Künstliche Intelligenz: Gekommen, um zu bleiben
Herausforderungen für das Urheberrecht und die Kreativbranche
Ob generative künstliche Intelligenz („KI“) kreatives Schaffen für alle zugänglich macht oder in Teilen menschliche Kreativität durch KI-Ausgaben („Output“) ersetzt, wird heftig diskutiert. Es gilt, technische Innovation mit menschlicher Kreativität in Einklang zu bringen. Das Urheberrecht ist hierfür der zentrale Mechanismus und gibt zugleich den rechtlichen Rahmen für alle Akteure vor. Es ist daher auch ein Kernelement der anwaltlichen Beratung, sei es für die Rechtewahrnehmung von Kreativen, die rechtssichere Nutzung von KI und deren Output oder für das rechtskonforme Agieren von Entwicklern, Anbietern und Betreibern von KI.


Christiane Stützle | Rechtsanwältin, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht | Christiane Stuetzle | Morrison Foerster
Susan Bischoff, Ass. iur., LL.M. (Glasgow) | Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Morrison & Foerster LLP
I. DIE NEUE KI-VERORDNUNG
Mit der europäischen Verordnung über künstliche Intelligenz („KI-VO“, „AI Act“) ist am 1. August 2024 die weltweit erste umfassende Regulierung von KI in Kraft getreten.1Verordnung (EU) 2024/1689 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz. KI wird entlang einer risikobasierten Kategorisierung adressiert: (i) verbotene KI-Praktiken mit inakzeptablen Risiken, (ii) Hochrisiko-KI-Systeme mit erheblichen Risiken, (iii) KI mit beschränkten Risiken, betreffend KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck (general-purpose AI, „GPAI-Modelle“, einschließlich generativer KI) und KI-Systeme mit besonderem Transparenzbedarf, und (iv) KI unterhalb dieser Risikoschwellen mit dem Vorschlag zur freiwilligen Teilnahme an Verhaltenskodizes.
Als horizontale Produktregulierung sah die KIVO zunächst keine Vorschriften mit Relevanz für das Urheberrecht und die Kreativbranche vor. Generative KIAnwendungen wie ChatGPT und Midjourney brachten jedoch drängende gesellschaftspolitische Fragen auf die Agenda. In letzter Minute wurden in die KI-VO einige wenige Vorschriften zum Schutz von Urhebern, deren Werke zum Trainieren von KI verwendet werden, und von Nutzern, die Transparenz darüber erhalten sollen, wenn sie mit einem KI-System interagieren und wenn ein Inhalt von einem KI-System generiert wurde, aufgenommen, denen in ihrer Auswirkung nunmehr große Bedeutung zukommt.
II. URHEBERRECHTLICHE IMPLIKATIONEN
1. Urheberrechtliche Relevanz der KI-VO
Eine urheberrechtliche Dimension haben zwei Pflichten der Anbieter von GPAI-Modellen, die grundsätzlich bereits am 2. August 2025 in Kraft treten und zu deren Konkretisierung unter Federführung des neu eingerichteten KI-Büros (AI Office) derzeit Praxisleitfäden (Codes of Practice) zusammen mit Branchenvertretern unterschiedlicher Interessenskreise (Stakeholder) erarbeitet werden.2Im Detail zu diesen Pflichten Goldstein/Stützle/Bischoff, Copyright Compliance With the EU AI Act—Extraterritorial Traps for the Unwary, 11.6.2024, https://www.bloomberglaw.com/external/document/X5IQKDK000000/ tech-telecom-professional-perspective-copyright-compliancewith-. Bis zur Veröffentlichung harmonisierter Normen können sich die Anbieter auf die Leitfäden stützen, um die Einhaltung ihrer Pflichten aus der KI-VO nachzuweisen. Diese Anbieter müssen eine „Strategie zur Einhaltung des Urheberrechts der Union und damit zusammenhängender Rechte […] auf den Weg bringen“.3Art. 53 Abs. 1 lit. c KI-VO. 4 In die zu beachtenden Rechtspositionen schließt die Vorschrift ausdrücklich die Rechtsvorbehalte („Opt-Out“) von Urheberrechtsinhabern im Hinblick auf die Schranke für das sog. Text- und Data-Mining („TDM“) ein, das bei der Erhebung großer Mengen von Trainingsdaten eine zentrale Rolle spielt. Überraschend ist der Hinweis in einem nicht bindenden Erwägungsgrund, dass diese Vorbehalte sogar dann zu beachten sind, wenn das Training außerhalb der EU stattfindet – und damit außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der europäischen TDM-Schranke und der für sie erklärten Opt-Outs.4Erwägungsgrund 106 S. 3 KI-VO. Wegen des Territorialitätsprinzips dürfte es sich dabei nicht um eine räumliche Ausweitung des europäischen Urheberrechts handeln, sondern um eine mittelbare Ausweitung seiner Relevanz über eine Produktanforderung für GPAI-Modelle, die auf dem europäischen Markt in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden sollen. Des Weiteren müssen die Anbieter eine „hinreichend detaillierte Zusammenfassung“ der für das Training verwendeten Inhalte veröffentlichen, was nicht auf die Offenlegung aller Milliarden von Daten abzielt, aber der wichtigsten Datensätze.55 Art. 53 Abs. 1 lit. d, Erwägungsgrund 107 S. 2 KI-VO. Das KI-Büro wird hierfür eine Vorlage bereitstellen. Bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen die Pflichten drohen Geldbußen in Höhe von bis zu drei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des Anbieters oder bis zu 15 Millionen Euro, je nachdem, welcher Betrag höher ist.6Art. 101 Abs. 1 lit. a KI-VO. Zweck und Bedeutung dieser Pflichten verdeutlicht ein Blick auf die urheberrechtliche Brisanz des KI-Trainings.
2. Urheberrechtliche Implikationen auf der Input-Ebene
2.1 TDM und Opt-Out
Für das Trainieren von KI-Modellen werden auf der sog. Input-Ebene überwiegend im Internet frei zugängliche Inhalte im Weg des Text- und Data-Minings mittels Web- Scraping verwendet. Praktisch relevant hierfür sind die TDM-Schranken, sowohl für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung (§ 60d UrhG; Art. 3 DSM-Richtlinie)7Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt. als auch für sonstige, auch kommerzielle Zwecke (§ 44b UrhG; Art. 4 DSM-Richtlinie). Auf deren Grundlage ist TDM grundsätzlich gestattet, bezogen auf kommerzielle Zwecke allerdings nur, soweit kein maschinenlesbares Opt-Out (Wirkung ex nunc) von dem jeweiligen Rechteinhaber erklärt worden ist. Inwieweit Vervielfältigungshandlungen i. S. d. § 16 Abs. 1 UrhG stattfinden und von den Schrankenregelungen umfasst sind, ist rechtlich wie technisch nicht abschließend geklärt. Die Anwendbarkeit der bereits im Jahr 2019 geschaffenen TDM-Schranken auf Vervielfältigungen zum Zweck des Trainings von generativer KI wird insbesondere von Seiten der Kreativschaffenden unter Verweis auf die TDM-Definition8Es wird argumentiert, dass generative KI über die Analyse von Daten zur Gewinnung von Informationen etwa über Muster, Trends und Korrelationen (Art. 2 Nr. 2 DSM-Richtlinie) hinausgeht. und den technischen Kenntnisstand des Gesetzgebers teilweise verneint,9Besonders hervorzuheben ist das im Auftrag der Initiative Urheberrecht angefertigte Gutachten „Urheberrecht und Training generativer KI-Modelle“ von Dornis/Stober, https://www.nomos-elibrary.de/ 10.5771/9783748949558/urheberrecht-und-training-generativerki- modelle?page=1. überwiegend aber auch mit Blick auf den expliziten Verweis der KI-VO auf die kommerzielle TDMSchranke bejaht. Eine erste gerichtliche Einschätzung durch das LG Hamburg im September 2024 spricht ebenfalls für eine Anwendbarkeit der Schrankenregelungen.10LG Hamburg v. 27.9.2024 – 310 O 227/23.
