Justizgeflüster

Ein Rundgang zu Orten der Justiz in Berlins Mitte

Die historische Mitte Berlins zieht mit ihren berühmten Sehenswürdigkeiten Besucher aus aller Welt in ihren Bann. Doch neben Prachtbauten und touristischen Klassikern bietet sie auch Einblicke in ein weniger bekanntes, aber ebenso spannendes Kapitel der Stadtgeschichte: die Entwicklung von Recht und Justiz. Genau das zeigt dieser Rundgang, der sich an unserem Buch „Justizgeflüster. Berliner Gerichte und Gefängnisse“ orientiert.

Arne Krasting | Alexander Vogel | Kontakt: Zeitreisen GbR | Arne Krasting | E-Mail: ak@zeit-reisen.de

Die Stadterkundung beginnt am Gendarmenmarkt, der nach langer Baustellenzeit endlich wieder vollständig zugänglich ist. In den Jahren der Revolutionszeit von 1848 war der prächtige Platz immer wieder Schauplatz von Kundgebungen, auf denen eine unabhängige, rechtsstaatliche Justiz gefordert wurde.

„Ein weniger bekanntes, aber ebenso spannendes Kapitel der Stadtgeschichte: die Entwicklung von Recht und Justiz“

Von der Vergangenheit führt uns der Weg in die Gegenwart – entlang der Mohrenstraße. In einem Gebäudekonglomerat, bestehend aus mehreren ehemaligen Modekaufhäusern, Plattenbauten der DDR und einem Neubau sitzt seit 1999 das Bundesministerium für Justiz. Auch deutsche Geschichte wurde hier geschrieben: Das damalige Presseamt der DDR war Schauplatz der denkwürdigen Pressekonferenz vom 9. November 1989. Im Eingangsgebäude des Ministeriums erinnert eine auch von außen sichtbare Kunstinstallation an diesen Tag.

Ein paar Meter weiter am Hausvogteiplatz zeugt nur noch der Name vom einstigen Sitz der Hausvogtei. Dieser Ort der Hofgerichtsbarkeit war Adeligen und anderen Privilegierten vorbehalten, für normale Bürger waren Stadtgericht und Stadtvogtei zuständig. 1750 zog die Hausvogtei in die ehemaligen Stallungen der alten Festungsanlagen, bis sie 150 Jahre später abgerissen wurde.

Auf dem Weg zum Nikolaiviertel lohnt ein Abstecher in die Brüderstraße 10 zum Galgenhaus, einem der wenigen erhaltenen Bürgerhäuser aus dem 17. Jahrhundert. Hier wurde 1735 eine Dienstmagd wegen des Diebstahls eines silbernen Löffels öffentlich gehängt. Nach dem Tod stellte sich ihre Unschuld heraus.

Wer über das Kopfsteinpflaster des Nikolaiviertels schlendert, sollte ab und zu den Blick heben – denn an der Poststraße 28 lugt ein freches Fabelwesen hervor: mit Menschenblick, Eselsohren und Vogelkörper mustert es die Vorbeigehenden mit spöttischem Grinsen. Es ist der Kaak, Sinnbild von Schande und Spott. Er stand einst über dem Pranger der Gerichtslaube, legendärer Ort der Rechtsprechung seit dem Mittelalter. Das heutige Gebäude ist eine freie Rekonstruktion der Gerichtslaube. Das gotische Original wurde 1871 in den Schlosspark Babelsberg versetzt.

Vom Nikolaiviertel geht es über den stark befahrenen Mühlendamm zu einem der ältesten Plätze Berlins: dem Molkenmarkt. Heute macht er vor allem als Dauerbaustelle von sich reden – immer wieder treten dabei kuriose Funde ans Tageslicht. Einst befand sich hier die Stadtvogtei mit dem Polizeipräsidium, den Strafabteilungen des Berliner Stadtgerichts und einem Gefängnis. Erhalten geblieben ist lediglich das barocke Palais Schwerin. Vom zweiten Stockwerk aus führte einst ein langer, schmaler Gang – die sogenannte „Kegelbahn“ – direkt zum Gefängnis. Heute hat das Deutsch- Französische Jugendwerk seinen Sitz in dem Gebäude.

Vorbei am Alten Stadthaus und entlang der Jüdenstraße erreichen wir die Littenstraße, die seit 1951 an den Rechtsanwalt Hans Litten erinnert. Litten war ein entschiedener Gegner des NS-Regimes und starb 1938 im Konzentrationslager Dachau.

„Ein tolles Haus mit der Atmosphäre eines Tanzlokals“

Unser Rundgang endet an einem Gebäude, von dem einst auch offiziell nur als „Justizpalast“ gesprochen wurde. 1904 fertiggestellt, war es eines der größten Gebäude Berlins. Mehr als fünf Kilometer lang zogen sich die Gänge durch das Gebäude. Einige der Gänge sind zwar den Straßenplanungen der 1960er-Jahre zum Opfer gefallen. Aber betritt man das Gebäude an der Littenstraße, dann muss man der Gerichtsreporterin Gabriele Tergit zustimmen: „Ein tolles Haus“, schwärmte sie und sprach von der „Atmosphäre eines Tanzlokals“. Getanzt wird hier zwar nicht, aber immerhin gibt es eine öffentlich zugängliche Kantine, die sich großer Beliebtheit erfreut. Und wer den Rundgang gemütlich ausklingen lassen möchte, findet nur wenige Meter weiter eines der ältesten Restaurants Berlins. Passend zur Umgebung trägt es heute den Namen „Zur letzten Instanz“ – ein Name, den das Lokal jedoch erst nach der Errichtung des Gerichts an der Littenstraße erhielt.

Das Buch „Justizgeflüster. Gerichte und Gefängnisse in Berlin“ (Berlin, 2022) kann direkt bei den Autoren erworben werden. Die Teilnehmer des Deutschen Anwaltstags 2025 oder einer Veranstaltung des Berliner Anwaltsvereins erhalten einen Rabatt und können das Buch für 20,00 statt 24,80 beziehen. Die beiden Autoren bieten auch Touren zu diesem Thema an.

Amtsgericht in der Littenstraße
© Arne Krasting

Amtsgericht Littenstraße Foyer
© Arne Krasting

Amtsgericht Littenstraße Kuppel
© Arne Krasting

Heft 06 | 2025 | 74. Jahrgang