Vollstreckung eines deutschen Urteils in Dänemark

Trotz dänischem Rechtsvorbehalt gilt die Brüssel-Ia-Verordnung.

Ein großer Teil der Fälle, die vor dänischen Gerichten verhandelt werden, sind Vollstreckungsfälle. Im Jahr 2022 wurden 265.753 Vollstreckungsfälle vor den dänischen Vollstreckungsgerichten „fogedretten“, die den Bezirksgerichten „byretten“ zugeordnet sind, abgeschlossen. Hierzu gehören auch Fälle, in denen ausländische Urteile vor dänischen Gerichten vollstreckt werden. Im Vergleich dazu wurden vor den dänischen Bezirksgerichten insgesamt 786.230 Verfahren abgeschlossen, einschließlich Strafsachen, Nachlasssachen, Zivilsachen und Vollstreckungssachen.

Hans-Oluf Meyer | Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht | Advokat (L), LL.M. & Rechtsanwalt | www.advokatfirma.de
Bastian Ellendt | Rechtsanwalt | www.advokatfirma.de

Dies bedeutet im Ergebnis, dass etwa jedes dritte Verfahren, das vor den dänischen Bezirksgerichten abgeschlossen wird, ein Vollstreckungs- bzw. Gerichtsvollzieherfall ist, der (allein) die Vollstreckung zum Gegenstand hat. Hierdurch wird deutlich, dass die Vollstreckung von Forderungen mit Hilfe des Vollstreckungsgerichts in Dänemark ein wichtiges Thema ist.

DÄNEMARKS RECHTSVORBEHALT

Aufgrund des dänischen Rechtsvorbehalts gelten laut der Edinburgh-Entscheidung nicht alle EU-Rechtsakte in Dänemark. Unter anderem gelten aufgrund dessen in Dänemark nicht die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens und die Verordnung (EU) Nr. 655/2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung.

Ebenso fällt die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-Verordnung) grundsätzlich unter den dänischen Rechtsvorbehalt.

Am 20. Dezember 2012 teilte Dänemark der EU-Kommission jedoch gemäß der Parallelvereinbarung vom 19. Oktober 2005 mit, dass die Brüssel-Ia-Verordnung in Dänemark umgesetzt werde. Damit gilt nunmehr in Dänemark trotz des Rechtsvorbehalts die Brüssel-Ia-Verordnung. Nunmehr kann eine gerichtliche Entscheidung, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen und dort vollstreckbar ist, auch in Dänemark (unkomplizierter) vollstreckt werden.

DER ANTRAG AN DAS VOLLSTRECKUNGSGERICHT

Der Antrag an das Vollstreckungsgericht auf Vollstreckung eines beispielsweise deutschen Urteils muss schriftlich gestellt werden und eine detaillierte Aufstellung der Forderung(en) enthalten. In der Aufstellung müssen die Hauptforderung, die Zinsen, die Kosten und die etwaig erfolgten Zahlungen aufgeführt sein.

Neben dem Vollstreckungsantrag selbst muss auch die Grundlage der Vollstreckung, also der Titel, beigefügt werden. Es reicht aus, eine Kopie dessen einzureichen, das Original muss auf Verlangen des Gerichtsvollziehers nachgereicht werden. Dieser Titel muss die Anforderungen von Artikel 42 der Brüssel-Ia-Verordnung erfüllen, damit die Echtheit nachgewiesen werden kann. Darüber hinaus ist eine Bescheinigung gemäß Artikel 53 der Brüssel-Ia-Verordnung beizufügen.

„Neben dem Vollstreckungsantrag selbst muss auch die Grundlage der Vollstreckung, also der Titel, beigefügt werden“

Der Antrag ist per Brief, gesicherter E-Mail oder per Digitaler Post beim Vollstreckungsgericht einzureichen. Mit der Einreichung des Falles beim Vollstreckungsgericht ist eine Gerichtsgebühr von 750,00 DKK (entspricht in etwa 100,00 Euro) zu entrichten.

Die Gerichtsgebühr gilt für ein Jahr und deckt neben dem eigentlichen Vollstreckungsverfahren auch jede etwaig erforderliche polizeiliche Vorführung des Schuldners oder außergerichtliche Vollstreckungsmaßnahme ab.

DIE ZUSTELLUNG

Nach der Annahme des Vollstreckungsantrags wird der Fall durch den Beamten beim Vollstreckungsgericht, den Gerichtsvollzieher, der in der Regel keine juristische Ausbildung hat, bearbeitet und anschließend die Zustellung an den Schuldner durchgeführt. Zugestellt werden die relevanten Dokumente sowie die Ladung zu einem Termin vor dem Gerichtsvollzieher. Auf welche Art diese Zustellung erfolgt, entscheidet das Vollstreckungsgericht im Einzelfall. Alle Zustellungsarten sind gleichermaßen gültig, und die Zustellung kann durch (vereinfachte) digitale Zustellung, Briefzustellung, Polizeizustellung oder Zustellung durch Veröffentlichung im Staatsanzeiger, bei Eignung sogar per Telefonzustellung, erfolgen.

