beA–KSW-Schnittstellen in Zusammenhang mit den neuen beA-Karten inkl. Fernsignatur

Der Softwareindustrieverband elektronischer Rechtsverkehr e.V. informiert

Der Software Industrieverband Elektronischer Rechtsverkehr e.V. (SIV-ERV), der 2007 gegründet worden ist, vertritt die Interessen der Softwarewirtschaft im Justizumfeld und somit zugleich die Bedürfnisse von ca. 75.000 Anwälten, Notaren, Wirtschaftsprüfern und Insolvenzverwaltern, die Kunden der Mitgliedsunternehmen sind. Zu den Mitgliedsunternehmen gehören unter anderem:

Andrea Brandenburg | Rechtsanwältin | Vorstandsvorsitzende des SIV-ERV e.V. | www.siv-erv.de
Advo-web GmbH – advoware
Kanzleisoftware
NoRA GmbH – NoRA Advanced
DATEV eG – DATEV Anwalt
Classic
RA-MICRO Software AG –
RA-MICRO
DOKSAFE GmbH – Actaport ReNoStar GmbH – ReNoStar,
ReNoFlex
Ferber-Software GmbH –
IKAROS
STP Informationstechnologie
GmbH – beADESK
KG – Advolux timeSensor AG – timeSensor
Legal
A.Koppel Software GmbH –
INVEP
Wolters Kluwer Deutschland
GmbH – AnNo Text, Kleos,
winra, BS-Anwalt, BS-Inkasso

Der SIV-ERV versteht sich als Interessenvertretung und Arbeitsplattform für Unternehmen, die Dienstleistungen und Produkte für den elektronischen Rechtsverkehr anbieten. Neben der Sammlung und Bereitstellung aller technisch und rechtlich relevanten Informationen für die Entwicklung und den Betrieb von Systemen für den elektronischen Rechtsverkehr treibt der SIV-ERV insbesondere die Standardisierung voran und setzt sich für offene und interoperable Systeme und Schnittstellen ein. Zu diesem Thema nimmt der SIV-ERV e.V. regelmäßig an den Sitzungen mit Vertretern der Justiz sowie dem BMJ und der BLKAG IT-Standards in der Justiz teil. Seit Mai 2022 hat der SIVERV einen neuen Vorstand. Vorsitzende des SIV-ERV e.V. ist Frau Rechtsanwältin Andrea Brandenburg (Leiterin der Online-Akademie und Kundenpflege bei RA-MICRO Software AG) und stellvertretender Vorsitzender Herr Ralph Vonderstein (Geschäftsführer für den Geschäftsbereich Legal Software bei Wolters Kluwer Deutschland).

NEUE BEA-KARTEN UND FERNSIGNATUR DURCH DIE BNOTK

Im vergangenen Jahr hat die Bundesnotarkammer als Zertifizierungsstelle (BNotK) eine neue Generation von beAKarten und damit zugleich das Fernsignaturverfahren zum Anbringen qualifizierter elektronischer Signaturen eingeführt. Die BNotK führt dazu aus: „Mit der Fernsignatur werden qualifizierte elektronische Signaturen (qeS) aus der Ferne erzeugt. Da sich das qualifizierte Zertifikat nicht mehr auf der Karte, sondern in der hochsicheren Umgebung der Zertifizierungsstelle befindet, erfolgt die Signaturerstellung im Auftrag des Unterzeichners aus der Ferne. Aus diesem Grund ist für das qualifizierte Signieren mit der Fernsignatur zwingend eine Internetverbindung erforderlich. Das zu signierende Dokument verbleibt beim Signaturersteller und verlässt dessen Anwender-PC beim Signieren nicht. Wie bei der Signaturkarte sind zum Anbringen einer Fernsignatur weiterhin ein Kartenlesegerät (Empfehlung: Sicherheitsklasse 3) sowie eine Signaturanwendungskomponente notwendig.“
Entgegen der Vermutung, dass die Fernsignatur ohne weiteres – insbesondere ohne eine Karte – aus der Ferne erfolgen kann, wird für das Aufbringen der Fernsignatur die Verwendung der neuen beA-Karte, die bei der BNotK als sog. beA-Signaturpaket zu bestellen ist, benötigt.
Hinweis: Das Signaturzertifikat ermöglicht das Signieren elektronischer Dokumente als Äquivalent zur eigenhändigen Unterschrift, beispielsweise im Rahmen des elektronischen Handelsregisterverkehrs oder des elektronischen Mahnverfahrens.

Abb.: Signiervorgang vom Arbeitsplatz bis zum Signaturserver der BNotK per Internetzugriff

Eine qualifizierte elektronische Signatur besitzt zudem die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift (vgl. Art. 25 Abs. 2 eIDAS-Verordnung). So kann die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden (§ 126a BGB). Aufgrund dieser Rechtswirkung darf die Chipkarte nur vom jeweiligen Zertifikatsinhaber persönlich verwendet werden.
Der Technologiewechsel war lt. BRAK und BNotK auch deswegen notwendig, da das genutzte Betriebssystem für die derzeitigen beA-Karten zum Jahresende 2022 die sicherheitstechnische Zulassung verliert und darüber hinaus die auf den beA-Karten befindlichen Zertifikate zum Großteil zum 31. Dezember 2022 ablaufen werden.

