Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt

Aktuelles rechtspolitisches Update

Im Anschluss an Heft 3/2025 skizziert der Beitrag rechtspolitisch wichtige gesetzgeberische Vorschläge für einen besseren Schutz geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt der letzten Legislatur: das verabschiedete Gewalthilfegesetz sowie der der Diskontinuität unterfallende Entwurf zur Änderung des Gewaltschutzgesetzes mit Blick auf die elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ).

Jutta Henneberger | Mitglied der Strafrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes e. V.
Der Beitrag gibt ihre persönliche Ansicht wieder

1. MEILENSTEIN GEWALTHILFEGESETZ

Trotz des Bruchs der KOA-Fraktionen Ende 2024 konnte der Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt des BMFSFJ (im Folgenden: GewalthilfeG) noch rechtzeitig vor den Neuwahlen am 23. Februar 2025 verabschiedet werden.1BGBl. 2025 I Nr. 57 vom 27.2.2025. Das Gesetz bietet Frauen und Kindern einen vielfältigen verbesserten Schutz, für den wesentlichen Teil der Regelungen jedoch zu spät,2Djb, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt vom 22.11.2024 (Stn. 24 – 41), abrufbar unter: https://www.djb.de/presse/ pressemitteilungen/detail/st24-41, zu Art. 6 RefE (dort noch 2030). erst ab dem 1. Januar 2032. Hierzu zählen der individuelle Rechtsanspruch gewaltbetroffener Personen auf Schutz und fachliche Beratung (§ 3 GewalthilfeG) sowie der kostenfreie Platz in einer Schutzunterkunft (§ 4 Abs. 1, 5 und 6 GewalthilfeG). Das Gesetz beseitigt die derzeit bestehende Ungerechtigkeit,3Djb, Stn. 24 – 41, zu Art. 4 RefE. denn aktuell erhalten nur Bezieher*innen von Transferleistungen eine Kostenübernahme für den sogenannten Selbstzahleranteil.4Vgl. Beitrag in Heft 3/2025.

Hintergrund des späten Inkrafttretens ist der notwendige Aufbau der Kapazitäten in den Ländern und die schrittweise Zurverfügungstellung finanzieller Mittel durch den Bund im Wege der Umverteilung des Umsatzsteueraufkommens im Finanzausgleichsgesetz. In der Aufbauphase 2027 bis 2029 sollen den Ländern insgesamt zusätzliche Finanzmittel in Höhe von insgesamt 2,6 Milliarden Euro zukommen.5Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, s. Art. 4 des Entwurfs, vgl. auch: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/gesetz-fuer-einverlaessliches- hilfesystem-bei-geschlechtsspezifischer-und-haeuslichergewalt-251160.

Mit dem GewalthilfeG anerkennt Deutschland neben staatlichen Schutzpflichten aus Grundrechten und Fürsorgepflichten das sich aus der Istanbul-Konvention (IK)6Europaratsübereinkommen, CETS No. 210. ergebende Recht insbesondere von Frauen, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich frei von Gewalt zu leben (Art. 4 Abs. 1 IK): Immerhin gilt die IK seit dem 1. Februar 2018 im Range eines Bundesgesetzes.7So bereits djb Stn. 18 – 15 vom 3.9.2018, abrufbar unter: https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st18-15; Janda: Gewaltschutz als kommunale Aufgabe? DÖV 2023, 1, 4.

2. GEWALTSCHUTZGESETZ – KEINE ELEKTRONISCHE AUFENTHALTSÜBERWACHUNG (EAÜ)

Die Legislativvorschläge zur Einführung der EAÜ für Täter geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt durch Änderungen am Gewaltschutzgesetz sind nicht verabschiedet worden: Ein im Sommer 2024 in den Bundestag eingebrachter Fraktionsentwurf u. a. zur Ergänzung der EAÜ im Gewaltschutzgesetz8Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches und weiterer Gesetze – Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen, BT-Drucks. 20/12085. wurde nach Beschlussempfehlung9Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 29.1.2025, BT-Drucks. 20/14811. durch den Bundestag in 2. Beratung abgelehnt.10Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 20/211 v. 31.1.2025. Der präventiv orientierte Änderungsvorschlag der Anordnung der EAÜ im GewSchG warf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken auf.11Vgl. insofern die Ausführungen von Henneberger/Çelebi, Häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt – Besserer Opferschutz?, ZRP 2024, 181, 183 ff.; djb, Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Fraktion CDU/CSU: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs und weiterer Gesetze – Verbesserung des Opferschutzes, 8.8.2024 (Stn. 24 – 29), S. 9, abrufbar unter: https://www.djb.de/presse/pressemitteilungen/detail/st24-29.

