Strafverteidigung im Wandel der Zeit 50 Jahre Deutsche Strafverteidiger e. V.

RA Dr. Heribert Waider, RA Dr. Christian Schoop (Hrsg.)
Nomos, 1. Aufl. 2024, 534 Seiten, 169,00 Euro, ISBN 978-3-7560-0972-5 (auch als eBook)

Im Jahre 1974 wurde in Dortmund der Verein Deutsche Strafverteidiger gegründet und eingetragen. Nach einer Festschrift bereits zum Vierzigjährigen zehn Jahre später eine erneute Festschrift.

Wie es häufig mit Festschriften so ist, gibt es einen bunten Strauß an in der Regel gut gearbeiteten und sorgfältig ausformulierten Aufsätzen. Die Tradition von Festschriften ist uns ja spätestens aus dem Jurastudium allen bekannt. Früher gab es das Problem, solch manchmal entlegen publizierte Aufsätze auch aufzufinden. Heute ist alles wesentlich leichter. Das Buch ist durchweg gut gearbeitet und verschafft Erkenntnisgewinn.

Thomas Röth | Rechtsanwalt| Fachanwalt für Arbeitsrecht, Miet- und Wohnungseigentumsrecht und Strafrecht | Mediator | Liebert & Röth Rechtsanwälte | www.liebert-roeth.de

Es ist in fünf Kapitel aufgeteilt. Zu Beginn fünf Unterkapitel zum Verein selbst, bestehend aus einem Fragebogen des Max-Alsberg-Preisträgers Kollegen Norouzi sowie einen weiteren Fragebogen an ihn mit dem Thema BGH-Rechtsprechung. Kollege Taschke erinnert sich an den ersten deutschen Strafverteidigertag in Bonn 1977, Kollege Traut führt zu fünfzig Jahren unermüdlichen Kampf für Beschuldigtenrechte aus und bietet einen recht guten Überblick mit Literaturangaben zu den Erkenntnissen der Geschichte der Strafverteidigung, insbesondere im 20. Jahrhundert und auf Deutschland bezogen.

Im zweiten Kapitel geht es um anwaltliche Tätigkeiten im Strafverfahren und zur Tätigkeit der Strafverteidigung. Prof. Beulke führt zur notwendigen Verteidigung im Jugendstrafverfahrensrecht, Kollege Früba zum Zeugenbeistand, insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht, die Kollegen Gercke und Dinkelbach stellen einige Überlegungen zur Verteidigung von und gegen Kronzeugen an. Kollege Salditt analysiert die Vertretung Eichmanns durch den Kollegen Servatius anhand des Plädoyers von Servatius und des Buchs von Hannah Arendt sowie dazugehöriger Literatur.

Der Oberstaatsanwalt a. D. Folka Bittmann lässt seine staatsanwaltliche Tätigkeit Revue passieren und macht sich Gedanken zum Zustand der Strafjustiz als „Zeitzeuge und Zeitgeist und Zeitenwende“.

Im dritten Kapitel werden Fragen des Revisionsrechts behandelt. Prof. Barton befasst sich mit Anträgen der Bundesanwaltschaft im Revisionsverfahren, Richter am BGH a. D. Eschelbach führt zur erweiterten Revision nach Überschreitung ihres Zenits sachkundig aus, Kollege Krehl handelt vom Zustand der Strafverteidigung in der Revision mittels einer nicht empirischen Bestandsaufnahme und Prof. Jahn steuert eine Laudatio auf den Max-Alsberg-Preisträger aus 2023, nämlich Prof. Eschelbach, bei.

Im vierten Kapitel geht es um den Schutz der Strafverteidigung und der Beschuldigtenrechte vs. umfassende staatliche Ermittlungen. Kollege Krug befasst sich mit dem Protokollurteil als Effizienzsteigerung im Strafverfahren, Kollegin Rebell-Houben mit verfassungsrechtlichen Anforderungen und Grenzen der digitalen Durchsicht von Daten gemäß § 110 StPO, Kollegin Schmitt-Leonardy und Kollege Klarmann mit der Beschuldigtenpartizipation als Legitimationsprinzip in konsensorientierten Verfahren. Kollege Schmitz führt zur Kommunikation in der Sockelverteidigung und zu ihrem Schutz vor staatlichen Zwangsmaßnahmen aus, Kolleginnen Greeve und Michalke zur fortschreitenden ungeschützten Privatisierung von Ermittlungen durch „Kronzeugen“ und Whistleblower, die Kollegen Lichtenthäler und Rathgeber zur Möglichkeit der nachträglichen Bestellung eines notwendigen Verteidigers. Kollegin Bertheau und Kollege Ignor geben sachkundig einen Überblick über die Rechts- und Sachlage bei staatlichen Ermittlungen in Anwaltskanzleien. Kollege Bülte befasst sich mit der Geldwäschebekämpfung und speziell mit dem Konfliktfeld Datenaustausch zwischen den Behörden. Kollege Börner schreibt einen gelungenen Aufsatz zum Thema der normativen Kraft des Misstrauens als Sockel der forensischen Wahrheit und macht am Ende einen interessanten Vorschlag mittels eines an Tatrichter gerichteten Briefs.

Als letzter in diesem vierten Kapitel steuert Kollege Neuhaus einen Beitrag zur Methodik der Strafverteidigung im Kontext kriminalistischen Denkens bei und er verknüpft hier die zwei Methodiken am Beispiel der DNA-Analyse. Ein gut strukturierter, für die Praxis tauglicher Leitfaden.

Im letzten Großkapitel, dem fünften, geht es um Fragen des materiellen Strafrechts und des Strafvollzugs. Hier führt Kollege Sättele zur Business Judgment Rule und ihren Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf eine Strafbarkeit wegen Untreue sachkundig aus.

Schlusskadenzend befasst sich die Kollegin Sandkuhl mit dem Erstzulassungsdatum in der Zulassungsbescheinigung Teil II und Kollege Decker mit der Reform der §§ 64, 67 StGB durch das Gesetz vom 16.8.2023.

Zusammenfassend ein wirklich guter Reader mit vielen interessanten Themen. Der Unterzeichner hat sich knapp die Hälfte der Essays durchgelesen und viel Aufschluss erhalten. Alles Gute dem Deutschen Strafverteidiger e. V. und Dank für die ersten 50 Jahre und tolle nächste 50!

Heft 05 | 2025 | 74. Jahrgang