Das Hamburger Urteil im Rechtsstreit des Fotografen Robert Kneschke gegen den gemeinnützigen Verein LAION, der Open-Source-KI-Trainingsdatensätze bereitstellt, hat die Bedeutung der wissenschaftlichen TDM-Schranke gestärkt.11Umfassend zu diesem Urteil Goldstein/Stützle/Bischoff, Kneschke vs. LAION – Landmark Ruling on TDM exceptions for AI training data, 13.11.2024, https://copyrightblog.kluweriplaw.com/2024/11/13/kneschkevs- laion-landmark-ruling-on-tdm-exceptions-for-ai-training-data-part-1/; 14.11.2024, https://copyrightblog.kluweriplaw.com/2024/11/14/kneschkevs- laion-landmark-ruling-on-tdm-exceptions-for-ai-training-data-part-2/.Diese lässt das Gericht zugunsten von LAION gelten, obgleich die Datensätze auch von kommerziellen KI-Anbietern genutzt werden, mit denen auch personelle Verflechtungen bestehen. Ferner bestätigt das Urteil in einem umfangreichen obiter dictum die grundsätzliche Anwendbarkeit der kommerziellen TDMSchranke und beleuchtet, wann ein Opt-Out für Online- Inhalte „maschinenlesbar“ im Sinne der Norm ist und damit das Schrankenprivileg für das TDM wirksam entfallen lässt. Die überwiegende Auffassung versteht hierunter Erklärungen in Form von robots.txt oder Metadaten, wohingegen das LG Hamburg dazu tendiert, auch in „natürlicher“ menschlicher Sprache verfasste Vorbehalte auf einer Website genügen zu lassen. Die Berufung ist beim OLG Hamburg anhängig. In den USA steht – auch in den zahlreichen Gerichtsverfahren zwischen Inhalteanbietern wie der New York Times und KI-Anbietern – die „Fair Use“-Doktrin im Mittelpunkt.
2.2 Transparenz mit Blick auf Trainingsdaten (Zusammenfassung und Copyright Policy)
Für Anbieter von GPAI-Modellen gilt mit Blick auf die KI-VO, dass sie (i) eine Zusammenfassung der Trainingsdaten bereithalten müssen, die hinreichend detailliert ist und zugleich die Wahrung von vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen sicherstellt, und ferner (ii) eine Copyright Policy, die sicherstellt, dass TDM Opt- Outs berücksichtigt werden.1212 Art. 53 Abs. 1 lit. c, lit. d KI-VO.
3. Urheberrechtliche Implikationen auf der Output-Ebene
Weder die KI-VO noch die DSM-Richtlinie enthalten Regelungen für die sog. Output-Ebene, also das Ergebnis, das ein KI-System für den Nutzer nach Eingabe eines Befehls („Prompt“) generiert. Daher ist sowohl für die Beurteilung der Frage, ob KI-Output urheberrechtlich schutzfähig sein kann, als auch für die Frage, ob und wer die Verantwortung für im KI-Output enthaltene und erkennbare vorbestehende Werke trägt, auf die allgemeinen Regelungen des Urheberrechts zurückzugreifen. 3.1 Schutzfähigkeit von KI-Output? Urheberrechtlicher Werkschutz kommt nur für persönliche geistige Schöpfungen in Betracht, § 2 Abs. 2 UrhG, und Urheber ist nach dem Schöpferprinzip des § 7 UrhG nur der Schöpfer des Werkes. Eine solche Schöpfung setzt die Tätigkeit einer natürlichen Person voraus. Ein KI-Modell oder -System ist kein Schöpfer, der Output daher keine schöpferische Leistung der KI. Auch in Bezug auf den Nutzer ist häufig zu attestieren, dass der Prompt als bloße Handlungsanweisung für die KI fungiert. Zwar können Prompts selbst schutzfähig sein, was im Wege einer Einzelfallbetrachtung zu eruieren ist. Im Hinblick auf den Output als Schöpfung des KI-Nutzers müsste die Eingabe aber so umfassend und präzise sein, dass faktisch keine andere Ausgabe als die erfolgte denkbar gewesen wäre – was schwer vorstellbar ist. Denkbar ist dagegen, dass der Nutzer den initialen Output durch weitere Prompts immer weiter verfeinern lässt oder selbst bearbeitet. Je nach schöpferischem Beitrag kann so durchaus ein Werk des KI-Nutzers entstehen. So sieht es auch das Copyright Office in den USA.13Auch in den USA entsteht der Urheberrechtsschutz automatisch mit der Schaffung des Werkes. Urheberrechtsverletzungen können gerichtlich aber nur für Werke geltend gemacht werden, die beim Copyright Office registriert sind. Nur ein Produkt menschlicher Kreativität ist schutzfähig und „Human Authorship“ kommt für „Non-humans“ nicht in Betracht.14United States Copyright Office, Copyright Registration Guidance: Works Containing Material Generated by Artificial Intelligence, 16.3.2023, https://www.copyright.gov/ai/ai_policy_guidance.pdf. Entscheidend sei, ob der Mensch für die Werkteile verantwortlich zeichnet, in denen sich traditionell eine menschliche Schöpfung manifestiert. Die konkrete Grenze zwischen nicht registrierungsfähigen „maschinellen“ Produktionen und registrierungstauglichen Mischformen mit menschlichem Beitrag werden durch öffentlichkeitswirksame Fälle wie Thaler v. Perlmutter austariert.15United States District Court for the District of Columbia, Thaler v. Perlmutter, Case 1:22-cv-01564-BAH, 18.8.2023.
