Verrückte(s) im und aus dem Miet und WEG-Recht.

Alle Anwältinnen in jedem Rechtsgebiet werden das kennen: Neben den vielen schönen Seiten des Berufs gibt es auch nervige Mandantinnen, unhöfliche Kolleginnen, apathische Richterinnen. Und es gibt auch Kurioses und „Verrückte(s)“. Das ist manchmal lustig, manchmal ärgerlich, manchmal leider auch tragisch.

Neben den menschlichen Aspekten folgen daraus aber auch sehr oft tatsächliche rechtliche Probleme, die man weder durch Kommentarlektüre noch durch Sichtung der Rechtsprechung lösen kann. Hier ist dann Kreativität gefragt oder die Unterstützung von Kolleginnen, etwa aus dem Arbeitskreis Mietrecht und WEG. Für das Miet- und WEG-Recht haben wir mal die schönsten Fälle zusammengetragen. Den Anfang machte Herr Rechtsanwalt Agatsy, der – wie er es sehr treffend bezeichnete – aus dem Bermudadreieck Verwalter-Betreuer- Anwalt berichtete:

Johannes Hofele | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Sprecher des Arbeitskreises Mietrecht und WEG im BAV | www.breiholdt-legal.de
Exklusiv für Mitglieder | Heft 11/2022 | 71. Jahrgang

DER KÖNIG DER DIMENSIONEN

Ein Mieter hat die glorreiche Idee, ein Papierstück in einen Deckenfluter zu legen, das sich natürlich entzündet. Gott sei Dank lösen die Brandmelder aus, die Nachbarn holen die Feuerwehr, das Feuer kann schnell gelöscht werden. Der Vermieter mahnt ihn ab und droht ihm an, eine Betreuung zu beantragen, weil das nicht der erste Vorfall dieser Art war. Die Antwort war wie folgt: „Ich verwahre mich gegen die Abmahnung und werde den König der Dimensionen als meinen Anwalt mandatieren”. Der Vermieter legt dieses Schreiben dem sozialpsychiatrischen Dienst vor. Antwort – wieder O-Ton: „Damit haben wir nichts zu tun! Was sollen wir denn machen. Bei uns im Keller ist kein Platz – außerdem können Sie doch selbst was Gutes tun und das Gespräch suchen“. Der Vermieter folgt diesem psychologisch wertvollen Rat. Das Gespräch verlief wie folgt: „Wenn Du mich anrührst, bringe ich Dich um“. Der Mieter bescheidet den gerufenen Polizisten des Abschnitts 15 ebenfalls, er werde den „König der Dimensionen“ beauftragen. Davon beeindruckt, zieht der Abschnitt 15 von dannen. Leider bleibt es nicht dabei: Der Mieter greift wiederholt andere Mieter an und versucht mittels eines Schlagbolzens, die Tür einer anderen Mieterin in zwei Teile zu spalten. Der Vermieter informiert erneut den sozialpsychiatrischen Dienst.
(Trügerische) Hoffnung keimt auf: Es meldet sich ein vom Gericht bestellter Betreuer, allerdings nur telefonisch, mit einer Mobilnummer und E-Mail-Adresse. Herr Kollege Agatsy erhält aber keine zustellungsfähige Anschrift, sondern nur eine Postfach-Adresse, (wohlgemerkt kein Gerichtspostfach). Der Vermieter möchte erneut kündigen. Eigentlich jetzt kein Problem, wenn der Betreuer für die Wohnungsvorsorge bestellt ist. Was aber, wenn keine Adresse zu erfahren ist und auch eine Nachfrage beim Betreuungsgericht nur die lapidare Antwort ergibt: „Dann stellen Sie doch an das Postfach zu.“ Durch mühevolle Kleinarbeit und Hartnäckigkeit gelingt es dem Kollegen dann doch, dass der Betreuer per E-Mail die Abrechnungen über die Verbrauchskosten anfordert. Es gelingt, den Betreuer unter Zeugen zur Wohnungsübergabe zu bewegen.
Fazit: Küche, Wände, Möbel, Türen mit Brandschäden, alles beschmiert, vieles zerstört. 12.500 EUR Schaden. Ähnliches konnte Rechtsanwalt Hofele berichten, der etwas mehr Glück mit den Gerichten und der Betreuung hatte, dessen Fall allerdings tragisch endete.

ICH MUSS JETZT K…, GANZ DRINGEND K…

Auch diese Mieterin belästigt andere Mieter und Bewohner des Hauses. Sie verrichtet ihre Notdurft im Garten und zeichnet sich ansonsten u. a. durch kreative Gespräche mit einem Handwerker namens Bläser aus, dem sie u. a. lautstark die Frage stellt, ob er seinem Namen entsprechend in den einschlägigen Etablissements bedient werde. Hier stellte der Anwalt selbst den Betreuungsantrag, der auch relativ schnell beschieden wurde. Die Räumungsklage wurde eingereicht, es wurde ausführlich Beweis erhoben und das Gericht kam nach der Beweisaufnahme ausweislich seiner Ausführungen auch zum Schluss, dass die Klage wohl erfolgreich sei. Vor Erlass des Urteils kam aber die Nachricht, dass die Mieterin verstorben sei. Die Umstände sind nicht bekannt. Hier hatte der Vermieter insofern Glück, dass es eine Vollmacht der Mieterin auf einen Bekannten gab und der Bevollmächtigte die Wohnung zurückgab. Allerdings stellt sich hier das Problem, wem der Kostenfestsetzungsbeschluss zugestellt wird. Auch bestehen natürlich noch weitere Forderungen im Hinblick auf das Mietverhältnis. Rechtsanwalt Hofele begibt sich jetzt mühsam auf die Erbensuche.

