Saal der Bibliothek der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität

In der DDR wurde der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin eine wichtige Aufgabe übertragen. Sie sollte ein Zentrum für die Verbreitung der sozialistischen Rechtswissenschaft werden. Der Standort ist nicht zufällig gewählt. Die kommunistischen Behörden rühmten sich der Tatsache, dass Berlin in der Geschichte der revolutionären Bewegung an der Wende zum 20. Jahrhundert eine bedeutende Rolle spielte.

Prof. Dr. hab. Maciej Michał Jonca | Jurist und Kunsthistoriker | Professor für Römisches Recht an der Universität Lomza (Polen)

Saal der Bibliothek der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität | Bebelplatz 2 – 10117 Berlin

Zwischen 1895 und 1917 besuchte Lenin die Stadt nicht weniger als zwölf Mal. Schon bei seinem ersten Besuch sah er sich im Großen Lesesaal der damaligen Königlichen Bibliothek die Werke von Marx und Engels an. Am 14. August 1895 trug er sich in das Gästebuch ein: „Wladimir Uljanow, Rechtsanwalt, Flensburger Straße 12.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg trug diese kurze Notiz zur Rettung des Bibliotheksgebäudes bei, das 1944/1945 schwer gelitten hatte. Der sozialistische Staat konnte einen für die Geschichte des Kommunismus so wichtigen Ort nicht seinem Schicksal überlassen. Im Jahr 1968 wurden die Restaurierungsarbeiten abgeschlossen, das Gebäude wurde der Juristischen Fakultät übergeben und im Lesesaal wurde ein monumentales Glasfenster von Frank Glaser installiert. Lenin – der Revolutionsheilige – wurde zum untrennbaren stillen Lesebegleiter der künftigen Juristen. Das Hauptmotiv zeigt ihn in Gesellschaft seiner Vorbilder: Marx und Engels. Der Führer des Proletariats weist mit seiner ausgestreckten Hand den Weg in eine bessere Zukunft.

Nach dem Fall der Berliner Mauer wurden fast alle kommunistischen Zeichen und Symbole aus der Juristischen Fakultät der Humboldt- Universität entfernt. Die bemerkenswerten Glasfenster blieben jedoch erhalten. Obwohl gelegentlich Stimmen zu hören sind, die den Zusammenhang zwischen kommunistischer Propaganda und den Werten eines Rechtsstaates in Frage stellen, scheint die gläserne Kuriosität vorerst sicher zu sein. Die Glasfenster können während der Öffnungszeiten der Bibliothek mit vorheriger Genehmigung des diensthabenden Bibliothekars besichtigt werden (in der Regel ist das kein Problem, aber man muss leise sein).

Heft 06 | 2025 | 74. Jahrgang