Unternehmensnachfolge bei familiengeführten Unternehmen

… in Deutschland, Italien und der Schweiz. Bericht zum Workshop des Internationalen Wirtschaftsrechtstags am 9. und 10. November 2023 in Berlin

ÜBERBLICK UND AUSGANGSLAGE (TEIL 1).

Familiengeführte Gesellschaften haben eine „natürliche“ Laufzeit bis zur Übernahme durch den/die Nachfolger.

Anders als bei börsennotierten Gesellschaften und anderen institutionellen Eigentümern haben familiengeführte Gesellschaften eine Nachfolge zu regeln, abhängig vom Lebensalter des Patriarchen bzw. der Patriarchin. Eine nur akademische Frage ist, welches Alter maßgeblich ist, 55+ oder älter. Klar ist aber: Je später dieses Thema für die Unternehmer, das Unternehmen und die Familie angegangen wird, desto drängender wird die Umsetzung. Wir werden uns in zwei Teilen, in dieser und der folgenden Ausgabe des Berliner Anwaltsblatts mit der Unternehmensnachfolge in den genannten drei Ländern befassen.

Adi Seffer | Rechtsanwalt | Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht | Fachberater Unternehmensnachfolge (DStV e. V.) | Partner in der Kanzlei PrimePartners Wirtschaftskanzlei
Mario Dusi | (Avvocato) zugelassen RAK Milano und München | DusiLaw Legal&Tax
Dr. Markus Zwicky | Rechtsanwalt und Notar | Fachanwalt SAV Erbrecht | ZWICKY & PARTNER

Die Ausgangslage ist dramatisch und wird nicht besser

Deutschland ist geprägt von familiengeführten Unternehmen. Sie haben bei Weitem den größten Anteil an der deutschen Wirtschaft. Ähnlich ist dies in den ebenso mittelständisch geprägten Volkswirtschaften Italiens und der Schweiz. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) spricht von 100.000 Unternehmensnachfolgen pro Jahr, das renommierte Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn nennt 50.000 (Fels IFM, 2021).

Die im Auftrag der Commerzbank kürzlich erschienene 10. Unternehmerkunden-Studie macht die Konsequenzen klar. 21 % der bundesweit ca. 1600 repräsentativ Befragten geben an, ihr Unternehmen höchstens noch fünf Jahre führen zu wollen, 19 % der Befragten sprechen von maximal zehn Jahren (sic!). (Quelle: Commerzbank 10. Unternehmenskunden Studie erstellt vom Ipsos Meinungsforschung (Coba-Studie), zitiert nach Alexander Thieme-Garmann, Rheinzeitung vom 25.11.2023 „Commerzbank- Studie alarmiert“: Nachfolge vieler Unternehmen in Rheinland-Pfalz noch unklar – Koblenz & Region – Rhein-Zeitung.)

Damit könnte die vom IFM angegebene Zahl von 50.000 Unternehmen p.a. zukünftig sogar noch deutlich höher liegen. Auch in der Schweiz und in Italien, wo fast 30 % der CEOs familiengeführter Unternehmen über 70 Jahre zählen, ist die Entwicklung vergleichbar.

Gesetzliche Regelungen aller drei Länder begünstigen die interne Nachfolge

In allen drei Ländern hat der Gesetzgeber Angebote für eine steuerliche Begünstigung der internen Unternehmensübernahmen gemacht.

In Deutschland nimmt das Erbschafts- und Schenkungsteuerrecht mit Freibeträgen für Eheleute und direkte Nachkommen eine gewisse Rücksicht, deren Freibeträge schon bei kleineren Unternehmen allerdings nicht ausreichen. Eine weitere Erleichterung besteht in der Abzugsfähigkeit von Leibrenten oder ähnlicher Altersversorgung des Schenkenden. Zudem ist gemäß § 13 a ErbStG das Betriebs vermögen bei der Erbfolge unter bestimmten Voraussetzungen nicht steuerbar, unter anderem müssen Personal und die Betriebsstätten beibehalten werden. Coronakrisenbedingter Arbeitsplatzabbau und betriebswirtschaftlich gebotene Produktionsverlagerungen ins EU-Ausland oder nach Asien sind dann allerdings nicht möglich.

