TL;DR – Mit Legal Tech durch die BRAO-Reform

EINFÜHRUNG

Die Reform der BRAO hat tiefgreifende Änderungen im Berufsrecht bewirkt. Jede Sozietät ist betroffen, denn, neben der weiterhin bestehenden Versicherungspflicht für Anwältinnen und Anwälte selbst, gilt seit dem 1. August 2022 für sie alle die Versicherungspflicht. Auch darüber hinaus stecken die §§ 59b ff. BRAO voller Neuerungen und Überraschungen. Eine davon war die Pflicht, spätestens am 1. November 2022 einen Zulassungsantrag bei der Rechtsanwaltskammer zu stellen – oder mindestens zu prüfen, ob man einen Antrag stellen muss. Da wir Anwältinnen und Anwälte gerne erst kurz vor Fristablauf aktiv werden, bedeuteten die letzten Oktobertage für viele Sozietäten Stress pur. Für diejenigen, die sich im Oktober noch im berufsrechtslosen Schlaf der Seligen befanden, begann der Stress bald darauf, als sie realisierten, dass sie wegen Fristversäumnis möglicherweise keine Rechtsdienstleistungsbefugnis mehr hatten.

Markus Hartung | Rechtsanwalt und Mediator in Berlin | www.markushartung.com

Mike Fecke | studiert Jura | Mitarbeiter beim Automationssoftwareanbieter BRYTER in Frankfurt a. M.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 12/2022 | 71. Jahrgang

(ZU) VIELE INFORMATIONEN ZUR BRAO-REFORM?

Die §§ 59b bis 59q BRAO bilden das Herzstück der Reform. Die Vorschriften sind ihrerseits logisch aufgebaut und regeln Grundsätze für Berufsausübungsgesellschaften, Berufspflichten von Anwälten und Sozietäten sowie Versicherungs- und Zulassungspflichten. Sie erschließen sich nicht so leicht, aber trotzdem muss sie jeder verinnerlichen. Insbesondere sollte man wissen, ob man eine Zulassung benötigt, welche Versicherung man braucht und was sonst noch zwingend zu beachten ist. Um Anwältinnen und Anwälten eine Orientierungshilfe durch die Reform zu geben, gab es insbesondere beim Anwaltsblatt zahlreiche sehr hilfreiche Informationen, viel Stoff zum Lesen. Vielleicht zu viel Informationen. In den Social Media gibt es ein Kürzel dafür, um zu dokumentieren, wenn man etwas nicht gelesen oder zur Kenntnis genommen hat: „#TMI“ oder „TL;DR“1. Wenn etwas nicht kurz, knapp und auf den Punkt ist, wird es häufig nicht gelesen. So entstand die Idee, ein interaktives Tool zu schaffen, das Anwältinnen und Anwälte an die Hand nimmt, um ihnen die ersten Schritte durch die von vielen als Dschungel empfundenen Vorschriften zu erleichtern.

DAS BRAO-TOOL: SMARTLAW BEI DER BRAO-REFORM

In der „Smartlaw“-Entscheidung hatte der BGH entschieden, dass es sich bei juristischen Informationen, die automatisch von einer Software erstellt werden, nicht um Rechtsdienstleistungen i. S. d. § 2 Abs. 1 RDG handelt. Mit einer solchen interaktiven Software kann man eine ganze Menge an relevanten Informationen geben, quasi „Rechtsrat erteilen“, obwohl es ja eben kein individueller Rechtsrat für ein konkretes Rechtsproblem ist. Die BRAO-Reform bedeutet zunächst einmal Pflichten, die alle oder doch sehr viele Sozietäten gleichartig treffen. Allein eine strukturierte Darstellung der für die jeweiligen Rechtsformen relevanten Pflichten und üblicherweise auftretenden Fragen ist daher oft schon sehr hilfreich. Erst im Anschluss stellen sich – wenn überhaupt – individuelle Fragen. Mit dem Tool haben wir uns in die Situation von jemandem versetzt, der für seine Sozietät schnelle und praktisch verwertbare Unterstützung braucht. Die Lektüre der §§ 59b ff. BRAO ist hierbei im ersten Zugriff keine solche Hilfe. Also starteten wir mit den verschiedenen Rechtsformen und entwickelten einen Online-Dialog, in dem man Fragen per Klick beantwortet und entsprechend weitergeleitet wird, jeweils mit Erläuterungen, Verweisen auf die jeweiligen Vorschriften, und zum Schluss mit der Möglichkeit, sich das Ergebnis des Dialogs als PDF-Dokument per E-Mail zusenden zu lassen.
Natürlich ersetzt das Tool weder den Zulassungsantrag, noch löst es alle Fragen! Aber es strukturiert das, was man tun muss, und erleichtert das Verständnis einfach dadurch, dass das Gesetz durch die Nutzerperspektive betrachtet wird.
Mit dem Tool haben wir mehrere Ziele verfolgt: Die Rezeption der BRAO-Reform zu vereinfachen, den Zulassungsprozess für Kolleginnen und Kollegen zu erleichtern, aber auch zu zeigen, was mit Legal Tech möglich ist. Man kann mit solchen Tools auch für seinen eigenen Büroalltag oder in der Arbeit für Mandanten eine Men-ge bewirken – viele Kanzleien nutzen heute schon solche Software, um ähnliche Tools für Mandanten zu „bauen“.

Den Link zu dem Tool findet sich hier