Crossover zwischen Erbrecht und Verkehrsrecht

Tod am Baum.

Gemeinsame Veranstaltungen des Arbeitskreises Verkehrsrecht mit dem Arbeitskreis Strafrecht hat es schon gegeben. Die Überschneidungen der Themen liegen auf der Hand. Als der Arbeitskreis Erbrecht beim Arbeitskreis Verkehrsrecht nach einer gemeinsamen Veranstaltung anfragte, stellte sich kurz die Frage, wo es Verbindungen zwischen Erbrecht und Verkehrsrecht gibt. Aber schon der Titel der Veranstaltung „Tod am Baum“ macht auch hier die Überschneidung der Themen deutlich.
Verstirbt bei einem Unfall ein Beteiligter, stellen sich nicht nur erbrechtliche Fragen, denn die Ansprüche des Unfallopfers gehen mit dem Tod nicht unter, sondern auf die Erben über. Und mitunter haben die Erben sogar eigene Ansprüche (z. B. wegen eines sog. Schockschadens).

Roman Becker | Fachanwalt für Verkehrsrecht | Rechtsanwalt und Mediator | Sprecher des Arbeitskreises Verkehrsrecht

„Beim Tod des Unfallopfers muss der Verkehrsrechtler auch das Erbrecht kennen“

Und in diesem Zusammenhang muss auch der Verkehrsrechtler erbrechtliche Besonderheiten beachten – angefangen bei der Haftungsquote, da ein Mitverschulden des verstorbenen Unfallopfers auch für die Erben von Interesse ist, da sie nicht nur Aktiva, sondern auch die Passiva des Erblassers erben. War der Erblasser als Kraftfahrzeugführer an dem Unfall beteiligt, springt im Zweifel dessen Haftpflichtversicherung ein. Hat der Erblasser aber z. B. als Radfahrer bei dem Unfall einen Sach- oder Personenschaden (mit-)verursacht, haftet er persönlich für den Schaden und die gegen ihn bestehenden Forderungen gehen auf die Erben über (soweit sie das Erbe annehmen).
Die erbrechtlichen Besonderheiten bei einem tödlichen Unfall haben Frau Rechtsanwältin Nitcheva und Herr Rechtsanwalt Kurze vom Arbeitskreis Erbrecht erläutert.
Schon die Frage, wie man letztlich Erbe wird, ist nicht immer einfach zu beantworten. § 1922 Abs. 1 BGB regelt lediglich, dass mit dem Tod einer Person deren Vermögen (Erbschaft) auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) übergeht. Aber wer sind die Personen, auf die das Erbe übergeht? Der Erblasser kann zu Lebzeiten selbst durch Testament oder Erbvertrag regeln, wie sein Vermögen nach seinem Tod aufgeteilt werden soll (gewillkürte Erbfolge). Werden keine solchen Regelungen getroffen, greift die gesetzliche Erbfolge, bei der neben dem Ehegatten des Erben auch dessen Verwandte erben. Diese werden – je nach Näheverhältnis zum Erblasser – in fünf verschiedene Ordnungen unterteilt.
Bei der Bearbeitung verkehrsrechtlicher Mandate ist die Frage der Anspruchsberechtigung unbedingt zu klären, insbesondere wenn es um die Auskehrung des erhaltenen Geldes geht. Spätestens aber bei der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche für die Erben muss die Frage der Anspruchsberechtigung geklärt sein, denn davon hängt die Aktivlegitimation für die Klage ab.

