Interview mit Claudia Frank
Aufgabe der Position als Stellvertretende Vorsitzende des BAV.
Ich bin seit 1985 als Anwältin zugelassen und genauso lang Mitglied im BAV. Das gehörte damals dazu, wie eine Schreibmaschine oder die Buchhaltung. Relativ schnell habe ich erkannt, dass der BAV viel wichtiger ist als die Kammer, und habe angefangen, mich zu engagieren. Bis ich dann Vize wurde war es ein wirklich langer Weg. Denke ich heute darüber nach, erkenne ich, dass es für Frauen sehr schwer war, sich im Vorstand zu behaupten. Ohne Harald Thiele wäre ich im Streit zwischen zwei Präsidenten „zermahlen“ worden. Doch Harald, schon ewig im Vorstand des BAV, setzte sich für mich ein und so blieb ich, allerdings einige Jahre als einzige Frau und nur im erweiterten Vorstand, genannt Beirat. Unter Herrn Schellenberg wurde es spannend. Er hat viel bewegt und uns „machen lassen“, wenn wir eine gute Idee hatten.
Dr. Astrid Auer-Reinsdorff | Rechtsanwältin Berlin & Lissabon | Fachanwältin für Informationstechnologierecht | Business & IT-Law
Wir mussten uns ja immer schon fortbilden und das war teuer. Außerdem, was will mir ein Richter vom LAG Hamm oder Frankfurt vermitteln, ich möchte die Richter vom LAG Berlin/Brandenburg hören. So habe ich Herrn Schellenberg gebeten, beim BAV Arbeitskreise ins Leben zu rufen.
Die Arbeitskreise Arbeits- und Mietrecht waren die ersten, die der BAV aus der Taufe gehoben hat, und ich freue mich heute noch, dass wir das durchgesetzt haben und es so ein Erfolg wurde. Die Anerkennung nach § 15 FAO kam später, ist aber einfach ganz wunderbar.
Ja, das war und ist ein Highlight. Aber nicht das Einzige.
WIE ES ZUM ENGAGEMENT IN EHRENAMT KAM
Im Laufe der letzten 30 Jahre habe ich mich für viele Ehrenämter engagiert. Ich wollte mich schon immer nicht nur beruflich, sondern sehr gern gesellschaftlich engagieren. Es hat mir tatsächlich viel Einblick in ganz andere Bereiche verschafft. Ich habe gelernt, wie man in einem Verein agieren muss, will man/frau an die Spitze. So wurde ich Präsidentin des Verbandes Deutscher Unternehmerinnen, zwei Jahre nach dem Mauerfall. Allerdings haben mich „Urgesteine“ in diesem Verband regelrecht vertrieben. Damals waren die richtigen Unternehmerinnen im Ostteil der Stadt, diese habe ich unterstützt, und diese hatten für mich auch gewählt. Den alt eingesessenen „West-Frauen“ hat das gar nicht gepasst und ich bin gegangen, enttäuscht, verletzt. Als ich aus dem VDU gemobbt wurde, habe ich gelernt zu kämpfen. Aber auch das ist Geschichte. Doch in Ehrenämtern lernt man so viel Positives und man bleibt offen. Ich war im Vorstand der Stiftung Überleben, ich war im Vorstand vom Golfclub und ehemaligen Arbeitgeberverband und ich habe aus all diesen Ämtern viel mitgenommen und gelernt: Netzwerken. „Ich habe aus all diesen Ämtern viel mitgenommen und gelernt: Netzwerken“ Ich war mir gar nicht darüber im Klaren, dass ich ein Netzwerk aufgebaut habe. Ich habe mich mit den Kollegen im Vorstand, im Arbeitskreis und all denen, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt habe, sehr gut verstanden und daher war der Austausch, auch vor Gericht, viel angenehmer. Ich habe von ihnen gelernt und heute tausche ich mich sehr gern mit den jungen Kolleginnen aus, die „nachgewachsen“ sind. Ich habe erkannt, dass es Spaß macht, viele Sichtweisen kennenzulernen – im wahrsten Sinne „zu lernen von den anderen“.
