Testamentsvollstreckung in der Praxis

„Denn sie wissen, was sie tun“

Nachdem sich die letzte Veranstaltung des Arbeitskreises Erbrecht mit der Schnittstelle von Verkehrs- und Erbrecht befasste, stand am 15. März das Thema „Testamentsvollstreckung in der Praxis“ auf dem Programm. Rund 50 Mitglieder fanden sich in der bbw-Akademie am Schillertheater ein. Sie hörten den Dozenten, Frau Melanie Loewe, Nachlassmanagerin/ Testamentsvollstreckerin aus Berlin und Rechtsanwalt Björn Sendke, Fachanwalt für Erbrecht, der Berliner Kanzlei Sendke Rechtsanwälte, interessiert zu und beteiligten sich rege an den Diskussionen. Während sich Frau Loewe mit dem Ablauf einer Testamentsvollstreckung beschäftigte, widmete sich Herr Rechtsanwalt Sendke einem speziellen, aber nicht weniger praxisrelevanten Thema, dem „Verkauf einer Nachlassimmobilie durch den Testamentsvollstrecker“.

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1. Ablauf einer Testamentsvollstreckung

Frau Melanie Loewe warf direkt zu Beginn ihres Vortrags die Frage auf: „Wissen Sie immer, was Sie tun?“ Bei einer Testamentsvollstreckung, die für gewöhnlich nicht nur aus der Verteilung des Nachlasses besteht, sondern meist aus vielen, rechtlichen wie alltäglichen Herausforderungen, die mit einer nicht unerheblichen Haftung für den Testamentsvollstrecker einhergehen, ist das eine berechtigte Frage.

„Wissen Sie immer, was Sie tun?“

Damit zumindest die Teilnehmer der Veranstaltung die Eingangsfrage mit „Ja“ beantworten können, gab Frau Loewe ihnen einen soliden Fahrplan für die Abwicklung einer Testamentsvollstreckung an die Hand, der sich an den zeitlichen Abschnitten der Testamentsvollstreckung orientierte. Dabei begann sie mit der grundlegenden Frage, wie man überhaupt zum Amt des Testamentsvollstreckers gelangt. Wurde man ernannt, sei es persönlich in einer letztwilligen Verfügung oder erst vom Nachlassgericht, schließt sich die Frage an, was die nächsten Schritte sind. Da das Amt des Testamentsvollstreckers erst mit der Annahme des Amtes beginnt, muss dieses gem. § 2202 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht angenommen werden. Danach muss der Testamentsvollstrecker sich zwingend Informationen über den Nachlass beschaffen, wofür regelmäßig die Wohnung des Erblassers als Ausgangspunkt dient. Frau Loewe betonte, dass für das Gelingen der Testamentsvollstreckung eine gute und transparente Kommunikation von Erben und Testamentsvollstrecker ganz wesentlich ist.

„Für das Gelingen der Testamentsvollstreckung ist eine gute und transparente Kommunikation von Erben und Testamentsvollstrecker ganz wesentlich“

Die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Erben und Testamentsvollstreckern sind zwar im Gesetz geregelt. Für eine gelungene und einvernehmliche Abwicklung ist es jedoch sinnvoll, wenn der Testamentsvollstrecker seine Schritte stets mit den Erben abstimmt und diese über sein Vorgehen ungefragt in Kenntnis setzt. Die Pflichten des Testamentsvollstreckers aus dem BGB, insbesondere die unverzügliche Errichtung eines Nachlassverzeichnisses nach § 2215 BGB, seine Auskunftspflichten sowie die Pflicht zur Rechnungslegung wurden anschließend ebenso behandelt wie die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung nach § 31 Abs. 5 ErbStG und die notwendigen Verwaltungstätigkeiten eines Testamentsvollstreckers. Zu guter Letzt kam Frau Loewe noch auf die Auseinandersetzung des Nachlasses zu sprechen und erklärte den Aufbau eines Auseinandersetzungsplans. Dieser sollte neben der erbrechtlichen Ausgangslage den Bestand des Nachlasses, die Art und Weise der Auseinandersetzung sowie eine Schlusserklärung umfassen. Dem Titel der Veranstaltung folgend blieben ihre Ausführungen nicht nur theoretischer Natur, sondern es wurden für die Testamentsvollstreckerpraxis relevante Muster für ein Nachlassverzeichnis, der Rechnungslegung und ein Auseinandersetzungsplan an die Teilnehmer ausgeteilt.

