Klimaschutz geht nur gemeinsam

Auswirkungen auf Homeoffice und Kanzleimanagement.

I. KLIMABESCHLÜSSE DES BVerfG UND DAIMLER-KLAGE

1. Aktualität für Kanzleien

Der Klimabeschluss des BVerfG vom 24.3.2021 ist immer noch in aller Munde und muss auch von den Kanzleien aufgegriffen werden. Das gilt vor allem für diejenigen, die Mandate zu diesem Bereich haben oder auch nur Berührungspunkte zum Klimaschutz. § 13 KSG gibt eine umfassende Berücksichtigung von Klimabelangen in anderen rechtlichen Bereichen vor.1Näher Schink in Frenz (Hrsg.), Gesamtkommentar Klimaschutzrecht, 2. Aufl. 2022, § 13 KSG Rn. 1 ff. Zudem müssen sich Kanzleien selbst hinsichtlich ihres Verhaltens und der für sie zu ziehenden Konsequenzen mit dem Klimabeschluss des BVerfG auseinandersetzen.

Claudia Philipp | Rechtsanwältin und Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht | Businesscoach für Juristinnen | www.innerjourneys.de
Prof. Dr. Walter Frenz | RWTH Aachen University | LFG Berg-, Umwelt- und Europarecht (BUR)

2. Nur Verpflichtung des Staates

Allerdings hat der Klimabeschluss des BVerfG die staatliche Gewalt im Visier: Sie ist aus den Freiheitsgrundrechten nachfolgender Generationen i.V.m. dem aus Artikel 20a GG abgeleiteten Klimaschutzgebot dazu verpflichtet, die CO2-Emissionen langfristig und wirksam zu reduzieren.2BVerfG v. 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021:rs20210324. 1bvr265618, Rn. 182 ff., 192 ff., 249 – Klimabeschluss. Allerdings bedarf es hierzu einer Gesamtkonzeption, die durch den Bundesstaat vorzunehmen ist. Daher waren Klimaklagen gegen Länder erfolglos, welche ihrerseits keine CO2-Reduktionspflichten festgelegt bzw. Klimaschutzpläne aufgestellt haben.33BVerfG v. 18.1.2022 – 1 BvR 1565/21, 1 BvR 1566/21 u. a., ECLI:DE:BVerfG: 2022:rk20220118.1bvr156521.

„Kanzleien haben keine unmittelbare Klimaschutzpflicht, wohl aber eine faktische“

Insbesondere gibt es keine unmittelbar wirkenden Klimapflichten zulasten Privater. Diese und damit auch Kanzleien müssen erst über staatliche Maßnahmen in die Pflicht genommen werden, wie das LG Stuttgart in der Daimler-Klage betonte.4LG Stuttgart v. 13.9.2022 – 17 O 789/21, NVwZ 2022, 1663, Rn. 26. Sie werden aber schon wegen der Außenwirkung kaum um Klimaschutzmaßnahmen herumkommen.

II. FOLGEN FÜR KANZLEIEN

Konkret stellt sich für Kanzleien etwa die Frage, ob Räume nur noch begrenzt zu beheizen sind, weil für öffentliche Gebäude 19 Grad Celsius Raumtemperatur vorgegeben sind.
Ein wichtiger Beitrag zum Energiesparen ist auch das Homeoffice. Neben dem Heizen der Räume in den Kanzleien kann ein großer Beitrag zum Energiesparen geleistet werden, indem das Pendeln wegfällt. Zwar besteht insoweit auch keine Pflicht der Kanzleien. Zudem werden auch schwerlich Mitarbeitende zum Homeoffice umfassend verpflichtet werden können, ist doch bislang das Arbeiten in Büroräumen gerade der Normalfall gewesen. Indes werden hier betriebliche Organisationsregelungen zu finden sein.
Ebenso ist auch das Kanzleimanagement, dass aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung weitreichende Veränderungsprozesse auslöst, in diesem Kontext zu berücksichtigen. Denn neben der Umstellung auf eine papierlose Büroorganisation verändern sich durch die weitere Automatisierung von Arbeitsabläufen sowohl die Tätigkeiten von Anwälten als auch der Kanzleimitarbeiter und dürfen sich neu finden.
Ein weiterer Punkt sind Dienstreisen. In vielen Behörden sind Inlandsflüge verboten. Sie werden jedenfalls nicht erstattet. Eine entsprechende Regelung bietet sich möglicherweise auch für Kanzleien an. Generell ist zu prüfen, inwieweit Dienstreisen heutzutage angesichts der Möglichkeiten mit Internet gleichwohl nötig sind.
Im Hinblick auf die Energie bedarf es Kosteneinsparungen. Dabei ergibt sich eine wichtige Vorbildfunktion sowohl für neue Mitarbeiter als auch für Mandanten, die auch kundenwerbend sein kann. Allerdings sind hier Felder für innerbetriebliche Konflikte vorprogrammiert, wenn unterschiedliche Vorstellungen bestehen. Hier bedarf es der Erarbeitung gemeinsamer Konzepte.

III. KONFLIKTPOTENTIAL

Die aufgezeigten Folgen, die mit einer klimaschutzkonformen Umstellung von Kanzleibetrieben einhergehen, bergen ein hohes Konfliktpotenzial, weil sie nachhaltige Veränderungen von Arbeitsabläufen und des gesamten Kanzleimanagements erfordern und sich damit unmittelbar auf den Arbeitsalltag auswirken, was unterschiedliche Gefühle wie Angst, Wut und Traurigkeit bei den Betroffenen auslöst, mit denen es einen Umgang zu finden gilt. Werden diese Gefühle und die damit verbundenen Bedürfnisse nicht geäußert, sondern unterdrückt, findet eine unbewusste Entladung in der Kommunikation statt, die zu Konflikten untereinander führt.