STATIONEN DES BERUFSLEBENS
Ich war immer nur freischaffende Anwältin. Mir hat die Station beim Staatsanwalt und Strafrichter viel Spaß gemacht. Ich wurde auch angefragt. Aber ich wusste, die Hierarchie bei der Staatsanwaltschaft halte ich nicht aus. Also wurde ich Anwältin und erstmal Pflichtverteidigerin. Ich weiß noch, wie ich mit der Vorsitzenden Richterin am LG sprach und angedeutet habe, mein Mandant sei nicht geschäftsfähig, er habe „eine Macke“. Ich dachte, das sei eine super gute Strategie. Frau Richterin Schwarz sagte zu mir: „Frau Frank, merken Sie sich bitte eines, Strafe vergeht – Macke bleibt.“ Das war dann auch das Ende meiner Karriere als Strafverteidigerin.
Ich hatte nach kurzer Zeit das Angebot eines älteren Kollegen erhalten, mit ihm in Bürogemeinschaft zu arbeiten, und habe von ihm auch einige Fälle bekommen. So lernte ich „Feld, Wald und Wiesen“-Anwältin zu werden. 1986 ging das alles noch, heute undenkbar. Dann wurde ich von einem Bauträger mandatiert. Arbeitsrecht, privates Baurecht, Steuerrecht, alles wurde mir übertragen und ich habe mich zwei Jahre wacker geschlagen. 1988 lernte ich beim Anwaltsessen meinen heutigen Mann kennen. Er arbeitete an seiner Promotion und in der Kanzlei seines Vaters. Als die Mauer fiel und er im Februar 1990 begann, die Rückübertragung von enteigneten Grundstücken zu betreiben, ohne einen blassen Schimmer zu haben, wie es gehen soll, brauchte er Mitstreiter. So kamen wir zusammen und sind es auch geblieben.
ARBEITSKREISE
Wie ich schon sagte, die Arbeitskreise sind eine ganz wunderbare Marketingidee, denn mit einem Jahresbeitrag des BAV kann ich alle FAO-Bescheinigungen erhalten. Ich habe zwei Fachanwaltschaften: Steuer- und Arbeitsrecht. Ich weiß, wie teuer auf dem Gebiet des Steuerrechts diese 15 Stunden Fortbildung sind, daher bin ich so froh, dass ich im Arbeitsrecht davon „befreit“ bin. Außerdem schult es ungemein, selber Vorträge zu halten. Erst kürzlich dachte ich mir, die jungen Kolleginnen sollten viel öfter mal ein Referat halten.
WARUM MITGLIED IM BAV WERDEN
Entweder wir streichen die Verbandstätigkeit ganz oder wir engagieren uns. Das ist wie in der Politik. Eigentlich müssten wir in die Politik gehen, wenn wir mit der jetzigen Regierung nicht zufrieden sind. Das war zu meiner Zeit nicht so einfach, aber beim BAV konnte ich, mit Willensstärke und Engagement, etwas für „uns“ erreichen. Gute Interviews oder Erfahrungsaustausch. Mit der Politik ins Gespräch kommen. Außerdem – der Weg über den BAV führt zum DAV, ein solch starker Dachverband, das ist doch großartig. Wir gehen in die Schulen. Das Engagement ist zeitaufwendig, aber wir müssen das „Recht“ gerade den jungen Menschen nahebringen, ihnen klar machen, wie wichtig ein Rechtsstaat ist. Nicht nur Asien oder die arabischen Staaten, nein, auch in Europa gibt es mittlerweile viele Beispiele, wogegen man als Anwalt/ Anwältin kämpfen muss. Das geht nur im Ehrenamt, als Einzelne wird man nicht wahrgenommen. Die Kammer kann nichts machen, aber wir im Verband können uns für andere Kollegen einsetzen, sie unterstützen, Missstände aufzeigen, indem wir uns austauschen, und das nicht auf irgendeiner Plattform, sondern von Angesicht zu Angesicht. So waren die Veranstaltungen zu den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen in 2015 so voll, dass wir diese wiederholen mussten. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen haben Vormundschaften übernommen. Damit wurde auch das schlechte Bild der Anwaltschaft in der Öffentlichkeit zum Positiven gewendet. Nun, zumindest zeitweise.