INDIANA JONES IN DER MIETWOHNUNG

Frau Hoeck-Eisenbach konnte von einem (alkoholkranken) Mieter berichten, der sich auf der Suche nach sakralen Gegenständen in den Wänden seiner Wohnung machte. Denn diese versprachen, positive Strahlen in die Welt zu senden. Professionell mit einem Vorschlaghammer ausgerüstet, bearbeitete er also die Wohnung und schuf auch einen Wanddurchbruch zum Nachbarhaus. Das Ganze ging insofern glimpflich aus, als die Nachbarn das bemerkten und der Mieter eine Mutter hatte, die sich darum kümmerte. Eigentlich hätte auch hier eine Betreuung erfolgen müssen, weil der Mieter volljährig war. Jedoch ging das dann so. Allerdings musste geprüft werden, ob die statische Integrität des Gebäudes betroffen war, und der Eigentümer des Nachbarhauses war auch eher unerfreut. Geld war natürlich keines vorhanden, sodass auch in diesem Fall der Vermieter auf einem Haufen Geld sitzen blieb.

VERFAHRENSVERZÖGERUNG – BERECHTIGTE ANTRÄGE IN DER ABLAGE P BEI GERICHT?

Erfahrungen mit – nicht im klinischen Sinne verrückten Richterinnen – aber verrückten Gerichtsverfahren gab es auch zuhauf: Ein Verfahren läuft seit 2017, der Anwalt beantragt in einem Termin in 2019, bestimmte Ausführungen, die im Termin zum Sachverhalt erfolgten, ins Protokoll zu nehmen. Das Gericht sagt: „Das machen wir nicht“. Protokollberichtigungsantrag und Befangenheitsantrag werden abgelehnt. Dann kam „erfreulicherweise“ Corona, dann aber ging es mit rasanten Tempo weiter: Termin am 08.09.2021 – doch zu früh gefreut: Das Gericht lädt ab. Begründung: Es sei zunächst über die Beschwerden aus dem Jahr 2019 zu entscheiden – diese seien vorrangig. Das Gericht hatte offenbar die Beschwerden nicht weitergeleitet. Weiterer Termin am 29.04.2022 – Abladung aus dienstlichen Gründen.
Oder: drei und mehr Richterwechsel ohne nähere Begründung, ein anderes Verfahren läuft seit 2019, mit vier Ladungen und ebenso vielen Abladungen. Oder eine meinungsstarke Amtsrichterin, die mehrfach sofortige Beschwerden des Landgerichtes – insbesondere den Hinweis, die Sache wäre entscheidungsreif – einfach ignoriert.
Hier haben wir uns über die Erfahrungen mit § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG ausgetauscht.

DER SCHAWARMA-KÖNIG

Einen weiteren Fall konnte Frau Hoeck-Eisenbach berichten, der zwar nicht direkt mit psychisch gestörten Personen zu tun hat, aber bei dem der Vermieter ein stadtbekannter „spezieller“ Vermieter ist: In Unkenntnis dessen zieht eine Familie in das 1. Geschoss, direkt über einen Imbiss namens Schawarma-König. Bei Einzug ist im Imbiss erst mal nicht viel los, er ist auch lange Zeit geschlossen. Das ändert sich aber, als ein neuer Betreiber die XXL-Fritteuse anschmeißt und Tag und Nacht gesunde Sportlernahrung unter die Bevölkerung bringt. Die Rauch-, Dampf-, Geruchs- und Fettschwaden ziehen in die Wohnung, ein Öffnen der Fenster ist nicht möglich. Die Kollegin entscheidet sich zunächst für das selbstständige Beweisverfahren, der Vorschuss wird einbezahlt, der Gutachter bestellt und der schaut sich das mal an. Er kommt zu dem Schluss, dass er einen Test machen muss, indem er „Theaterrauch“ vom Kiosk aus aufsteigen lässt, um zu sehen, wie sich die Luft verteilt. Dazu beraumt er auch einen Ortstermin an. Oh Wunder: Ausgerechnet an diesem Tag ist der Kiosk geschlossen, niemand ist da. Die Kollegin ist hier natürlich in der Zwickmühle: Der Vermieter ist bekannt dafür, nie auf irgendetwas zu reagieren, sodass hier keinerlei Kooperation zu erwarten ist. Der Kiosk hat natürlich – in rechtswidriger Weise – keinen Hinweis auf den Betreiber, sodass die Kollegin diesen erst ermitteln muss. In diesem Falle stellen sich die prozessualen Fragen, wie weiter vorzugehen ist. Dies haben wir natürlich diskutiert. Es bleibt spannend … und wer künftig zum Arbeitskreis kommt, wird die Lösung erfahren.