Mentoring für Jurist:innen

Ein wertvolles Instrument zur Karriereentwicklung

In meiner Arbeit als Coach für Jurist:innen und ehrenamtliche Mentorin erlebe ich immer wieder, wie entscheidend die richtige Unterstützung für die persönliche und berufliche Entwicklung sein kann. Besonders in der juristischen Welt, die oft von hohen Erwartungen und Anforderungen geprägt ist, bietet Mentoring wertvolle Orientierung.

Als Mentorin teile ich nicht nur meine Erfahrungen als Juristin, sondern auch meine Perspektive als Mutter von zwei Kindern, die die Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kennt. Diese Einblicke ermöglichen es mir, Jurist:innen gezielt zu unterstützen und sie in ihrem individuellen Karriereweg zu stärken.

Doch was macht Mentoring so besonders? Wie unterscheidet es sich vom professionellen Coaching, und warum sind beide Ansätze so wichtig? Dieser Artikel gibt einen Einblick in die Welt des Mentorings – von seinen Wirkungen und Herausforderungen bis hin zu den Vorteilen für beide Seiten.

Anna von Troschke | Karrierecoach und Trainerin für Jurist:innen, Rechtsanwältin und ehrenamtliche Mentorin | www.annavontroschke.de

WAS IST MENTORING?

Mentoring ist mehr als ein fachlicher Austausch. Es ist eine gezielte Förderung und Begleitung, die in der Regel ehrenamtlich und über einen längeren Zeitraum – meist ein Jahr – erfolgt. Eine erfahrene Person (Mentor:in) unterstützt eine weniger erfahrene Person (Mentee) in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung.

Dabei unterscheidet sich Mentoring klar vom Coaching. Während Mentoring auf Erfahrungsaustausch und Orientierung setzt, zielt Coaching darauf ab, individuelle Blockaden zu lösen und Strategien zu entwickeln – strukturiert und maßgeschneidert. Beide Ansätze ergänzen sich ideal und sind für mich wichtige Rollen, die sich klar voneinander abgrenzen.

Die Ziele des Mentoring sind vielfältig:

  • Förderung von Diversität: Frauen, Erst akade mi ker:innen oder Menschen mit Migrationshintergrund erhalten durch Mentoring wichtige Unterstützung.
  • Erleichterung des Berufseinstiegs: Mentor:innen helfen jungen Jurist:innen, die Herausforderungen des Berufsalltags zu meistern und sich in einer Kanzlei oder Organisation zurechtzufinden.
  • Begleitung von Karriereschritten: Mentoring kann auch erfahrenere Jurist:innen auf ihrem Weg in Führungs positionen oder in die Selbständigkeit unterstützen.

Fenicia Aceto, LL.M., 1. Co-Vorsitzende des Netzwerks Multikultureller Jurist:innen, betont, wie wichtig Mentoring gerade für Jurist:innen mit Migrationshintergrund sei, um wertvolle Tipps und Tricks – und auch das sogenannte Vitamin B – zu erhalten. Denn allein fleißiges Arbeiten reiche aus ihrer Sicht leider oft nicht aus. Diese Aussage unterstreicht, wie wichtig Mentoring für die Förderung von Diversität und Chancengleichheit ist. Auch Programme wie „OChance“ von Osborne Clarke zielen darauf ab, genau diese Barrieren zu überwinden.

„Die soziale Herkunft eines Menschen spielt statistisch gesehen eine zentrale Rolle für dessen Bildungsperspektive, den zukünftigen Beruf und das zu erzielende Einkommen. Diese Faktoren entscheiden mit über den späteren sozialen Status, also die Anerkennung in der Gesellschaft und ggf. das eigene Selbstbild. Wir verstehen es deshalb als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung, Hindernisse abzubauen, die aus der sozialen Herkunft resultieren, und Chancengleichheit zu fördern. Dieses Ziel verfolgt unsere Initiative OC Social Mobility und das daraus entwickelte Mentoring- und Stipendienprogramm OChance – für mehr Bildungsgerechtigkeit und bessere Chancen für alle.“ – Timo Bosman, Associate bei Osborne Clarke

VORTEILE FÜR JURIST:INNEN

„Vor einem Jahr begann ich das Programm bei Mentor- Me, um Unterstützung beim Berufseinstieg zu erhalten. Mit Anna konnte ich an meinem persönlichen und beruflichen Profil arbeiten, was mir wertvolle Impulse gab. Ihr Background überzeugte mich sofort, sie als Mentorin zu wählen. Besonders prägend war, dass ich während unserer ersten Sitzung die Zusage für meinen heutigen Job erhielt.“ – Melanie Lorenz, Associate bei Noerr, über ihr Mentoring mit mir

Die Rechtsbranche ist bekannt für ihre steilen Lernkurven und hohen Erwartungen. Gerade hier kann Mentoring eine wertvolle Unterstützung sein:

  • Fachliche Kompetenz stärken: Mentor:innen teilen wertvolles Wissen über juristische Fallbearbeitung, Kanzleikultur und Branchennetzwerke.
  • Selbstvertrauen stärken: Mentoring bietet nicht nur fachliche, sondern auch emotionale Unterstützung. Es hilft Mentees, mit den Herausforderungen des Berufsalltags besser umzugehen und eine gesunde Work- Life-Balance zu finden.
  • Netzwerke aufbauen: Durch ihre Mentor:innen können Mentees hilfreiche Kontakte knüpfen.

