RA sind nicht beA-Poststelle für übrige Partner einer interprofessionellen PartG.

Anmerkung zu FG Hessen vom 10.5.2022 sowie Hinweise zur beA-Nutzung bei inter-professionellen Gesellschaften.

Ist ein Gesellschafter bzw. Partner einer interprofessio-nellen GbR bzw. PartG (auch) Rechtsanwalt, so müssen die Steuerberater der Gesellschaft nicht allein deswegen Klagen an das Finanzgericht (FG) über dessen beson-deres elektronisches Anwaltspostfach (beA) einreichen, sondern können auch (noch) in Papierform übermitteln. So könnte man einen vom FG Hessen entschiedenen Fall zusammenfassen (Hessisches FG vom 10.5.2022, 4 K 214/22, juris).

Simon Beyme | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht Steuerberater | Römermann Rechtsanwälte AG | www.roemermann.com
Exklusiv für Mitglieder | Heft 11/2022 | 71. Jahrgang

KLAGEEINREICHUNG EINER INTERPROFESSIONELLEN SOZIETÄT

Ein Mandant hatte eine aus vier Partnern bestehende PartG mbB (drei „Nur“-Steuerberater und ein Rechtsanwalt und Steuerberater) zur Einreichung einer Klage gegen mehrere Schätzbescheide des Finanzamts beauftragt. Der sachbearbeitende Partner bei der PartG mbB war einer der „Nur“-Steuerberater. Dieser reichte im März 2022 die Klage per Post beim FG ein. Das Finanzamt beantragte u. a., die Klage als unzulässig abzuweisen, da diese nicht in der nach § 52d Satz 2 FGO vorgeschriebenen Form eingereicht worden sei. Da einer der Partner der PartG mbB (auch) Rechtsanwalt sei, hätte die Klage über dessen beA eingereicht werden müssen.

beA-NUTZUNGSPFLICHT NUR FÜR DEN MANDATSFÜHRENDEN PARTNER

Dies sah das Hessische FG nicht so. Vielmehr verstoße die Klageerhebung in Papierform in der vorliegenden Konstellation (noch) nicht gegen § 52d Satz 2 FGO. Nach § 52d FGO gelte die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs für nach der FGO vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Ein sicherer Übermittlungsweg in diesem Sinn ist der zwischen dem beA nach § 31a BRAO oder einem entsprechenden auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Nach Auffassung des Hessischen FG verpflichte § 52d Satz 2 FGO aktuell eine PartG nur für den Fall einer ihr zurechenbaren Handlung durch einen Rechtsanwalt zur Nutzung dessen beA. Vorliegend war der Prozessbevollmächtigte Steuerberater und kein Rechtsanwalt. Die bloße Mitgliedschaft eines Rechtsanwalts in einer GbR oder PartG mit Steuerberatern bewirkt nicht, dass sämtliche (finanz-)gerichtlichen Klageverfahren über dessen beA abzuwickeln sind. Die Nutzungsverpflichtung trifft den an einer interprofessionellen GbR oder PartG beteiligten Rechtsanwalt nur für Mandate, die er selbst betreut.

STEUERBERATER-POSTFACH KOMMT ERST 2023

Da Steuerberatern das dem beA gleichgestellte besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) erst ab dem 1.1.2023 zur Verfügung steht, konnte im Jahr 2022 ein Nur-Steuerberater-Partner für die PartG die Klage noch formwirksam in Papier einreichen.

ANMERKUNG VON SIMON BEYME
Rechtsanwalt ist keine elektronische Poststelle für Nicht-RA-Sozien

Ausgerechnet die Finanzverwaltung, die oft noch elektronisch übermittelte Daten ausdruckt, wollte einer interprofessionellen Partnerschaft vorschreiben, dass diese eine Klage beim FG nicht per Post, sondern ausschließlich per beA einreichen darf – auch wenn der Sachbearbeiter nicht Rechtsanwalt ist. Das FG Hessen lehnte das Ansinnen des Finanzamts mit einer (für das Jahr 2022) überzeugenden Begründung ab: „Der Senat ist davon überzeugt, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, dass in der Übergangszeit (also dem Jahr 2022) keine Pflicht besteht, dass der Rechtsanwalt, der in einer mit Steuerberatern eingegangenen Sozietät oder Partnerschaft tätig ist, über sein persönliches beA die wesentliche Korrespondenz mit den FG absenden und ggf. auch entgegennehmen muss, wenn er nicht der das Prozessmandat konkret bearbeitende Gesellschafter ist, sondern ein Nur-Steuerberater die Prozessvertretung und die damit einhergehenden Tätigkeiten für die prozessbevollmächtigte (hier: Partnerschafts-)Gesellschaft übernehmen soll. Der ggf. einzige Rechtsanwalt in einer Sozietät oder Partnerschaft, der mitunter sehr viele Steuerberater angehören, wäre sonst faktisch eine Art elektronische Poststelle für die von den übrigen Gesellschaftern als Steuerberater eigenverantwortlich geführten Steuerprozessmandate der Gesellschaft.“ Dem ist wenig hinzuzufügen.

