Nachhaltigkeit – ein Blick ins Ausland

Die DAV-Auslandsvereine auf dem Deutschen Anwaltstag 2023

 

Das Thema des Deutschen Anwaltstages (DAT) 2023 ist „Mit Recht nachhaltig“. Wie es mittlerweile zur Tradition geworden ist, bieten die 13 Auslandsvereine des DAV mit ihren eigenen DAT-Veranstaltungen zum jeweiligen Motto interessante Einblicke in fremde Rechtsordnungen und regen Jahr für Jahr die interessierten Teilnehmer zum sprichwörtlichen Blick über den Tellerrand an. Auf der Grundlage eines bewährten Rotationsprinzips werden in diesem Jahr vier EU-Länder ihre Sicht auf die Thematik der Nachhaltigkeit darlegen.

Dr. Stephan Grigolli | Rechtsanwalt & Avocato | Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht | Grigolli & Partner, Mailand | Vorsitzender Deutscher Anwaltverein Italien (DAV Italien) & Sprecher der DAV-Auslandsvereine

„Vier EU-Länder legen ihre Sicht auf die Thematik der Nachhaltigkeit dar“

TSCHECHIEN

Der tschechische Beitrag widmet sich unter dem Titel „Die ,grüne‘ Energierechtsbilanz der Tschechischen Republik“ den großen Herausforderungen, vor denen Europa gerade steht. Das Augenmerk fällt auf die zentraleuropäischen Staaten, für welche dieser Schritt im Hinblick auf ihre besonderen klimatischen und industriellen Bedingungen besonders schwierig ist. Diese Besonderheiten werden am Beispiel Tschechiens vom DAV Tschechien durch seinen Vorsitzenden Herrn RA Ernst Giese aufgezeigt. Das Land verfügt über eine Energieerzeugung, wie sie auch in Deutschland vor der Energiewende vorherrschte: Strom im Wesentlichen aus Kohlekraftwerken und Atommeilern. Grüner Strom kommt aus Wasserkraft und nach einem kurzen Boom nach 2008 auch aus PV-Anlagen.

„Die Förderprogramme betreffen nicht nur alternative Energien, sondern auch den Ausbau von Atomkraftwerken“

Der Staat hat eine Reihe von sehr interessanten Förderprogrammen aufgelegt, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Diese betreffen aber nicht nur alternative Energien, sondern auch den Ausbau von Atomkraftwerken. Der Vortrag von Herrn RA Giese wird einen Einblick in den derzeitigen Stand der energierechtlichen Situation sowie einen Ausblick für die Zukunft geben. Auch der Blick auf die Nachbarländer Polen und die Slowakei sowie ein kurzer Vergleich mit Deutschland sind hierbei von großem Interesse.

GRIECHENLAND

Der Vortrag des Vertreters des DAV Griechenlands, Herrn Dikigoros Epameinondas Kalagiakos, mit dem Titel „Klimawandel und digitaler Wandel in Griechenland“ soll einen Einblick in den derzeitigen Stand der Bemühungen des Landes, das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen und den digitalen Wandel voranzubringen, sowie einen Ausblick für die Zukunft geben. Die aktuelle Energiekrise wird in Griechenland dazu genutzt, die rechtliche Rahmenbedingungen zu verbessern, um die erneuerbaren Energien schneller auszubauen und den Anteil der fossilen Brennstoffe bei der Energieerzeugung drastisch zu reduzieren. Es sollen bis 2030 knapp zwei Drittel des Stroms aus erneuerbaren Energien generiert werden. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch soll auf 35 % steigen.

„Besondere Förderung erfahren neben ‚grünen‘ Technologien innovative und Digitalisierungsprojekte sowie Betriebe aus dem Agrar- und Lebensmittelsektor“

Während der ersten Jahre der Corona-Pandemie wurde die Digitalisierung insbesondere der Verwaltung erheblich beschleunigt. Das neue Investitionsförderungsgesetz bietet attraktive Anreize für verschiedene Unternehmensaktivitäten. Eine besondere Förderung erfahren neben „grünen“ Technologien innovative und Digitalisierungsprojekte sowie Betriebe aus dem Agrar- und Lebensmittelsektor.

ITALIEN

Eine interessante Perspektive bietet der italienische Beitrag von Herrn Avvocato Luca Alberto Pagnotta mit dem Titel „Nachhaltigkeit Made in Italy“. Mit einem Legislativdekret aus dem Monat November 2021 zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2018/2001 zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien (REDII) wurden die technischen Spielräume für sog. Energiegemeinschaften in Italien deutlich erweitert.

„Die technischen Spielräume für sog. Energiegemeinschaften wurden in Italien deutlich erweitert“

Bisher waren Energiegemeinschaften zur Selbstversorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen sowohl in Bezug auf den Umfang als auch auf die Nennleistung der Stromerzeugungsanlagen sehr stark eingeschränkt. Das neue Dekret hat die Beitrittsmöglichkeiten zu den Gemeinschaften auf einen größeren Kundenkreis ausgedehnt. Die Nennleistungsgrenze für Anlagen (PV, Wind oder andere Anlagen für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien), mit denen sich Energiegemeinschaften versorgen, wurde gleichzeitig von 200 kW auf 1 MW erhöht. Auch der Teilnehmerkreis wurde erweitert: Neben Haushalten, lokalen Behörden sowie kleinen und mittleren Betrieben können sich jetzt auch der gesamte Dienstleistungssektor, religiöse Gemeinschaften und Forschungseinrichtungen an Energiegemeinschaften beteiligen.

FRANKREICH

Der französische Beitrag mit dem Titel „Spannende Entwicklungen zur Nachhaltigkeit im französischen Gesellschafts- und Handelsrecht – Gesellschaft mit Zweckbindung, Lieferkette“ wird von Frau Dr. Antje Luke, RA’in und Avocat à la Cour, präsentiert. Frankreich hat in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit von Unternehmen erlassen, die für die anderen EU-Mitgliedstaaten interessant sind und Auswirkungen haben.

„Frankreich hat in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit von Unternehmen erlassen“

Sie wird einen allgemeinen Überblick über die Pflicht zur Berücksichtigung der umwelt- und sozialen Auswirkungen bei der Führung der Unternehmen, die Schaffung einer Gesellschaft mit besonderem Zweck, das Gesetz zur Lieferketten von 2017 und über Beispiele von daraus folgenden Gerichtsverfahren geben. Die DAV-Auslandsvereine wünschen sich eine rege Teilnahme an ihrer Veranstaltung am 15. Juni 2023!

Exklusiv für Mitglieder | Heft 06/2023 | 72. Jahrgang