In Italien ist es der „patto di famiglia“ gemäß Art. 768 bis ital. BGB, mit dem der/die Patriarch/in die Mehrheit der Anteile, sowie die Entscheidungsvollmacht des Unternehmens an einen oder mehrere Nachkommen steuerbegünstigt übertragen kann, wenn die Nachfolger beides für mindestens fünf Jahre behalten.

Im Schweizer Recht stellen sich bei der Planung der Unternehmensnachfolge zum Teil ähnliche, zum Teil vom deutschen Recht aber auch abweichende Fragen. Zunächst sind die Pflichtteile und die damit einhergehende eingeschränkte Vertragsfreiheit zu beachten. Immerhin erlauben Ehe- und Erbverträge eine gewisse Gestaltungsfreiheit, namentlich durch die Möglichkeit des Verzichts auf den Pflichtteil durch einen zukünftigen Erben. In Kürze stehen erhebliche Neuerungen an, mit denen die Schweiz bedeutende Schritte in Richtung zeitgemäßer und flexibler Nachfolgeregelungen macht: Die erste Phase der Erbrechtsrevision trat am 1. Januar 2023 in Kraft, unter anderem wurde der Pflichtteil der Nachkommen von drei Vierteln auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs reduziert. Die zweite Phase der Erbrechtsrevision zielt auf gezielte Maßnahmen zur Vereinfachung der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge ab. Der im Schweizer Parlament diskutierte Entwurf zur Anpassung der entsprechenden Vorschriften des ZGB umfasst bahnbrechende Neuerungen, wie die Möglichkeit der Integralzuweisung eines Unternehmens, die Gewährung eines Zahlungsaufschubs für Erben, die die Unternehmen übernehmen, spezifische Regelungen zur Bewertung des Unternehmens im Falle der Ausgleichung sowie den Schutz der nicht übernehmenden pflichtteilsberechtigten Erben. Zudem ist in der Schweiz ein Trustrecht, nach englischem Vorbild, im Entstehen.

Das Problem liegt vor allem im persönlichen Bereich des Übergebers/Unternehmers

Neben rechtlichen, vor allem den (erbschafts-)steuerrechtlichen Themen, liegt das Problem allerdings vor allem auf der persönlichen Seite des Unternehmers. Fast 40 % aller Nachfolgen (vor allem bei kleineren Unternehmen) scheitern, so die Untersuchung des IFM (Raschke IfM 2002, S. 40). Dies liegt vor allem an der Verdrängung („Ich bin noch fit“, „Das hat doch noch Zeit“), und darin, dass die mit dem Übergabeprozess verbundene Zeit massiv unterschätzt wird. Viel zu oft richtet sich die Nachfolge nach dem/der Wunschkandidat/in, der/die dann andere Pläne hat oder sich als nicht geeignet herausstellt, und nicht nach einer wirtschaftlichen und unternehmensstrategischen Gesamtkonzeption (so Raschke IfM a.a.O.).

„Die rationale Gesamtkonzeption muss einen Plan B enthalten, der eingreift, falls die präferierte Lösung nicht umsetzbar ist“

Dabei muss nach der Coba-Studie fast jedes dritte Unternehmen schließen, wenn kein Nachfolger (rechtzeitig) gefunden wird. Damit ist klar, dass der Fokus der Beratung nicht nur im rechtlichen oder steuerrechtlichen Bereich liegen kann. Vorzuschalten ist auf jeden Fall, zusammen mit fachkundigen Beratern, diese rationale, wirtschaftliche und unternehmensstrategische Gesamtkonzeption zu entwickeln und den Zeitplan hierfür und die anschließende Umsetzung transparent zu machen. Nur „auf ein Pferd zu setzen“ ist hierbei ein Fehler. Die rationale Gesamtkonzeption muss immer einen Plan B enthalten, der eingreift, falls die präferierte Lösung nicht umsetzbar ist.