DER ABLAUF DES VOLLSTRECKUNGSVERFAHRENS

Den Termin vor dem Vollstreckungsgericht leitet der Gerichtsvollzieher. Der Schuldner, der „rekvisitus“ genannt wird, und in der Regel auch der Gläubiger, der „rekvirenten“ genannt wird, sind bei dem Termin anwesend. Der Gläubiger kann entweder persönlich erscheinen oder lediglich telefonisch zugeschaltet sein, während der Schuldner persönlich erscheinen muss.

Wenn der Schuldner nicht an der geplanten Sitzung vor dem Gerichtsvollzieher teilnimmt, obwohl die Ladung ordnungsgemäß zugestellt wurde, kann der Gläubiger beim Vollstreckungsgericht die Ausstellung eines Haftbefehls zur polizeilichen Vorführung beantragen. In manchen Fällen ist diese Ausstellung eines Haftbefehls nicht möglich; sodann kann der Gläubiger die Durchführung außergerichtlicher Gerichtsvollziehergeschäfte am Sitz des Schuldners beantragen.

„Der Gläubiger kann entweder persönlich erscheinen oder lediglich telefonisch zugeschaltet sein, während der Schuldner persönlich erscheinen muss“

Nach dem dänischen Justizverwaltungsgesetz lehnt das Vollstreckungsgericht das Pfändungsverfahren ab, wenn der geladene Gläubiger an dem Termin nicht teilnimmt. Bei zu vollstreckenden Forderungen bis zu 2500,00 DKK kann der Gerichtsvollzieher indes auch ohne Teilnahme des Gläubigers fortfahren.

Der Gläubiger (nicht das Gericht) fragt sodann den Schuldner zum Vollstreckungstermin, ob der Schuldner über Vermögen verfügt, mit dem die Forderungen beglichen werden können, oder das als Sicherheit für die Schuld verpfändet werden kann. Der Termin vor dem Gerichtsvollzieher findet unter strafrechtlicher Verantwortung/ Haftung statt, und der Schuldner ist daher verpflichtet, seine finanziellen Verhältnisse umfassend und wahrheitsgemäß offenzulegen. Nach der Zivilprozessordnung kann das gewöhnliche Vermögen von geringem Wert des Schuldners nicht gepfändet werden, ebenso wenig können lediglich kleine Geldbeträge oder künftige Erwerbe, wie Gehaltszahlungen, gepfändet werden.

Bedeutsam ist bei einer folgenden Kontopfändung, dass diese allein in Höhe desjenigen Kontobetrages zum Tag des Termins vor dem Gerichtsvollzieher vollzogen wird, auch wenn später durch weitere Geldeingänge ein höherer Kontostand besteht.

Wenn der Schuldner keinerlei Vermögenswerte hat, gibt er eine Insolvenzerklärung ab. Das bedeutet, dass der Schuldner in den nächsten sechs Monaten nicht erneut vor das Vollstreckungsgericht geladen werden kann. Wird bei dem Termin eine Pfändung eines Vermögensgegenstandes vorgenommen, für den die erforderliche Sicherungsurkunde einzutragen ist, wie zum Beispiel im Grundbuch oder Pkw-Buch, nimmt das Vollstreckungsgericht die Eintragung vor.

EINWENDUNGEN GEGEN DIE FORDERUNG

Hat der Schuldner möglicherweise gegen die titulierten Forderungen Einwendungen, hat das Vollstreckungsgericht keine Möglichkeit, diese zu berücksichtigen. Nach Artikel 52 der Brüssel-Ia-Verordnung kann die Begründetheit des zu vollstreckenden (ausländischen) Titels von den dänischen Gerichten grundsätzlich nicht inhaltlich überprüft werden.

Nur wenn der Titel gegen die dänische öffentliche Rechtsordnung (ordre public) verstößt oder unter die anderen Fälle des Artikels 45 der Brüssel-Ia-Verordnung fällt, kann das Vollstreckungsgericht die Vollstreckung des ausländischen Titels verweigern.

GERICHTSKOSTEN

In einem Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht muss der Schuldner die Gerichtskosten an den Gläubiger zahlen. Die Gerichtskosten setzen sich aus der Gerichtsgebühr und einer vom Vollstreckungsgericht festgesetzten Terminsgebühr zusammen. Diese decken in der Regel nicht die (üblicherweise nach Stundenaufwand berechneten) Rechtsanwaltskosten, die tatsächlich beim Gläubiger anfallen.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 10/2023 | 72. Jahrgang