2. Der Verkauf einer Nachlassimmobilie durch den Testamentsvollstrecker

Häufig befinden sich in einem Nachlass Immobilien. Herr Rechtsanwalt Sendke erörterte in seinem Beitrag anhand eines Praxisbeispiels, wann eine Veräußerung einer Nachlassimmobilie in Betracht kommt und was dabei zu beachten ist.

a) Erlaubnis zum Verkauf der Immobilie

Grundvoraussetzung für den Verkauf einer Nachlassimmobilie durch den Testamentsvollstrecker ist seine Befugnis, die Immobilie überhaupt verkaufen zu dürfen. Dabei geht es nicht um sein rechtliches Können, dieses ist aufgrund seiner Verfügungsbefugnis grundsätzlich gegeben, sondern um sein rechtliches Dürfen. Wird er vom Erblasser angewiesen, die Immobilie zu verkaufen und den Erlös an die Erben auszukehren, ist ihm der Verkauf der Immobilie erlaubt. Anders sieht es aus, wenn der Erblasser hierzu keine Anordnungen getroffen hat. In dem Fall hängt die Erlaubnis vom Verkauf der Immobilie unter anderem davon ab, ob der Testamentsvollstrecker sie zur Erfüllung seiner Verpflichtungen noch benötigt oder sie an die Erben herauszugeben ist.

b) Abwicklung des Verkaufs

Die Abwicklung des Verkaufs einer Nachlassimmobilie durch den Testamentsvollstrecker birgt zahlreiche Fallstricke. Herr Rechtsanwalt Sendke klärte über diese auf und gab den Teilnehmern hilfreiche Lösungsansätze zu deren Umgehung an die Hand.

„Die Abwicklung des Verkaufs einer Nachlassimmobilie durch den Testamentsvollstrecker birgt zahlreiche Fallstricke“

So sollte der Testamentsvollstrecker vor dem Verkauf stets prüfen, ob es Verpflichtungen gibt, die der Erblasser in Hinblick auf die Immobilie eingegangen ist. Sind solche vorhanden, muss er sicherstellen, dass sie an den Erwerber weitergegeben werden. Ebenso sollte der Testamentsvollstrecker vor Verkauf der Immobilie das Grundbuch auf etwaige Belastungen kontrollieren und dafür Sorge tragen, dass alle Unterlagen zur Lastenfreimachung des Grundstücks vor dem Beurkundungstermin vorhanden sind. Ganz wesentlich für die Durchführung des Verkaufs ist zudem die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers, die dem Grundbuchamt nachgewiesen werden muss. Nachgewiesen werden kann die Verfügungsbefugnis dem Grunde nach durch das Testamentsvollstreckerzeugnis oder dem europäischen Nachlasszeugnis. Ist der Testamentsvollstrecker im Testament namentlich benannt, kann er seine Verfügungsbefugnis mittels der beglaubigten Abschrift des gerichtlichen Eröffnungsprotokolls nebst beglaubigter Abschrift des Testaments sowie eines Zeugnisses des Nachlassgerichts über die Annahme des Amtes belegen. Damit der Testamentsvollstrecker dem Käufer tatsächlich das Eigentum verschaffen kann, bedarf es der Verfügungsbefugnis sowohl bei der Eintragung der Eigentumsverschaffungsvormerkung als auch bei der Umschreibung des Eigentums. Sicherstellen muss deren Vorliegen der Notar.
Neben einem Zeugnis über seine Testamentsvollstreckerstellung muss der Testamentsvollstrecker dem Grundbuchamt zudem die Entgeltlichkeit des Geschäfts nachweisen. Zur Vornahme unentgeltlicher Verfügungen ist er nicht befugt; seine Verfügungsbefugnis ist dahingehend dinglich beschränkt. Der Beweis der Entgeltlichkeit ist aber in der Regel entbehrlich, wenn der Kaufvertrag mit einem unbeteiligten Dritten geschlossen und die Vergütung an den Testamentsvollstrecker erbracht wird. Zur Einholung von Sachverständigengutachten über den Wert der Immobilie ist der Testamentsvollstrecker generell nicht verpflichtet, mag es beim Grundbuchamt ggf. hilfreich sein. Entscheidend für die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist, ob der Testamentsvollstrecker sich ohne Verkehrswertgutachten ein Bild vom Wert der Immobilie machen kann. Holt er ein Verkehrswertgutachten auf Kosten des Nachlasses ein, sollte er wegen der damit einhergehenden Kostenbelastung des Nachlasses die Gründe hierfür dokumentieren oder sich die Zustimmung der Erben dazu einholen. Die häufig gestellte Frage der Notwendigkeit einer familiengerichtlichen Genehmigung bei der Vertretung eines minderjährigen Erben wurde ebenfalls aufgegriffen. Obwohl Eltern wie Vormund diese benötigen, benötigt ein Testamentsvollstrecker als Partei kraft Amtes für den Verkauf der Nachlassimmobilie weder die Einwilligung des gerichtlichen Vertreters noch eine gerichtliche Genehmigung. Das gilt zumindest solange, wie Testamentsvollstrecker und Elternteil nicht personenidentisch sind.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 06/2023 | 72. Jahrgang