH wichtig, nach der Helga die Anteile von ihrem verstorbenen Ehemann mittels qualifizierter Nachfolgeklausel, also außerhalb des Erbrechts, erhalten hat. Eine Möglichkeit, die sich ggf. auch für den Einstieg von Charisma eignet. Da Charisma in unserem Beispielsfall allerdings (nur) COO und damit noch nicht Gesellschafter ist, sind entsprechende Maßnahmen zu treffen.
Des Weiteren sind die Verträge mit dem Management und ggf. mit einem Beirat, darüber hinaus aber die Compliance- und Führungsstruktur der Firma, einschließlich ihrer beiden Töchter, auf den Übergang vorzubereiten. Dies gilt in ähnlicher Weise für andere wichtige Verträge der Firma, z. B. mit Kunden und Lieferanten und vor allem mit Finanzierern. Im deutschen, aber auch im sonstigen europäischen Ausland sind Banken einer der wichtigsten Finanzierungspartner des Mittelstandes. In der Regel bestehen bei diesen Finanzierungen Personalsicherheiten der geschäftsführenden Gesellschafter. Eine kurzfristige Ablösung, z. B. in Verbindung mit einer Übertragung an interne oder externe Unternehmensnachfolger, ist selten machbar. Dies erfordert in der Regel eine längere Vorbereitung einschließlich der Prüfung, ob das Finanzierungsrisikos künftig besser auf mehrere Finanzierungspartner zu verteilen ist: häufig ein komplexer Vorgang, der eine Reihe von Maßnahmen, vor allem auch mehrere Monate Zeit erfordert.

Grafik: IfM Bonn, 2021

„Eine Unternehmensnachfolge – gleich ob intern oder extern – ist ein komplexer Prozess“

Naturgemäß ist der Nachfolger entsprechend auszubil-den und tatsächlich auf die konkrete Nachfolge vorzubereiten. Dies scheint in unserem Beispielsfall mit Charis-ma schon gut entwickelt zu sein. Die konkreten Schritte erfordern aber auch eine rechtzeitige Einbeziehung des Führungsteams im Übrigen. Es ist ein Plan B zu entwickeln, sofern die Planung nicht wie gewünscht durchführbar ist, weil z. B. der Mitgeschäftsführer, der sich Chancen auf einen MBI ausgerechnet hatte, enttäuscht aufgibt und kündigt.
Schließlich ist auch bei der internen Nachfolge oft eine Finanzierung zu organisieren, da der übertragene Unternehmensanteil die gesamte oder einen großen Teil der Alterssicherung des Übergebers darstellt. Die Suche nach einem passenden Partner für diese Finanzierung, dessen Verhandlung und der Vertragsschluss erfordern in jedem Fall mehrere Wochen, wenn nicht Monate.
Schließlich sind auch die Erbansprüche der gesetzlichen Erben und des (internen) Nachfolgers in einem Unternehmensnachfolgevertrag oder anderweitig zu regeln. Die entsprechenden steuerlichen Auswirkungen sind einzuplanen. Der Zeitplan für die Übernahme muss diese Aspekte berücksichtigen, allein die persönliche „Deadline“ des Übertragenen darf nicht der Maßstab sein.

„Nicht zu vernachlässigen und in der Zeitplanung nicht zu unterschätzen ist vor allem aber die interne Vorbereitung des Unternehmens auf diesen Wechsel“

Für die externe Unternehmensnachfolge, ob nun als Plan B, weil die interne Nachfolge gescheitert ist, oder sogleich bevorzugt wurde, sind ähnliche Vorbereitungsmaßnahmen zu ergreifen. Klar ist, dass die Suche nach einem externen Nachfolger professionell, durch M&A Berater, unterstützt werden sollte. Nicht zu vernachlässigen und in der Zeitplanung nicht zu unterschätzen ist vor allem aber die interne Vorbereitung des Unternehmens auf diesen Wechsel.
Auch hier sind Governance-Aspekte (Führungsstruktur und Verträge mit dem Top-Management) zentral. Sie müssen mit den Verkaufsabsichten (ob nun Stratege, Finanzinvestor oder MBI) in Einklang gebracht werden, was einiges an Vorüberlegungen und Zeit erfordert. Möglicherweise muss sogar eine neue (2.) Führungsebene installiert werden, um die Firma nach dem Weggang des Gründers/Patriarchen weiter manageable zu haben.
Ebenso sind auch bei der externen Nachfolge die essenziellen Verträge mit Kunden und Lieferanten sowie Finanzierern, so weit möglich, auf den Wechsel auszurichten. Kein Käufer möchte ohne die Hauptkunden oder Hauptlieferanten dastehen. Unterschiede in der Gewichtung entstehen sicherlich je nach Art des Nachfolgers (Stratege, Finanzinvestor oder MBI).

„Eine Unternehmensnachfolge – gleich, ob intern oder extern, ist ein komplexer Prozess, der weit über die Entscheidung hinausgeht, wer die Firma weiterführen soll und wann der Übergeber aufhören möchte“

Bei der Vorbereitung der Nachfolgesuche, ggf. mit einem M&A Berater, spielen die Ergebnisse der vorgenannten Aspekte eine wesentliche Rolle. Möglicherweise scheidet schon deshalb die eine oder andere Kategorie der Nachfolge aus oder ist nur eingeschränkt möglich. Firma und „Sellers fit“, d. h die Präferenz von Übergebendem bestimmen die Geeignetheit des Nachfolgers. Zu beachten sind auch Aspekte der Geheimhaltung von Firmen-Know-how, die bei einem Verkaufsprozess an einen strategischen Käufer, d. h. in der Regel einen Wettbewerber, ungleich schwieriger als bei den anderen Kategorien zu regeln sind. Andererseits ist bei einem Verkauf an einen Finanzinvestor möglicherweise die Kaufpreisoptimierung leichter zu erreichen als bei einem MBI an einen verdienten langjährigen Mitarbeiter, in unserem Fall den Mitgeschäftsführer von Helga.

„Transaktionsgeschwindigkeit, Kaufpreishöhe und Transaktionssicherheit hängen wesentlich von einer professionellen Vorbereitung ab“

Einige prominente Fälle haben hybride Formen der Nachfolge gezeigt, so z. B. Verkaufen und Führung behalten – der Birkenstock-Fall oder Verkauf der Mehrheit bei interner Übernahme und Rückkauf nach zehn Jahren – der Bizerba Fall (mit BWK und Zurich-Versicherung als Interim-Finanzinvestoren.
Fazit: Eine Unternehmensnachfolge – gleich, ob intern oder extern, ist ein komplexer Prozess, der weit über die Entscheidung hinausgeht, wer die Firma weiterführen soll und wann der Übergeber aufhören möchte. Die wichtigsten Vorbereitungsmaßnahmen greifen tief in den „Maschinenraum“ der Firma ein und umfassen in jedem Fall Satzung, Governance-Aspekte und die essenziellen Kunden- und Lieferantenverträge und die Verträge mit Finanzierungspartnern. Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfordert viele Wochen, in der Regel viele Monate. Der Transferprozess selbst ist fragil und kann vielfach scheitern oder verzögert werden. Transaktionsgeschwindigkeit, Kaufpreishöhe und Transaktionssicherheit hängen wesentlich von einer professionellen Vorbereitung ab.

Der Vortrag war Teil der Veranstaltung des DAV Portugal zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Internationales Wirtschaftsrecht am 30.9.2022 im Goethe-Institut in Lissabon.