Ein gelungenes Mentoring ist eine Win-win-Situation. Karin Heinzl, Gründerin von MentorMe, beschreibt es so: „Mentees erhalten wichtiges Sparring eines erfahrenen Mentors oder einer Mentorin und damit auch eine Vertrauensperson, mit der sie ihre beruflichen Sorgen teilen und auf ihre Ziele hinarbeiten können. Mentor:innen profitieren ebenso, da sie aus ihrer Berufsbubble herauskommen und über sich selbst reflektieren können.“

„Ein gelungenes Mentoring ist eine Win-win-Situation“

Auch Sina Barenkau, Syndikusrechtsanwältin bei E.ON SE und Mentorin bei ArbeiterKind.de, sieht im Mentoring eine große Bereicherung, sowohl für Mentees als auch für sich selbst. „Ich war selber Mentee beim wunderbaren Prof. Dr. Tim Husemann und sage mit einem Augenzwinkern oft, dass Tim mein Leben verändert hat“, berichtet Sina Barenkau. Heute möchte sie ihre Erfahrungen weitergeben, Mentees helfen, Hürden zu überwinden, die sie selbst genommen hat, und mit ihrem Netzwerk Türen öffnen. „Hindurchgehen müssen sie immer noch selbst”, ergänzt sie. Gemeinsam mit ihren Mentees macht sie auf die Stärken von Erstakademiker:innen aufmerksam, wie Widerstandsfähigkeit und die Fähigkeit, komplexe Herausforderungen zu lösen. „Beim Mentoring mit Volkan sehe ich oft mich selbst. Das hilft mir, strukturelle Hürden aus einer neuen Perspektive zu reflektieren und abzubauen.“ Ihr Mentee Dr. Volkan Akdogan, LL.M. fügt hinzu: „Zu den Herausforderungen rund um den Berufseinstieg kann ich mich jederzeit mit Sina austauschen. Sie gibt mir Tipps aus erster Hand. Es ist schön, jemanden an seiner Seite zu haben, der an einen glaubt und unterstützt.“

HERAUSFORDERUNGEN BEIM MENTORING

So bereichernd Mentoring sein kann, es ist nicht ohne Hürden. Der größte Stolperstein ist oft der Zeitmangel. Ohne genügend Engagement bleibt das Mentoring oberflächlich. Auch die Chemie zwischen den Beteiligten ist entscheidend. Mentor:innen sollten nicht nur fachlich kompetent sein, sondern auch empathisch und unterstützend agieren. Unrealistische Erwartungen auf beiden Seiten können ebenfalls zu Frustrationen führen. Deshalb sind eine offene Kommunikation und klare Absprachen so wichtig.

BEST PRACTICE: WIE MENTORING GELINGT

Erfolgreiches Mentoring braucht Struktur:

  • Die richtige Wahl: Mentor:innen sollten zum beruflichen und persönlichen Profil der Mentees passen.
  • Regelmäßige Treffen: Monatliche Gespräche sorgen für Kontinuität und Vertiefung.
  • Klare Rollen: Mentor:innen sind Impulsgeber, nicht Problemlöser. Die Mentees bleiben verantwortlich für ihre Entwicklung.

INTERNE UND EXTERNE MENTORING-PROGRAMME

Ob intern oder durch externe Programme – es gibt zahlreiche Programme, die Jurist:innen bei ihrer Karriereentwicklung unterstützen.

„Es gibt zahlreiche Programme, die Jurist:innen bei ihrer Karriereentwicklung unterstützen“

Viele Kanzleien und Unternehmen bieten mittlerweile interne Mentoring-Programme an. Auch in der Justiz setzt sich Mentoring immer mehr durch. So werden beispielsweise am Amtsgericht Düsseldorf den Proberichter:innen jeweils zwei erfahrene Richter:innen als Mentor:innen an die Seite gestellt. Ein Angebot, mit dem das Amtsgericht sehr gute Erfahrungen gemacht hat und das dort sämtliche Proberichter:innen dankbar in Anspruch nehmen.

Daneben gibt es auch an vielen juristischen Fakultäten Mentoring-Programme für Studierende. An der Bucerius Law School ist Mentoring schon seit über zehn Jahren etabliert. Hier werden Studierende von erfahrenen Praktiker:innen begleitet und viele Studierende nehmen das Programm sogar mehrere Jahre in Folge in Anspruch. Neben diesen internen Möglichkeiten gibt es auch zahlreiche externe Mentoring-Programme. Laut Karin Heinzl ist ein wesentlicher Vorteil von firmenexternen Mentor:innen, dass Mentees ein stärkeres Gefühl eines „safe space“ haben, das heißt, sich in einer Mentoring- Situation befinden, in der sie sich freier öffnen können und keine Angst haben müssen, dass etwas im Unternehmen durchsickert.

FAZIT

Mentoring ist eine hervorragende Investition in die berufliche und persönliche Entwicklung – für beide Seiten. Es öffnet Türen, stärkt das Selbstvertrauen und schafft wertvolle Verbindungen. Gerade in der juristischen Welt, in der Erfolg nicht nur von Fachwissen, sondern auch von Unterstützung und Netzwerken abhängt, ist Mentoring ein echter Karriere-Gamechanger.

Heft 01/02 | 2025 | 74. Jahrgang