Jahresauftaktsveranstaltung des AK Strafrecht zum Thema „Digitale Forensik“

Am 18. Januar 2023 fand die erste Veranstaltung des Jahres im Arbeitskreis Strafrecht statt. Zum Thema „Digitale Forensik. Die Zukunft der Verbrechensaufklärung“ referierte Prof. Dr. Dirk Labudde, Autor eines Buches mit dem selbigen Titel. Die Thematik lud zu Diskussionen ein. Trotz winterlicher Temperaturen fanden sich am Abend des 18. Januar rund 30 Mitglieder des Arbeitskreises Strafrecht in der bbw-Akademie ein. Thema der ersten Veranstaltung des Jahres war „Digitale Forensik. Die Zukunft der Verbrechensaufklärung“, wobei sowohl über die Zukunft der Spurensammlung und -auswertung gesprochen als auch praktische Fälle diskutiert wurden.

Julia Steinmetz | Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität | 7. Semester

Für die Veranstaltung hatte Rechtsanwalt Thomas Röth, Sprecher des Arbeitskreises Strafrecht, den Bioinformatiker, Forensiker und Professor für Bioinformatik an der Hochschule Mittweida, Prof. Dr. Dirk Labudde eingeladen. Sein im Jahr 2022 veröffentlichtes Buch „Digitale Forensik. Die Zukunft der Verbrechensaufklärung“ diente als Ausgangspunkt seines Vortrags, in dem er einzelne Kapitel thematisch vorstellte.

DER „EWIGE WETTLAUF“ ZWISCHEN KRIMINALITÄT UND POLIZEIARBEIT

Prof. Dr. Labudde setzte den Fokus der Veranstaltung auf Beispiele aus seiner praktischen Arbeit als Forensiker und Gutachter, anhand derer er seine Arbeit für die Zuhörenden besser begreifbar machen wollte. Er begann mit einer kurzen Einleitung in die digitale Forensik und seine Lehrtätigkeit an der Hochschule Mittweida. Grund für die Notwendigkeit einer stärkeren Digitalisierung in der Verbrechensaufklärung sei der „ewige Wettlauf“ zwischen Kriminalität und Polizeiarbeit. Jede Zeit habe ihre Kriminalität und brauche somit auch angepasste Methoden der Aufklärung, wobei er „im Digitalen starte“, also Tatorte digitalisiere.

„Jede Zeit hat ihre Kriminalität und braucht somit auch angepasste Methoden der Aufklärung“

Erstes praktisches Beispiel war ein Tötungsfall im Rockermilieu in Leipzig, bei dem eine Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der Hells Angels und der United Tribunes tödlich endete. Trotz existentem Videomaterial von der Tat gestaltete sich eine Identifizierung der handelnden Personen als herausfordernd, da eine große Menge an Personen am Tatort anwesend war und die Kameras aufgrund eingeschränkter Perspektive nicht die volle Sicht auf das Geschehen geben konnten. Die Aufgabe lautete daher, eine Methode zu entwickeln, mit der eine Identifizierung bzw. ein Wiedererkennen einzelner Personen auf dem Videomaterial besser gelingen konnte. Prof. Dr. Labudde und sein Team entwickelten hierfür eine KI-Software, die die einzelnen im Videomaterial zu erkennenden Personen ortete und zuordnete. Dies wurde in einzelnen Sequenzen der Aufzeichnung vorgenommen. Prof. Dr. Labudde wies jedoch auch darauf hin, wie problematisch der Umgang mit Videomaterial teilweise sein kann. So sehe ein Pullover in der einen Videosequenz blau aus, in einer anderen wieder schwarz, je nachdem ob in der Farbe Blau auch Schwarzanteile vorhanden seien. Eine Identifizierung von Personen nur durch die einfache Sichtung eines Videos sei folglich schwer möglich.

DAS DIGITALE SKELETT ALS INTELLIGENTES, ZUKUNFTSWEISENDES, BILDBASIERTES FORENSIKINSTRUMENT?

Kern der Veranstaltung bildete das Thema des digitalen Skeletts, dessen Entwicklung und Anwendung auf die Gutachtertätigkeit des Referenten beim Prozess um den Diebstahl der Bode-Münze zurückgeht. Ausgangspunkt für die Ermittlung waren auch hier Videoaufnahmen. Die Täter, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten von den Kameras am S-Bahnhof Hackescher Markt aufgenommen wurden, gelangten über die Gleise zum Museum. Eine Identifizierung der Täter nur durch die Sichtung des Videomaterials war jedoch aufgrund fehlender Aufnahmen der Gesichter unmöglich. Auch die deutliche Gangfehlstellung einer Person und die Aufnahme seines Schuhs war forensisch kein Beweis. Prof. Dr. Labudde beschrieb in der Veranstaltung sein Vorgehen als Gutachter in dem Fall und illustrierte dies mit zahlreichem Videound Bildmaterial.

„Die Methode ist keine Identifizierungsmethode, trifft jedoch eine sichere Aussage dahingehend, ob das digitale Skelett und die Person auf dem Video übereinstimmten“

Der im Video abgebildete Bereich des S-Bahnhofs wurde ausgemessen und digital als 3D-Modell nachgebaut. Ebenso wurden die Beschuldigten in dem Prozess vermessen, um ihr Skelett als digitale Version nachzukonstruieren. Diese digitalen Skelette wurden in die digitale Version des Bahnhofs eingebracht, sodass ein Vergleich mit dem realen Videomaterial möglich war. Als Konsequenz konnte festgestellt werden, ob es ein Match zwischen dem digitalen Skelett und der Person auf dem Video gibt. Möglich sei dies laut Prof. Dr. Labudde, weil Skelette unterschiedlicher Menschen nicht übereinstimmten. Die Eintrittswahrscheinlichkeit, dass eine solche Doppelung möglich sei, läge laut ihm bei 10^10, sei also nahezu ausgeschlossen. Die von ihm entwickelte Methode sei keine Identifizierungsmethode, träfe jedoch eine sichere Aussage dahingehend, ob das digitale Skelett und die Person auf dem Video übereinstimmten. Im letzten Drittel der Veranstaltung wurde das im Vortrag gehörte ausgiebig diskutiert und zahlreiche Nachfragen gestellt. Die Berliner Strafverteidiger sahen Probleme unter anderem in der Zuverlässigkeit der Methode und der tatsächlich sicheren Übereinstimmung des digitalen mit dem realen Skelett. Interessiert wurde vor allem nach Sonderkonstellationen und deren Auswirkung auf die Treffsicherheit gefragt, so z.B. einer Verkleidung, einer Verletzung oder starker Gewichtszunahme (-abnahme) einer Person. Was passiere zudem, wenn Personen absichtlich ihren Gang verstellten? Ein Problem wurde zudem in der Zustimmung des Beklagten zu einer für die Methode notwendigen Vermessung (§ 81b StPO) gesehen. Prof. Dr. Labudde ging auf jede Frage im Einzelnen ein, um das Thema aus der wissenschaftlichen Sicht umgehend darzustellen. Erst nach 20 Uhr fand die Diskussion und somit auch die Veranstaltung ein Ende. Ein gelungener Auftakt des Jahres 2023 im Arbeitskreis Strafrecht.

Zur Buchrezension zum Sachbuch „Digitale Forensik. Die Zukunft der Verbrechensaufklärung“ von Prof. Dirk Labudde mit Heike Vowinkel, finden Sie hier.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 03/2023 | 72. Jahrgang