„Nur ein Produkt menschlicher Kreativität ist schutzfähig und „Human Authorship“ kommt für „Non-humans“ nicht in Betracht“
Für Anschlussverwendungen von KI-Output können verwandte Schutzrechte zur Verfügung stehen, die den wirtschaftlichen und organisatorischen Aufwand der Herstellung eines fixierten Gesamtwerks belohnen; für die Leistungsschutzrechte der Film- und Tonträgerhersteller ist es unerheblich, ob der Inhalt menschlichen oder künstlichen Ursprungs ist.16§§ 85, 94 UrhG.
3.2 Haftung für KI-Output
Wofür die auf der Input-Ebene geltenden TDM-Schranken unstreitig keine Abhilfe schaffen können, ist KIOutput, in dem geschützte Inhalte erkennbar sind, ohne dass die entsprechenden Rechte vom jeweiligen Rechteinhaber eingeräumt wurden. Ob im Urheberrecht verankerte Kreativschranken wie Pastiche, Parodie, Zitat oder Karikatur eingreifen können, hängt ebenso wie die Verantwortlichkeit für solchen Output wesentlich davon ab, wem dieser zuzurechnen ist – dem Nutzer, der durch seinen Prompt die Tätigkeit der KI ausgelöst hat und/oder dem KI-Anbieter, da die KI letztlich nur solche Drittinhalte ausgeben kann, mit denen das Modell trainiert wurde. Auch das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft und der Schutz vor Entstellung des Werkes17§§ 13, 14 UrhG. können auf der Output-Ebene relevant werden. Insgesamt bestehen erhebliche Rechtsunsicherheiten für KI-Output und signifikante Haftungsrisiken für die Weiterverwendung. Vorsicht ist nicht zuletzt für eine Verwendung in Filmproduktionen geboten, die aufgrund der Vielzahl Beteiligter schon bei ausschließlich menschlichen Beiträgen anfällig für lückenhafte Rechteketten mit potenziell verheerenden Rechtsfolgen für die gesamte Filmauswertung sind.