WÜNSCHE FÜR DIE ZUKUNFT
Wie schon gesagt, entweder wir streichen es ganz, das Vereinsleben, und ernähren uns von Instagram und Co, oder wir legen Wert auf permanenten Austausch, auf die Möglichkeit, den Finger in die Wunden zu legen. Über andere Verbände Kollegen aus anderen Ländern kennenzulernen. Den Horizont zu erweitern und gemeinsam Projekte auf die Beine zu stellen. Ich hoffe, der Verband wird überleben, sicherlich anders, aber genauso engagiert.
WAS HÄTTE ICH MIR GEWÜNSCHT
Nun, eigentlich gar nichts. Es war ja gut so, für mich. Ich bin „gleichberechtigt“ erzogen worden. Urgroßmutter, Großmutter und Mutter hatten nichteheliche Kinder großgezogen, das machte diese Frauen sehr selbstbewusst. Mir wäre eine Benachteiligung nicht einmal aufgefallen. Ich hatte – leider – auch schon immer eine „große Klappe“. Das war gut. Heute sehe ich sehr vieles anders. Aber ich bin auch „milder und nachsichtiger“ (würde mein Mann abstreiten).
Der Mauerfall hat die Stadt verändert, Wir waren nicht mehr ein kleines Grüppchen, das sich kannte und vor sich hinarbeitete. Energierecht, IT und viele anderen Fachbereiche sind doch erst in den letzten 20 Jahren entstanden, manche erst in den letzten fünf Jahren. „Die berufsrechtliche Auflage, sich als neu zugelassene Anwältin mit den Basics vertraut machen zu müssen, das finde ich ist eine tolle Idee“ Die berufsrechtliche Auflage, sich als neu zugelassene Anwältin mit den Basics vertraut machen zu müssen, das finde ich ist eine tolle Idee. Der BAV bietet es auch an. Das hätte ich mir gewünscht. Ich wurde in die Freiheit entlassen und wusste nichts vom praktischen Leben, beA war 1985 noch nicht mal als Galaxie erkennbar. Ich bat eine ReNo, mir zu zeigen, wie man „stempelt“ – beglaubigte und einfache Abschrift –, wie man die Buchführung macht, was man alles braucht. Selber auf der Elektrischen tippen, dann sogar kopieren, aber erst mal mit Kohlepapier schreiben. Das gibt es heute nicht mehr. Zum Glück!
Doch ich freue mich jeden Tag, diese technische Entwicklung erlebt zu haben und täglich mit ihr zu arbeiten. Videokonferenzen, Telkos, die Online-Verhandlung – leider viel zu wenig von den Richtern forciert – das ist doch großartig. Ich bin immer ganz begeistert über die „Jungen“, die mit dem Handy ihre Kanzlei führen. Ich habe eine elektronische Akte – aber ich drucke mir Schriftsätze, wenn sie länger als drei Seiten sind, aus. Bin wohl zu alt, um mit dem Laptop in die Verhandlung zu gehen. 😀
ANDERS MACHEN?
Eigentlich nichts. Ich hatte schlicht viel Glück. Die Jahre 1990 bis 1995 waren so aufregend, so interessant. Geschichte live zu erleben, ohne Krieg und Entbehrung, das war einmalig. Ich habe ganz wunderbare Menschen kennengelernt. Ich habe mit Mandanten Prozesse geführt, gewonnen und verloren, habe mich in Unternehmensstrukturen eingearbeitet und erkannt, welches Glück ich doch habe, ich muss nicht 30 Jahre am Fließband stehen, und gleichzeitig Hochachtung vor den Menschen, die körperlich schwer arbeiten und damit zufrieden sind. Nein, mein Beruf ist einfach klasse! Nun eines: die Richter, die waren früher besser!
MEINE WÜNSCHE
Geht auf die Kolleginnen und Kollegen zu und wartet nicht, dass sie zu euch kommen. Klärt auf, welche Vorteile, auch finanzieller Art, diese durch eine Mitgliedschaft bekommen. Es zählt der Mensch, tauscht euch aus, gebt auch eure Erfahrung weiter und geht in die Schulen. Kämpft für unseren Rechtsstaat und sorgt für eure Rente. Lasst euch die Versorgungswerke nicht nehmen.