Übertragbarkeit des Unternehmens ©PrimePartners

Die Nachfolgekonzeption fängt mit der Prüfung zur Übertragbarkeit des Unternehmens an

In den letzten 20 Jahren erfolgte die Mehrheit der Unternehmensnachfolgen intern, das heißt, an die Kinder, Ehepartner oder nahe Verwandte, kurz innerhalb der Familie (intern). Stark zunehmend ist in den letzten Jahren der Anteil der externen Unternehmensnachfolgen, zum Beispiel an leitende Mitarbeiter oder externe Manager, beides meist zusammen mit einem Finanzpartner. Der IFM schätzte diesen Anteil für 2022 auf ca. 50 % (Fels, IFM 2022). Die oben genannte Coba-Studie hat ermittelt, dass 22 % der Unternehmer eine externe Lösung suchen, 21 % eine interne Weitergabe innerhalb der Familie präferieren, aber gut ein Fünftel, also weitere gut 20 % sich noch gar keine Gedanken gemacht hat. Eine solche rationale Gesamtkonzeption ist naturgemäß keine Aufgabe von wenigen Wochen oder Monaten. Viele Experten sprechen hier von einem Zeitbedarf von zwei bis drei Jahren!

„Eine solche rationale Gesamtkonzeption ist naturgemäß keine Aufgabe von wenigen Wochen oder Monaten“

Das klare Ziel muss sein, dass alle Berater des Unternehmens, Steuerberater, Anwälte aber auch Banken und Unternehmensberater, Aufsichts- und Beiräte den Unternehmer darin unterstützen sollten, rechtzeitig zu einer soliden Meinungsbildung beizutragen und zunächst unabhängig von der Person des Übernehmers eine rationale, wirtschaftlich und unternehmensstrategische Gesamtkonzeption zu entwickeln, die persönlich für den Unternehmer tragfähig ist. Hierzu gehört eine Rundumschau, wie das Unternehmen per se übertragbar gemacht werden kann.

Wie das Schaubild zeigt, betrifft dies nur zum geringen Teil, wer die Firma später weiterführt, obgleich naturgemäß dies emotional die Hauptrolle spielt. Rational ist es aber viel wichtiger, zunächst eine Weiterführungsstrategie zu entwickeln: Können/wollen die Kinder oder die Familie die Führung des Unternehmens fortsetzen? Wer kommt sonst noch in Betracht, zum Beispiel leitende Mitarbeiter im Rahmen eines Management-Buy-In (MBI) oder externe Manager (siehe hierzu die Internetplattform „stabwechsel.de“). Wie soll der Transfer finanziert werden, das heißt, soll der Übernehmer (intern oder extern) einen Geldbetrag leisten, sofort oder in Raten, zum Beispiel als Leibrente? Muss daher ein Finanzpartner gefunden werden? Darf/soll dieser auch Gesellschafter werden (mit/ohne Mehrheit; mit/ohne Vetorechte)? Diese Liste der essenziellen Grundsätze, wie die Weiterführung erfolgen soll/kann, ließe sich sicher noch ergänzen. Mindestens zwei Varianten sollten in jedem Fall auch rechtlich und steuerlich „durchgespielt“ werden, um eine belastbare Entscheidungsgrundlage zu erhalten.

Sobald klar ist, welche Richtung eingeschlagen wird, um die Fortführung umzusetzen, sind sukzessive die Entscheidungsprozesse auf den Prüfstand zu stellen. Was sollte/müsste sich in Zukunft in der neuen Konstellation ändern? Weiterhin sind Dritte, namentlich Lieferanten, Kunden, Banken und wesentliche Mitarbeiter einzubinden, um dort keinen Vertrauensverlust zu riskieren. Schließlich erfolgt die Umsetzung, die wir im zweiten Teil dieses Beitrags im nächsten Heft für die drei genannten Länder näher beleuchten werden.

Heft 01/02 | 2024 | 73. Jahrgang