Neues zur Fortpflanzungsmedizin

FAMILIENPLANUNG MIT SAMENSPENDE UND ÄRZTLICHER HILFE

Für ihre Familienplanung setzen viele Menschen seit Jahren neue Möglichkeiten um. Doch zahlreiche Beteiligte bewegen sich nach wie vor auf unsicherem Terrain und warten auf rechtliche Sicherheit und Planbarkeit ihrer Familie. Einige Antworten brachte die Online-Fortbildung zum aktuellen Familienrecht im Oktober, die der Berliner Anwaltsverein mit gleich zwei hochkarätigen Dozenten durchführte. Zwar konnten die beiden Vorträge einige Hinweise geben, doch mussten sich beide Vorträge in manchen Punkten letztendlich auf die Darstellung des Problems beschränken.

German v. Blumenthal | Rechtsanwalt in Berlin

Im ersten Teil gab Prof. Dr. Jochen Taupitz (Universität Mannheim), u.a. ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, einen Überblick über die straf-, medizin- und familienrechtlichen Möglichkeiten der aktuellen Fortpflanzungsmedizin. Den Teil zu abstammungsrechtlichen Folgen übernahm die Berliner Rechtsanwältin Lucy Chebout.

REPRODUKTIVE MEDIZIN DURCH SAMENSPENDE

Der erste Teil gab zunächst einen ausführlichen Überblick über die unterschiedlichen Möglichkeiten reproduktiver Medizin wie Samenspende oder Eizell- bzw. Embryonenspende. Der Schwerpunkt lag auf den Hinweisen zur Samenspende, da dies in der Praxis die wohl meist verwendete Methode ist.

„Samenspender werden nicht automatisch als Vater des Kindes festgestellt“

Die Durchsetzung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung regelt seit 2017 das Samenspenderregistergesetz (SaRegG). Neben den Ansprüchen auf Kenntnis der eigenen biologischen Abstammung ergibt sich aus dem Gesetz, dass diese Samenspender nicht automatisch als Vater des Kindes festgestellt werden. Daher ist eine Anerkennung der Vaterschaft notwendig.
Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist nicht eindeutig klar, da das Gesetz nicht definiert, in welchen Fällen eine „heterologe“ Verwendung von Samen vorliegt. Für den Kinderwunsch durch Samenspende bei Frauenpaaren oder alleinstehenden Frauen gibt es keine gesetzliche Regelung. Ein Personenkreis, bei dem eine medizinisch assistierte Befruchtung mithilfe einer Samenspende durchgeführt werden darf, ist nicht festgelegt.

„Sollte die Frau weder mit einem Mann verheiratet sein, noch ein Mann die Vaterschaft anerkennen, noch die Vaterschaft des Samenspenders gerichtlich festgestellt werden, hat das Kind nur einen Elternteil und nur eine familiäre Linie“

Daher verbleibt es in diesen Fällen bei den bisher geltenden familienrechtlichen Regelungen: Rechtliche Mutter ist immer die Frau, die das Kind geboren hat. Vater kann nur ein Mann sein. Sollte die Frau weder mit einem Mann verheiratet sein, noch ein Mann die Vaterschaft anerkennen, noch die Vaterschaft des Samenspenders gerichtlich festgestellt werden, hat das Kind nur einen Elternteil und nur eine familiäre Linie.

KONSEQUENZEN IN DER FAMILIENRECHTLICHEN PRAXIS

Die Auswirkungen dieser abstammungsrechtlichen Folgen für die Praxis vieler gleichgeschlechtlicher Frauenpaare erläuterte im zweiten Teil der Veranstaltung die Berliner Rechtsanwältin Lucy Chebout. Sie erläuterte insbesondere die verfahrensrechtlichen Besonderheiten bei der Geburt eines Kindes in eine gleichgeschlechtliche Frauenbeziehung mit den Folgen unter den Aspekten der Verfahren nach PstG und FamFG. Bei beiden Verfahrensarten bleibt nämlich die zweite Elternstelle zunächst unbesetzt. Für die Primärzuordnung bei der Geburt sieht § 1592 BGB im Wesentlichen zwei Möglichkeiten für den Erwerb der Vaterschaft vor. Beide (bei Geburt Ehemann der Mutter bzw. Anerkennung der Vaterschaft) sind in diesen Konstellationen jedoch nicht gegeben.

„So bleibt für diese Familienplanungen lediglich die langwierige und aufwendige Stiefkindadoption“

Auch sekundäre Möglichkeiten der Zuordnung, wie die Vaterschaftsfeststellung bzw. die Anfechtung der Vaterschaft im Rahmen eines Abstammungsgutachtens, sind nicht zielführend.
So bleibt für diese Familienplanungen lediglich die langwierige und aufwendige Stiefkindadoption.
Diese Situation ist für gleichgeschlechtliche Frauenpaare mit Kinderwunsch sehr unbefriedigend und wird von vielen als diskriminierend empfunden. In den Fällen einer Samenspende (bei denen der biologische Vater als Samenspender weder Verantwortung oder andere Pflichten übernehmen kann oder möchte) könnte es an gebracht sein, die zweite Elternstelle auf andere Art zu besetzen. Andernfalls könnten in diesen Fällen verschiedene Grundrechte betroffen sein, u.a. das Grundrecht auf Gleichbehandlung. Daher sind im Rahmen einer Initiative bundesweit bei verschiedenen Gerichten entsprechende Verfahren anhängig.

„In den Fällen einer Samenspende könnte es angebracht sein, die zweite Elternstelle auf andere Art zu besetzen“

Wird dagegen die Familie gemeinsam mit dem Vater so geplant, dass dieser eine aktive Vaterrolle übernimmt, scheint der Begriff Samenspender unangebracht. Diese Vaterschaft gibt dem Kind vielmehr die Möglichkeit, auch mit Kontakt zum Vater aufzuwachsen. Diese Konstellation hat der Vortrag nicht berücksichtigt.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 03/2023 | 72. Jahrgang