„Die EAÜ ist aktuell nicht im GewaltSchG geregelt“

Der im Dezember 2024 vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) erstellte Referentenentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gewaltschutzgesetzes nebst Formulierungshilfe für die KOA-Fraktionen,12BMJ, Referentenentwurf, abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RefE/RefE_Gewaltschutz_Aenderung.pdf?__blob=publicationFile&v=3; Schriftliche Fragen, Plenarprotokoll v. 20.12.2024, BT-Drucks. 20/14338; BMJ, Formulierungshilfe für die KOA-Fraktionen v. 8.1.2025, abrufbar unter: https://www.bmj.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/FormH/FH_GewSchG.pdf?__ blob=publicationFile&v=1. der in Hochrisikofällen die Anordnung der EAÜ vorschlug, unterfiel der Diskontinuität.13§ 125 Satz 1 GO-BT. Die EAÜ ist damit aktuell nicht im GewaltSchG geregelt.14Eine Übersicht u. a. zum sog. Spanien-Modell und Empirie: Kinzig/Rebmann: Der Einsatz der elektronischen Fußfessel bei Partnerschaftsgewalt, ZRP 2025, 48 f.

3. POLIZEI- UND ORDNUNGSRECHT: EAÜ FÜR TÄTER HÄUSLICHER GEWALT

Gefahrenabwehrrechtlich herrscht ein Flickenteppich.15Djb, Stellungnahme zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gewaltschutzgesetzes v. 13.12.2024 (Stn. 24 – 44), abrufbar unter https://www.djb.de/presse/pressemitteilungen/detail/st24-44; vgl. auch Henneberger/Çelebi, a. a. O. S. 183. Lediglich ein Teil der Länder hat Regelungen zur Anordnung der EAÜ für Täter häuslicher Gewalt im Polizeiund Ordnungsrecht etabliert. Die Dauer ist höchst unterschiedlich. 16Hessen 4 Monate (§ 31a Abs. 3 Satz 4 und 5 HSOG); Sachsen 2 Monate (§ 61 Abs. 2 i. V. m. § 21 SächsPVDG); Bayern 3 Monate (Art. 34 Abs. 1 Satz 1 und 2 i. V. m. Art. 16 Abs. 2 PAG Bayern); Brandenburg 3 Monate (§ 15b Abs. 1 Nr. 3 in i. V. m. §§ 16a und 16b Bbg PolG); Hamburg 3 Monate (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Pol DVG); Nordrhein-Westphalen 3 Monate (§ 34c Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 34a PolG); Saarland 3 Monate (§ 38 Abs. 3 Satz 7 und 8 PolDVG; Niedersachsen will Regelungen einführen, s. Tagesschau Niedersachsen v. 18.2.2025: Häusliche Gewalt: Wann kommt die Fußfessel für Straftäter in Niedersachsen?, abrufbar unter Niedersachsen: Häusliche Gewalt: Wann kommt die Fußfessel für Straftäter in Niedersachsen? | tagesschau.de. Teilweise soll lediglich der Zeitraum bis zu einem Antrag nach dem GewaltSchG umfasst sein.17Kinzig/Rebmann a. a. O. Wünschenswert wäre es, Schutzlücken zu schließen und im Sinne des Opferschutzes einheitliche Schutzstandards zu regeln.

4. TÄTERARBEIT

Der der Diskontinuität unterfallende Vorschlag des BMJ18Fn. 13. schlug als weitere präventive Maßnahme die gerichtliche Anordnung der Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs vor.19Fn. 13, Art. 1 § 1 Abs. 4 RefE, s. auch Begründung S. 17; begrüßend s. Djb, Stn. 24 – 44. Einheitliche Standards für die Täterarbeit in Deutschland sind von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e. V. unter enger Beteiligung der Frauenberatungsstellen entwickelt sowie vom BMFSFJ empfohlen worden.20BMFSFJ: Arbeit mit Tätern in Fällen häuslicher Gewalt: Standard der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e. V.; abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/95364/49d48cb73caecfebe4030b8aea78032c/standards-taeterarbeit-haeusliche-gewalt-data.pdf. GREVIO, die Kommission des Europarats, die die Umsetzung der IK in den Vertragsstaaten überprüft, kritisierte bereits im Jahr 2022 u. a. die derzeit höchst unterschiedlichen Strukturen der Angebote von Täterarbeitseinrichtungen und sprach sich explizit für eine Vereinheitlichung aus.21GREVIO 7.10.2022: Erster Bericht des Expertenausschusses (GREVIO) zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats vom 11. Mai 2011 in Deutschland (Staatenbericht Deutschland), Rn. 106 f.

„Wünschenswert wären klarere gesetzliche Regelungen“

Dem wollte der Entwurf Abhilfe verschaffen, indem er sich zur Begründung des Vorschlags des sozialen Trainingskurses ausdrücklich auf die Standards der BAG Täterarbeit bezog.22Fn. 13, Begründung S. 17. Das BMFSFJ sieht indes die Täterarbeit durch die Verabschiedung des GewalthilfeG bereits mit geregelt.23BMFSFJ, https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/gesetz-fuer-einverlaessliches-hilfesystem-bei-geschlechtsspezifischer-und-haeuslichergewalt-251160. § 8 Abs. 2 GewalthilfeG sieht vor, dass in die Analyse die bedarfsgerechte Weiterentwicklung von Angeboten proaktiver Beratung und Intervention, von Angeboten der Arbeit mit gewaltausübenden …einzubeziehen sind. Wünschenswert wären klarere gesetzliche Regelungen.