„Der Erbschein klärt nicht definitiv, wer Erbe ist“

Ein vorliegender Erbschein mag dabei Klarheit schaffen, allerdings legt ein solcher Erbschein nicht rechtsverbindlich fest, wer tatsächlich Erbe ist. Denkbar ist nämlich, dass ein persönliches Testament des Erblassers nach Erteilung eines Erbscheins gefunden wird und das Erbe dann doch völlig anders geregelt ist.
Der Erbschein gilt zumindest einem gutgläubigen Dritten gegenüber als richtig, wenn dieser von den im Erbschein genannten Erben z. B. einen Gegenstand aus dem Nachlass erwirbt (§ 2366 BGB). Somit darf sich auch ein Rechtsanwalt auf die Richtigkeit des Erbscheins verlassen, wenn er Ansprüche geltend macht und Gelder auskehrt.
Wenn geklärt ist, wer anspruchsberechtigt ist, stellt sich die Frage, welche Ansprüche die Erben geltend machen können. Hier ist zu unterscheiden zwischen den eigenen Ansprüchen der Erben und den durch den Tod des Unfallopfers = Erblassers auf die Erben übergegangenen Ansprüche. Von Interesse ist dabei insbesondere die Frage, ob dem Verstorbenen noch eigene Schmerzensgeldansprüche zustanden, die auf die Erben übergehen können. Während früher noch verlangt wurde, dass der Erblasser zumindest mal geäußert haben muss, dass auch eigene Schmerzensgeldansprüche auf die Erben übergehen sollen, werden inzwischen dem Vermögen des Verstorbenen auch dessen Forderungen zugerechnet, so dass auch Schmerzensgeldansprüche im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB vererbt werden können.
Aber nur, wenn das Unfallopfer nicht unmittelbar bzw. sofort beim Unfall verstirbt, erwirbt es einen Anspruch auf Schmerzensgeld, der auf die Erben übergehen kann. Die Höhe des Anspruchs hängt davon ab, wie lange der Verstorbene nach dem Unfall bis zu seinem Tod leiden musste und ob er sich seiner Situation bewusstwerden konnte. So wurde beispielsweise einem Unfallopfer, der einen Tag nach dem Unfall verstorben ist, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, trotzdem noch ein Schmerzensgeldanspruch von 5000 Euro zugestanden, der auf die Erben übergegangen ist.
Neben dem Anspruch auf Schmerzensgeld bestehen natürlich auch die weiteren Ansprüche auf Schadensersatz (z. B. für ein beschädigtes Fahrzeug) und Haushaltsführungsschaden.
Den Erben selbst können eigene Ansprüche zustehen. Für sie als Hinterbliebene ist der Verlust eines Angehörigen durch nichts zu ersetzen. Und dennoch müssen sie selber Kosten tragen, z. B. für die Beerdigung, und unter Umständen auch seelische und psychische Schäden ertragen.
Ein eigener Schmerzensgeldanspruch setzt einen immateriellen Schaden voraus. Der Tod eines geliebten Menschen gehört allerdings zum allgemeinen Lebensrisiko, so dass regelmäßig ein eigener Anspruch auf Schmerzensgeld verneint wird. Nur wenn der durch einen Dritten verursachte Tod bei den Hinterbliebenen selbst zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt (sog. Schockschaden mit eigenem Krankheitswert), besteht ein eigener Schmerzensgeldanspruch eines Hinterbliebenen (so z. B. bei einer durch den Tod eines Angehörigen verursachten schweren Depression).
Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verlangte den Nachweis der Angehörigen, dass die Beeinträchtigung eine ersthafte Erkrankung darstellt. Nach einer aktuellen Entscheidung des BGH reicht es aus, dass feststeht, dass das Geschehen bei der nahestehenden Person eine pathologisch fassbare psychische Störung verursacht hat. In einem solchen Fall liegt nun unabhängig vom Schweregrad eine Gesundheitsverletzung vor.
Weitere Ersatzansprüche der Hinterbliebenen regelt § 844 f. BGB. Dazu zählen unter anderem das Hinterbliebenengeld, der entgangene Unterhalt und die Beerdigungskosten.
Bezüglich der Beerdigungskosten trifft § 844 Abs. 1 BGB die Regelung, dass der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen hat, dem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen. Nach § 1968 trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers der Erbe. Auch wenn das familiäre Verhältnis zerrüttet war, müssen die Kinder des Erblassers die Beerdigungskosten übernehmen. Gibt es keine Erben oder können die Erben die Kosten nicht übernehmen, übernimmt das Sozialamt auf Antrag die Kosten. Der Erstattungsanspruch geht insoweit auf das Amt über.
Was die Höhe der Kosten für eine Beerdigung betrifft, so könnte ein Erbe auf die Idee kommen, sich für eine kostenspielige Seebestattung zu entscheiden, weil im Gegenzug die Kosten für die Grabpflege sehr gering sein dürften. Allerdings sind Seebestattungen in der Regel deutlich teurer als übliche Erd- oder Feuerbestattungen. Grundsätzlich sind die Kosten für eine standesgemäße Beerdigung des Getöteten zu tragen, wobei die Beerdigungskosten auf den Aufwand beschränkt sind, der durch die Lebensstellung des Verstorbenen angemessen ist. Hierunter fallen in der Regel die Kosten für Bestatter, Kosten der Erd- bzw. Feuerbestattung, Kosten einer üblichen kirchlichen oder bürgerlichen Feier samt Kosten für Seelsorger oder Trauerredner, Blumenschmuck und musikalische Rahmengestaltung, Grabstein und Erstanlage der Grabstätte (nicht die dauernden Pflegekosten), Todesanzeigen und Danksagungen sowie für den sog. Leichenschmaus. Aber auch die Kosten für eine Beerdigung des Verstorbenen in seinem Heimatland, sofern dies in dem Kulturkreis, dem der Verstorbene angehörte und in seiner Familie üblich ist, sind zu übernehmen.
Im Ergebnis hat die gemeinsame Veranstaltung der beiden Arbeitskreise anhand vieler interessanter, aber zum Teil auch zum Schmunzeln anregender Beispiele gezeigt, dass es eine ganze Reihe von Berührungspunkten zwischen dem Erbrecht und dem Verkehrsrecht gibt, die im Rahmen der Bearbeitung eines verkehrsrechtlichen Mandats zu beachten sind. Den Referenten des Arbeitskreises Erbrecht gilt für die Einladung und ihren sehr informativen Vortrag ein herzliches Dankeschön.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 05/2023 | 72. Jahrgang