„Um Konflikte zu verhindern, gilt es, eine gemeinsame Kanzleistrategie unter Berücksichtigung der sich zeigenden Bedürfnisse zu erarbeiten“

Um Konflikte zu verhindern oder ihnen vorzubeugen, gilt es, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der Gefühle gezeigt werden dürfen. Leichter gesagt, als getan. Denn bereits das bewusste Wahrnehmen der eigenen Gefühle stellt eine Herausforderung dar. Warum ist das so?
Von klein an lernen wir, dass wir nicht weinen sollen, wenn etwas weh tut und wir keine Angst zu haben brauchen, wenn uns etwas gruselt. Werden wir erwachsen, ist ein „Alles gut!“ auf die Frage, wie es uns geht, die gewünschte Antwort, und im Laufe der Jahre entwickeln wir Strategien, um uns von unseren Gefühlen abzulenken, sei es durch Alkohol- oder Drogenkonsum, übermäßiges Arbeiten, übermäßigen Sport oder Fernsehen. All das führt dazu, dass es uns schwerer fällt, unsere Gefühle wahrzunehmen.
Hinzukommt, dass es in der juristischen Arbeitswelt darum geht, unverwundbar zu sein und keine Fehler machen zu dürfen. Dazu passt es nicht, zu viel zu fühlen. Die Auswirkungen sind alarmierend. Studien zeigen, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte stärker als die Durchschnittsbevölkerung unter Stress, Angstzuständen, Depressionen und psychischen Störungen leiden.

IV. LÖSUNG

1. Neue Sichtweise auf die eigenen Gefühle

Um einen neuen und bewussten Zugang zu seinen Gefühlen zu erhalten, hilft es, die eigene Sichtweise auf seine Gefühle zu ändern, weil gerade Wut, Angst und Traurigkeit regelmäßig als negativ wahrgenommen werden. Wer seine Gefühle dagegen als neutrale Informationen betrachtet, kann sie als Ressource für sich nutzen. So kann Angst dabei helfen, achtsamer zu sein und kreativ zu werden, Traurigkeit dazu beitragen, sich mit anderen zu verbinden und etwas loszulassen. Wut hilft, in die Kraft zu kommen und sich abzugrenzen, und mit Freude kann man sich und andere motivieren. Voraussetzung dafür, dass Gefühle als eine solche Ressource genutzt werden können, ist es zu fühlen. Wer einen bewussten Zugang zu seinen Gefühlen entwickelt, kann auch seine dahinter liegenden Bedürfnisse erkennen.

2. Mediation und GFK als Methoden zur Konfliktbewältigung

Genau dies ist die elementare Basis dafür, um Konflikte bewältigen zu können, was sich auch bei einer genaueren Betrachtung von Mediation und gewaltfreier Kommunikation als anerkannte Methoden zur Konfliktbewältigung zeigt. Unter Mediation ist gemäß § 1 Abs. 1 Mediationsgesetz (MediationsG) ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren zu verstehen, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ist ein von dem Psychologen und Mediator Marshall B. Rosenberg entwickeltes Handlungskonzept, welches das Ziel verfolgt, eine wertschätzende Beziehung zu entwickeln, die mehr Kooperation und gemeinsame Kreativität im Umgang miteinander ermöglicht.

3. Struktur beider Methoden

Sowohl bei der Mediation als auch bei der GFK werden verschiedene Phasen durchlaufen, die einander ähneln und sich gut kombinieren lassen. Während bei der Mediation nach einleitenden Grundsätzen zur Verfahrensweise zunächst die Sichtweise der Parteien neutral aufgenommen werden, geht es bei der GFK im ersten Schritt darum, die Beobachtung der konfliktauslösenden Situation ohne Bewertung zu schildern. Kernstück ist dann bei beiden Methoden das Herausarbeiten der mit der Wahrnehmung der Situation bzw. Sichtweise verbundenen Gefühle als auch der dahinter liegenden Bedürfnisse. Bei der Mediation werden hieraus dann Lösungsansätze entwickelt, die im Anschluss in einem Mediationsvertrag festgehalten werden. Bei der GFK wird eine konkrete Bitte formuliert, die aus dem Bedürfnis entsteht und im Hier und Jetzt erfüllbar ist.

V. AUSBLICK

Auf Basis dieser Methoden und ihrer Strukturierung können in der Kanzlei gemeinsame Gespräche organisiert werden, die dann nicht nur für Klimaschutzbelange für eine Klimaveränderung genutzt werden können. So gelingt Klimaschutz in Kanzleien gemeinsam mit positiver Wirkung nach innen und nach außen. Diese und andere Fragen werden ausführlich auf dem Deutschen Anwaltstag 2023 in der Präsenzveranstaltung: „Klimaschutz geht nur gemeinsam“ am Donnerstag, 15. Juni, 15:45–17:45 Uhr erörtert und diskutiert. Auf Ihre Teilnahme freuen wir uns.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 06/2023 | 72. Jahrgang
  • 1
    Näher Schink in Frenz (Hrsg.), Gesamtkommentar Klimaschutzrecht, 2. Aufl. 2022, § 13 KSG Rn. 1 ff.
  • 2
    BVerfG v. 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 u. a., ECLI:DE:BVerfG:2021:rs20210324. 1bvr265618, Rn. 182 ff., 192 ff., 249 – Klimabeschluss.
  • 3
    3BVerfG v. 18.1.2022 – 1 BvR 1565/21, 1 BvR 1566/21 u. a., ECLI:DE:BVerfG: 2022:rk20220118.1bvr156521.
  • 4
    LG Stuttgart v. 13.9.2022 – 17 O 789/21, NVwZ 2022, 1663, Rn. 26.