Own Your Recruitment
Talente finden im Kanzleimarkt
Im Kanzleimarkt geht es heute nicht primär darum, sich für die besten Talente zu entscheiden, sondern darum, überhaupt erst einmal solche zu finden. Das einstige Casting à la „Suits“, in dem aufstrebende Anwälte in maßgeschneiderten Anzügen um die begehrten Plätze kämpften, ist romantisches Gestern. Heute wetteifern die Arbeitgeber in perfekt sitzenden Sneakers um den coolsten Eindruck beim Nachwuchs – ein oft schweißtreibendes Unterfangen mit viel „Chai Latte“ an der Tischtennisplatte, strukturell vergleichbar mit Online-Dating.
Dr. Caroline Harth | www.carolineharth.com | www.harthcommunications.com
Das Gerangel um die Wunschkandidaten beginnt schon in den Stellenanzeigen. Auf LinkedIn, Talentrocket und Iurratio heischen Kanzleien bei den besten Talenten um Aufmerksamkeit. „Own your Recruitment“ bedeutet allerdings nicht nur, auf den richtigen Plattformen präsent zu sein, sondern dort auch authentisch und überzeugend die Werte Ihrer Kanzlei zu kommunizieren. Ein erfolgreiches Match hängt von zahlreichen Faktoren ab. Den „Was Bewerber wirklich wollen“-Unkenrufen sollte man nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Ein guter Rekrutierungsprozess ist hier „conditio sine qua non“.
„Beim Recruitment zählt die Echtheit der erzählten Stories“
Wichtig ist zunächst die eigene Positionierung und das Branding, wobei diese Reihenfolge strikt eingehalten werden muss. Mit anderen Worten: Um die Sichtbarkeit auf den angesagten Plattformen sollte sich erst dann gekümmert werden, wenn die Inhalte feststehen. Das klingt viel umständlicher als es ist und Sie könnten Ihre Positionierung im wahrsten Sinne des Wortes zu Ihrem Heimspiel machen. Mit Hilfe der allgemeinen Verkehrsauffassung. Denn der zum Buzzword überstrapazierte Begriff der „authentischen Kommunikation“ meint nichts anderes als „Echtheit“ – ähnlich jener, die Sie aus Ihrem juristischen Alltag kennen: Die sich in Glaubwürdigkeit von Beweismitteln manifestiert, in der notariellen Beglaubigung von Dokumenten, der Echtheit von Verträgen und Urkunden, der Wahrheit von Zeugenaussagen vor Gericht, in elek tronischen Beweismitteln und Signaturen etc. Nichts anderes gilt für das Recruitment: Hier zählt die Echtheit der erzählten Stories. Über einen ehrlichen Auftritt schaffen Sie Vertrauen und nachhaltige Beziehungen, durch eine glaubwürdige Kommunikation und klare Positionierung differenzieren Sie sich von den anderen Arbeitgebern. Die Reichweite und die konkreten Inhalte, mit denen Sie sich positionieren, das sogenannte „Employer Branding“, hängt von vielen individuellen Faktoren ab. Es bedeutet nicht, dass Ihre Anwälte morgen zum LinkedIn-Legal Influencer aufsteigen können und sollten.
VERÄNDERUNGEN DURCH NEW WORK
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist die GenZ allerdings achtsam gegenüber „New Work“- Themen. Green- und Purposewashing wird meilenweit erkannt. „Lorem Ipsum“-Texte und das Statuieren von Selbstverständlichkeiten in Stellenanzeigen sind daher unbedingt zu vermeiden. Über das Thema des flexiblen Arbeitens hinaus bedeutet New Work für Sie die Chance, der zunehmenden Komplexität der Arbeitswelt mit entsprechend vielfältigen Lösungen zu begegnen: Es bedeutet unter anderem, dass Sie es auch mit Menschen zu tun haben, für die ESG nicht nur ein Begriff, sondern gewünschte Lebensrealität ist, und die mit Role Models wie Greta Thunberg groß geworden sind. Deswegen kommen nicht alle zu spät, weil sie sich noch eben auf die Straße kleben mussten, und nicht alle wollen als Digitalnomaden aus Bali in die Montagsrunde zugeschaltet werden und ansonsten ihre Ruhe haben. Denn Ihre Bewerber sind unterschiedliche Menschen und hier liegt Ihre Chance als Kanzlei, die viel zitierte Vielfalt und Inklusion von Beginn an zu leben.
GenZ ist via soziale Plattformen hochinformiert und Fehlverhalten und nicht authentische Anekdoten aus der Arbeitswelt verbreiten sich über Memes und Comedy-Kanäle so rasend schnell, dass zuweilen selbst das Internet dem Burn-out nahe ist. Kanzleien, die kein Homeoffice aus Thailand mögen, aber dafür umso mehr ihr Inventar aus den 80ern, sollten auf den Palmenhintergrund in der Stellenanzeige verzichten. So wird zu ihnen der Kandidat finden, der überhaupt keine Lust hat, unter Palmen zu arbeiten. Die GenZ sucht nach flexiblen Arbeitsbedingungen, aber vor allem auch nach einem Arbeitgeber, der ihre Persönlichkeit schätzt. Bewerber schätzen es, wenn ihnen zugehört wird, und sie schätzen Gespräche jenseits der abgedroschenen „Was sind Ihre Stärken und Schwächen“-Dynamik. Erfolgreiches Recruitment ist höchstpersönlich. Ob sie darin gut waren oder nicht, das merken Sie schnell. Schlimmstenfalls am Ghosting nach dem Bewerbungsgespräch. Lorem Ipsum eben.