Heft 05 | 2025 | 74. Jahrgang

  • 1
    BGBl. 2025 I Nr. 57 vom 27.2.2025.
  • 2
    Djb, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt vom 22.11.2024 (Stn. 24 – 41), abrufbar unter: https://www.djb.de/presse/ pressemitteilungen/detail/st24-41, zu Art. 6 RefE (dort noch 2030).
  • 3
    Djb, Stn. 24 – 41, zu Art. 4 RefE.
  • 4
    Vgl. Beitrag in Heft 3/2025.
  • 5
  • 6
    Europaratsübereinkommen, CETS No. 210.
  • 7
    So bereits djb Stn. 18 – 15 vom 3.9.2018, abrufbar unter: https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st18-15; Janda: Gewaltschutz als kommunale Aufgabe? DÖV 2023, 1, 4.
  • 8
    Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches und weiterer Gesetze – Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen, BT-Drucks. 20/12085.
  • 9
    Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 29.1.2025, BT-Drucks. 20/14811.
  • 10
    Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 20/211 v. 31.1.2025.
  • 11
    Vgl. insofern die Ausführungen von Henneberger/Çelebi, Häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt – Besserer Opferschutz?, ZRP 2024, 181, 183 ff.; djb, Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Fraktion CDU/CSU: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs und weiterer Gesetze – Verbesserung des Opferschutzes, 8.8.2024 (Stn. 24 – 29), S. 9, abrufbar unter: https://www.djb.de/presse/pressemitteilungen/detail/st24-29.
  • 12
    BMJ, Referentenentwurf, abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RefE/RefE_Gewaltschutz_Aenderung.pdf?__blob=publicationFile&v=3; Schriftliche Fragen, Plenarprotokoll v. 20.12.2024, BT-Drucks. 20/14338; BMJ, Formulierungshilfe für die KOA-Fraktionen v. 8.1.2025, abrufbar unter: https://www.bmj.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/FormH/FH_GewSchG.pdf?__ blob=publicationFile&v=1.
  • 13
    § 125 Satz 1 GO-BT.
  • 14
    Eine Übersicht u. a. zum sog. Spanien-Modell und Empirie: Kinzig/Rebmann: Der Einsatz der elektronischen Fußfessel bei Partnerschaftsgewalt, ZRP 2025, 48 f.
  • 15
    Djb, Stellungnahme zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gewaltschutzgesetzes v. 13.12.2024 (Stn. 24 – 44), abrufbar unter https://www.djb.de/presse/pressemitteilungen/detail/st24-44; vgl. auch Henneberger/Çelebi, a. a. O. S. 183.
  • 16
    Hessen 4 Monate (§ 31a Abs. 3 Satz 4 und 5 HSOG); Sachsen 2 Monate (§ 61 Abs. 2 i. V. m. § 21 SächsPVDG); Bayern 3 Monate (Art. 34 Abs. 1 Satz 1 und 2 i. V. m. Art. 16 Abs. 2 PAG Bayern); Brandenburg 3 Monate (§ 15b Abs. 1 Nr. 3 in i. V. m. §§ 16a und 16b Bbg PolG); Hamburg 3 Monate (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Pol DVG); Nordrhein-Westphalen 3 Monate (§ 34c Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 34a PolG); Saarland 3 Monate (§ 38 Abs. 3 Satz 7 und 8 PolDVG; Niedersachsen will Regelungen einführen, s. Tagesschau Niedersachsen v. 18.2.2025: Häusliche Gewalt: Wann kommt die Fußfessel für Straftäter in Niedersachsen?, abrufbar unter Niedersachsen: Häusliche Gewalt: Wann kommt die Fußfessel für Straftäter in Niedersachsen? | tagesschau.de.
  • 17
    Kinzig/Rebmann a. a. O.
  • 18
    Fn. 13.
  • 19
    Fn. 13, Art. 1 § 1 Abs. 4 RefE, s. auch Begründung S. 17; begrüßend s. Djb, Stn. 24 – 44.
  • 20
    BMFSFJ: Arbeit mit Tätern in Fällen häuslicher Gewalt: Standard der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e. V.; abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/95364/49d48cb73caecfebe4030b8aea78032c/standards-taeterarbeit-haeusliche-gewalt-data.pdf.
  • 21
    GREVIO 7.10.2022: Erster Bericht des Expertenausschusses (GREVIO) zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats vom 11. Mai 2011 in Deutschland (Staatenbericht Deutschland), Rn. 106 f.
  • 22
    Fn. 13, Begründung S. 17.
  • 23
    BMFSFJ, https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/gesetz-fuer-einverlaessliches-hilfesystem-bei-geschlechtsspezifischer-und-haeuslichergewalt-251160. § 8 Abs. 2 GewalthilfeG sieht vor, dass in die Analyse die bedarfsgerechte Weiterentwicklung von Angeboten proaktiver Beratung und Intervention, von Angeboten der Arbeit mit gewaltausübenden …einzubeziehen sind. Wünschenswert wären klarere gesetzliche Regelungen.