III. TRANSPARENZ GEGENÜBER REZIPIENTEN VON KI-INHALTEN (KENNZEICHNUNGSPFLICHTEN)
Für „synthetische“ Audio-, Bild-, Video- und Textinhalte gilt schließlich eine Kennzeichnungspflicht gegenüber Rezipienten der Inhalte.18Art. 50 Abs. 2 KI-VO. Die Pflicht gilt ab dem 2.8.2026. Wird beispielsweise eine Hauptrolle in einem Film mit einem prominenten Schauspieler besetzt und beworben, tatsächlich spielt aber der Schauspieler nicht selbst, sondern sein digitales Replikat, so muss dies im Sinne der Transparenz gekennzeichnet werden. Eine Ausnahme gilt für KI-Systeme und Anwendungen mit lediglich unterstützender Funktion bei Standardbearbeitungen, zu denken ist hierbei insbesondere an Verbesserungsmaßnahmen in der Postproduktion. Die Kennzeichnungspflicht trifft den Anbieter19Art. 3 Nr. 3 i. V. m. Nr. 9 – 12 KI-VO definiert den Anbieter. des KISystems. Die Betreiber20Art. 3 Nr. 4 KI-VO definiert den Betreiber von KI-Systemen hingegen werden bei Deepfakes zur Offenlegung verpflichtet, d. h. bei der künstlichen Erzeugung oder Manipulation von Bild-, Ton- oder Videoinhalten, die realen Personen, Gegenständen, Orten, Einrichtungen oder Ereignissen ähneln und einer Person fälschlicherweise als echt oder wahrheitsgemäß erscheinen würden.21Art. 50 Abs. 4, Art. 3 Nr. 60 KI-VO. Die Pflicht gilt ab dem 2.8.2026. Ein Hinweis, der die Darstellung oder den Genuss des Werkes nicht beeinträchtigt, genügt, wenn der Deepfake Teil eines „offensichtlich künstlerischen, kreativen, satirischen, fiktionalen oder analogen Werks“ ist, was in der Praxis freilich Subsumtionsprobleme bedingt. Bei Verstößen sehen sich Anbieter und Betreiber Geldbußen von bis zu 15 Millionen Euro oder, wenn sie Unternehmen sind, von bis zu drei Prozent des gesamten weltweiten Jahresumsatzes ausgesetzt, je nachdem, welcher Betrag höher ist.22Art. 99 Abs. 4 lit. g KI-VO.
IV. ERSTE MARKTENTWICKLUNGEN
Branchenlösungen spielen eine Schlüsselrolle und so überrascht es nicht, dass gegenwärtig über 1000 Branchenvertreter aller Seiten mit dem AI Office die Praxisleitfäden verhandeln und entwerfen. Diese Codes of Practice sollen bis zum April 2025 fertiggestellt werden und Rechtssicherheit auch zu offenen rechtlichen und technischen Fragen schaffen.
„Auch Akteure der tangierten Interessenskreise suchen bilaterale Kooperationsmöglichkeiten“
Parallel dazu suchen auch Akteure der tangierten Interessenskreise bilaterale Kooperationsmöglichkeiten. So verkündeten Axel Springer und OpenAI im Dezember 2023 eine globale Partnerschaft im Bereich KI-Technologien und Journalismus. Anbieter wie Getty Images oder Adobe (Firefly) setzen für ihre KI-Anwendungen auf Trainingsdaten mit geklärten Nutzungsrechten, etwa aus eigenen Archiven, individuell oder unter Creative Commons lizenziert. Verwertungsgesellschaften wie die VG Wort erweitern ihre Wahrnehmungsverträge um KINutzungsrechte. Weiterhin gibt es Forderungskataloge einzelner Akteure, wie der GEMA, die ein ganzes Maßnahmenpaket veröffentlicht hat, bestehend aus einer KI-Charta, einem Zwei-Säulen-Lizenzmodell für die Input-Ebene und für Nutzungen von KI-generierter Musik, und damit an den Verhandlungstisch bittet. Schließlich hat das Thema generative KI in der Kreativbranche maßgeblich in den USA auch auf gewerkschaftlicher Ebene Einzug gehalten. Dort ist der Einsatz von KI für Drehbücher und die Anpassung sowie Reproduktion des Erscheinungsbildes von Darstellerinnen ein wesentlicher Bestandteil der im Herbst 2023 geschlossenen Vereinbarungen zwischen den Schauspieler- und Autorengewerkschaften (SAG-AFTRA und WGA) und dem Produktionsverband (AMPTP).23Die Vereinbarungen gelten bis ins zweite Quartal 2026. In Deutschland arbeiten der Bundesverband Schauspiel (BFFS), die Produktionsallianz und ver.di an einem KI-Tarifvertrag.
V. AUSBLICK
KI ist gekommen, um zu bleiben, und betroffene Branchen sollten die Gelegenheit nutzen, sich über die Stakeholder-Prozesse mit dem AI Office in Brüssel einzubringen, um zu praxistauglichen Lösungen zu kommen, die ein Miteinander von KI und der Kreativbranche ermöglichen. Oder wie der Präsident des US-Filmproduktionsunternehmens Millennium Films, Jonathan Yunger, auf einem Panel bei Morrison & Foerster im Februar 2024 sagte: „AI will not replace humans – but those who work with AI will replace those who do not work with AI”.24https://www.mofo.com/resources/news/240223-morrison-foerster-and-themotion-picture-association.