Geänderte Situation ab 2023 für Steuerberater

Die Situation ändert sich allerdings ab 1.1.2023 für Steuerberater, wenn das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt, §§ 86d, 157e StBerG) eingeführt wird. Diese müssen ab dann auch elektronisch mit Gerichten kommunizieren. Gleichzeitig wird für bei der Steuerberaterkammer anerkannte Berufsausübungsgesellschaften das beSt auch als Gesellschaftspostfach eingeführt. Jedoch müssen sich GbRs und „einfache“ PartGs nicht unbedingt von der Steuerberaterkammer anerkennen lassen (§ 53 StBerG spricht im Unterschied zu § 59f BRAO, der eine Zulassung fordert, von „Anerkennung“ der Berufsausübungsgesellschaft) und erhalten nur im Falle einer Anerkennung ein „Gesellschafts-beSt“.

beA bei zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften seit 1.8./1.9.2022

Für bei einer Rechtsanwaltskammer zugelassene Berufsausübungsgesellschaften hat sich bereits etwas geändert, da für diese rechtlich seit 1.8.2022 und faktisch seit 1.9.2022 das beA als Gesellschaftspostfach („GePo“) eingeführt wurde, § 31b BRAO. Das GePo tritt neben das persönliche beA einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts, ohne dieses zu ersetzen. Für Personengesellschaften, bei denen keine Beschränkung der Haftung der natürlichen Personen vorliegt und denen als Gesellschafter und Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane ausschließlich Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer angehören, besteht allerdings keine Pflicht, sich als Berufsausübungsgesellschaft zuzulassen, § 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO. Dies betrifft u. a. (interprofessionelle) Sozietäten in der Rechtsform der GbR oder PartG. Im Fall des FG Hessen handelte es sich um eine PartG mbB, die, sofern nicht bereits als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen, bis zum 1.11.2022 einen Antrag auf Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer stellen muss, § 209a Abs. 2 BRAO, und dann ein GePo erhalten kann.

beA-Nutzungspflicht für sog. „Doppelbänder“

Seit 1.1.2022 können sich Rechtsanwälte, die zugleich Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer sind, nicht mehr darauf berufen, dass die Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr für Steuerberater erst zum 1.1.2023 beginnt und für Wirtschaftsprüfer kein eigener elektronischer Kommunikationskanal vorgesehen ist (FG Berlin-Brandenburg vom 8.3.2022, 8 V 8020/22, BAB 2022, S. 233 m. Anm. Beyme). Vielmehr wird für Rechtsanwälte allein an ihrer Zulassung angeknüpft. Wäre im Fall also der auch als Rechtsanwalt zugelassene Steuerberater der sachbearbeitende Partner gewesen, hätte er die Klage über sein beA einreichen müssen, obwohl das Mandat rechtlich nicht von ihm, sondern von der PartG geführt wird.

Rechtsanwalt als gesetzlicher Vertreter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Für diese Fälle hat bereits das FG Rheinland-Pfalz vom 12.7.2022 (4 V 1340/22, juris) bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die über einen vertretungsberechtigten Partner (StB/WP/RA) einen Schriftsatz einreichte, entschieden, dass dies nur wirksam über dessen beA erfolgen könne. § 52d FGO knüpfe allein an die Zulassung (auch) als Rechtsanwalt an. Versteht man „eingereicht werden“ in § 52d FGO in tatsächlicher Sicht, so reicht eben der auch als Rechtsanwalt zugelassene StB/WP ein, auch wenn es rechtlich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist, die das Klageverfahren führt.

beA-Nutzungspflicht für RA in allen Lebenslagen?

Interessant ist, was gewesen wäre, wenn der vertretungsberechtigte WP/StB/RA im Außenauftritt seine Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ nicht verwendet, also bewusst nur als Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater aufgetreten wäre. Das Weglassen der Berufsbezeichnung ist in diesen Fällen grds. möglich, da laut § 12 Abs. 4 BRAO die Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung „Rechtsanwältin“ oder „Rechtsanwalt“ ausgeübt werden darf, aber nicht muss. Das FG Rheinland-Pfalz vom 12.7.2022 wie auch das FG Berlin-Brandenburg vom 8.3.2022 stellten nicht auf das Auftreten als Rechtsanwalt, sondern allein auf die Zulassung ab, sodass deren Entscheidungen auch bei Weglassen der Berufsbezeichnung wohl nicht anders ausgefallen wäre. Der BFH hingegen sah dies differenzierter und entschied, dass ein Steuerberater, der auch Rechtsanwalt ist, als Prozessbevollmächtigter im finanzgerichtlichen Verfahren ein Dokument an das Gericht dann per beA einreichen muss, wenn er es in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt unterzeichnet (BFH vom 27.4.2022, XI B 8/22). Daraus lässt sich im Umkehrschluss ableiten, dass wenn der Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz nur mit seiner Berufsbezeichnung „Steuerberater“ unterzeichnet hätte, er diesen auch per Fax oder Brief hätte senden können. Dies wäre konsequent, denn sonst müsste z. B. ein Rechtsanwalt, der im Rahmen einer Nebentätigkeit Geschäftsführer einer gewerblichen GmbH ist und in seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter, aber nicht als deren Rechtsanwalt, mit einem Gericht kommuniziert, zwingend das beA nutzen. Dies dürfte in Fällen, in denen die Berufsbezeichnung nicht nach außen verwendet wird, zu weitgehend sein.