KEINE ANPASSUNG DER BEA-KSW-SCHNITTSTELLE DURCH DIE BRAK

Bislang hat die BRAK den Kanzleisoftwareanbietern und damit auch deren Anwender über die beA-Schnittstelle (beA-KSW-Schnittstelle) eine integrierte Signaturanwendungskomponente zur Verfügung gestellt, die mit der alten beA-Signaturkarte genutzt werden konnte und mit den herkömmlichen Signaturkarten von Drittanbietern auch weiterhin genutzt werden kann. Nach Änderung des Signaturverfahrens durch die BNotK, war die bisherige Signaturanwendungskomponente der BRAK über die beA-KSW-Schnittstelle unter Verwendung der neuen beA-Karte mit Fernsignatur nicht mehr nutzbar. Während die Fernsignatur über den reinen beA-Webzugang mittels des beA-Clients für alle Anwender zur Verfügung stand, passte die BRAK die Signaturkomponente der beA-KSW-Schnittstelle aus technischen sowie rechtlichen Gründen nicht an. In einem Treffen des Verbandes mit der BRAK im November 2022 wurde die Notwendigkeit der Anpassung nochmals kontrovers diskutiert, jedoch leider ohne Erfolg. Bei dieser Gelegenheit bekräftigte die BRAK, dass die weitere Unterstützung der beA-KSW-Schnittstelle außer Frage steht.

LÖSUNGEN DER SOFTWAREANBIETER FÜR DIE VERWENDUNG DER FERNSIGNATUR ÜBER DIE BEA-KSW-SCHNITTSTELLE

In einem gemeinsamen Schreiben vom 22. November 2022 haben der SIV-ERV e.V. sowie die BRAK über die Nutzungsmöglichkeiten der Fernsignatur im Rahmen der verwendeten Kanzlei software informiert, welches als beA-Sondernewsletter veröffentlicht wurde.

„Bis Ende des Jahres 2022 werden die meisten Mitgliedsunternehmen des SIV-ERV eine Fernsignaturkomponente in ihre Software integriert haben oder diese im Laufe des Jahres 2023 bereitstellen“

Andere wiederum prüfen aktuell noch die Möglichkeiten einer Integration. Die Unterstützung der Fernsignatur über die beA-KSW-Schnittstelle erfolgt dabei von Kanzleisoftware zu Kanzleisoftware unterschiedlich. Dies hängt nicht nur von der Art und Weise, wie die beASchnittstellen integriert worden ist, ab, sondern auch, wie bisher Signieranwendungen in den Programmen unterstützt worden sind. Zum einen stellen einige Hersteller auf eine eigene Fernsignaturkomponente ab. Hier hatte die BNotK zusammen mit der BRAK im Herbst einen Workshop angeboten. Andere Anbieter wiederum nutzen die Signaturanwendungskomponente eines Drittanbieters (Governikus DATA Boreum und/oder SecSigner- SecCommerce). Der SIV-ERV hat auf seiner Website (www.siv-erv.de) eine Übersicht bereitgestellt, in der je Mitgliedsunternehmen und Produkt die einzelnen Signierlösungen aufgelistet sind.

HERKÖMMLICHE SIGNATURKARTEN ALS ALTERNATIVE ZUR FERNSIGNATUR

Neben der Fernsignatur der BNotK stehen aber auch die herkömmlichen Signiermöglichkeiten zur Verfügung. So können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auch weiterhin auf Signaturkarten von Drittanbietern zurückgreifen. Bei diesen Signaturkarten ist das Signaturzertifikat weiterhin auf der Karte gespeichert. Anders als bei der Fernsignatur, die dauerhaft eine stabile Internetverbindung sowie die ständige Erreichbarkeit des Signaturservers der BNotK voraussetzt, kann die Signaturkarte auch bei einer Störung des Signaturservers eingesetzt werden. Allerdings muss der Anwender hier in der Regel zwei Karten im Zugriff haben. Die beA-Karte, um sich beim beA anzumelden, und die Signaturkarte, um die Signatur zu erzeugen. Alternativ kann man statt der beA-Karte auch einfach ein Softwarezertifikat in der Kanzleisoftware hinterlegen, so dass die Anmeldung automatisiert erfolgt und die beA-Karte entfällt. Ob eine Signatur materiell-rechtlich erforderlich ist, obliegt den anwaltlichen Prüfungspflichten.
Die Signaturkarten der Hersteller Deutsche Telekom Security GmbH, DGN Service und D-Trust GmbH werden ebenfalls von den meisten Mitgliedsunternehmen des SIV-ERV e.V. unterstützt. Eine Übersicht befindet sich ebenfalls in der vorbenannten Tabelle auf der SIVERV- Website.

HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN

Berufsträger, die nicht mit einer Kanzleisoftware arbeiten, steht der beA-Webzugang der BRAK sowohl mit Unterstützung der Fernsignatur als auch unter Verwendung der herkömmlichen Signaturkarten zur Verfügung.
Darüber hinaus sollte jeder Berufsträger prüfen, ob er zukünftig mit der Fernsignatur der BNotK, bei dem die Signatur auf dem Signaturserver gespeichert ist, signieren möchte und/oder mit einer herkömmlichen Signaturkarte, bei der sich die Signatur auf der Karte befindet, die im Übrigen auch außerhalb des beA-Systems eingesetzt werden kann.
Zudem ist es auch weiterhin möglich, rechtswirksam mit einer einfachen Signatur (Namenszug am Ende des Schriftsatzes) über das eigene beA mittels sog. VHN (vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis) selbst zu versenden, ohne die Nachricht qualifiziert elektronisch zu signieren. Ein materiell-rechtliches Schriftformerfordernis ist einzelfallbezogen zu prüfen.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 01/02 | 2023 | 72. Jahrgang