- 1Verordnung (EU) 2024/1689 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz.
- 2Im Detail zu diesen Pflichten Goldstein/Stützle/Bischoff, Copyright Compliance With the EU AI Act—Extraterritorial Traps for the Unwary, 11.6.2024, https://www.bloomberglaw.com/external/document/X5IQKDK000000/ tech-telecom-professional-perspective-copyright-compliancewith-. Bis zur Veröffentlichung harmonisierter Normen können sich die Anbieter auf die Leitfäden stützen, um die Einhaltung ihrer Pflichten aus der KI-VO nachzuweisen.
- 3Art. 53 Abs. 1 lit. c KI-VO. 4
- 4Erwägungsgrund 106 S. 3 KI-VO. Wegen des Territorialitätsprinzips dürfte es sich dabei nicht um eine räumliche Ausweitung des europäischen Urheberrechts handeln, sondern um eine mittelbare Ausweitung seiner Relevanz über eine Produktanforderung für GPAI-Modelle, die auf dem europäischen Markt in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden sollen.
- 55 Art. 53 Abs. 1 lit. d, Erwägungsgrund 107 S. 2 KI-VO. Das KI-Büro wird hierfür eine Vorlage bereitstellen.
- 6Art. 101 Abs. 1 lit. a KI-VO.
- 7Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt.
- 8Es wird argumentiert, dass generative KI über die Analyse von Daten zur Gewinnung von Informationen etwa über Muster, Trends und Korrelationen (Art. 2 Nr. 2 DSM-Richtlinie) hinausgeht.
- 9Besonders hervorzuheben ist das im Auftrag der Initiative Urheberrecht angefertigte Gutachten „Urheberrecht und Training generativer KI-Modelle“ von Dornis/Stober, https://www.nomos-elibrary.de/ 10.5771/9783748949558/urheberrecht-und-training-generativerki- modelle?page=1.
- 10LG Hamburg v. 27.9.2024 – 310 O 227/23.
- 11Umfassend zu diesem Urteil Goldstein/Stützle/Bischoff, Kneschke vs. LAION – Landmark Ruling on TDM exceptions for AI training data, 13.11.2024, https://copyrightblog.kluweriplaw.com/2024/11/13/kneschkevs- laion-landmark-ruling-on-tdm-exceptions-for-ai-training-data-part-1/; 14.11.2024, https://copyrightblog.kluweriplaw.com/2024/11/14/kneschkevs- laion-landmark-ruling-on-tdm-exceptions-for-ai-training-data-part-2/.
- 1212 Art. 53 Abs. 1 lit. c, lit. d KI-VO.
- 13Auch in den USA entsteht der Urheberrechtsschutz automatisch mit der Schaffung des Werkes. Urheberrechtsverletzungen können gerichtlich aber nur für Werke geltend gemacht werden, die beim Copyright Office registriert sind.
- 14United States Copyright Office, Copyright Registration Guidance: Works Containing Material Generated by Artificial Intelligence, 16.3.2023, https://www.copyright.gov/ai/ai_policy_guidance.pdf.
- 15United States District Court for the District of Columbia, Thaler v. Perlmutter, Case 1:22-cv-01564-BAH, 18.8.2023.
- 16§§ 85, 94 UrhG.
- 17§§ 13, 14 UrhG.
- 18Art. 50 Abs. 2 KI-VO. Die Pflicht gilt ab dem 2.8.2026.
- 19Art. 3 Nr. 3 i. V. m. Nr. 9 – 12 KI-VO definiert den Anbieter.
- 20Art. 3 Nr. 4 KI-VO definiert den Betreiber
- 21Art. 50 Abs. 4, Art. 3 Nr. 60 KI-VO. Die Pflicht gilt ab dem 2.8.2026.
- 22Art. 99 Abs. 4 lit. g KI-VO.
- 23Die Vereinbarungen gelten bis ins zweite Quartal 2026.
- 24https://www.mofo.com/resources/news/240223-morrison-foerster-and-themotion-picture-association.