Wahl! Wichtig!
Die Satzungsversammlung
I. Keine unwichtige Sache
Nein, es geht hier mal nicht um die wiederholte Wahl 2021 zum Abgeordnetenhaus von Berlin. Derartige „Pannen“ passieren bei der Wahl zur Satzungsversammlung (SV), dem Parlament der Anwaltschaft, nicht. Die Satzungsversammlung erlässt die Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) und die Fachanwaltsordnung (FAO). Es sind dies materielle Gesetze in der Form der Satzung auf Bundesebene, die für alle Rechtsanwältinnen unmittelbare Wirkung entfalten. Keine unwichtige Sache also!
Jörg Schachschneider | Rechtsanwalt | Mitglied der Satzungsversammlung und der Ausschüsse 3 (Geld, Vermögensinteressen, Honorar), 5 (Aus- und Fortbildung) und 7 (Legal Tech) | www.BerlinerAnwalt.com
Deswegen hier einmal ein paar Beispiele aus der Arbeit der 7. SV:
II. Beispiele aus der Arbeit der 7. SV
1.) Keine Fachanwältin für Opferrechte
Wer einen Fachanwältintitel führen möchte, kommt an der von der SV erlassenen FAO, in der die Voraussetzungen dafür normiert sind, nicht vorbei. Die SV befasste sich in ihrer vorletzten Sitzung mit der Frage der Einführung einer neuen Fachanwältin für Opferrechte, die der Ausschuss Fachanwaltschaften vorschlug. Nach sehr intensiver Diskussion wurde dieser Vorschlag dann im Ergebnis von der SV abgelehnt, weil die erforderliche Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder (satzungsändernde Mehrheit) der SV nicht zustandekam.
2.) Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Eine Berliner Vertreterin der SV schlug vor, die Texte der BORA und FAO sprachlich so anzupassen, dass nunmehr nicht nur vom „Rechtsanwalt“ die Rede sei, sondern durchgehend auch von der „Rechtsanwältin“. Diesem Vorschlag stimmte die SV mit sehr großer Mehrheit zu. Die Einführung von Sonderzeichen wie Gendersternchen, Unterstriche, Doppelpunkte o. ä., die Texte nach Meinung des Autors nur noch schwer lesbar machen, wurde nicht vorgeschlagen. Mein (inoffizieller) Vorschlag, für die nächsten 570 Jahre zum Ausgleich für die vorherige Zeit (Untergang des oströmischen Reiches 1453 n. Chr. – im lateinischen hatte man mit den Endungen –us und –a, wie z.B. Augustus und Augusta, eine spracheigene, geschlechterberücksichtigende Besonderheit) eben einfach alles nach dem Motto „wenn schon, denn schon“ weiblich zu formulieren und dann im Jahr 2593 nochmal darüber nachzudenken, wäre wohl nicht mehrheitsfähig gewesen.
3.) Schaffung des neuen § 5a BORA
Aufgrund des neuen § 43f BRAO haben neuzugelassene Rechtsanwältinnen Kenntnisse im Berufsrecht nachzuweisen. Der SV wurde mit § 59a II Nr. 1 h) BRAO die Kompetenz eingeräumt, das Nähere zu regeln. Das tat die SV auf Vorschlag des Ausschusses 5 der SV, wobei der neue § 5a BORA nach meiner Auffassung erfreulicherweise gerade keine Überregulierung enthält, sondern offen und ohne Festlegung einer besonderen Form formuliert ist.
Es war zu berücksichtigen, dass schon nach der BRAO (§ 43f II) die Rechtsanwältin die Kenntnisse im Berufsrecht auch schon innerhalb von sieben Jahren vor ihrer erstmaligen Zulassung erwerben darf. Das Berufsrecht ist nach Auffassung des Autors die einzige Materie, die alle Rechtsanwältinnen gleichermaßen verbindet und betrifft, so dass eine Regelung in diesem Bereich Sinn macht.
4.) Kündigung von Sammelanderkonten
Vielen Rechtsanwältinnen wurden jüngst die Sammelanderkonten für Fremdgelder gekündigt. Ursache war eine Hochstufung des Geldwäscherisikos für diese Konten durch staatliche Behörden und damit verbundene erweiterte Prüfungspflichten der Kreditinstitute. Die SV beschäftigte sich im Bestreben, die Anderkonten möglichst zu erhalten, sehr intensiv damit, hob zunächst den § 4 I BORA auf und änderte dann den früheren Absatz 2 des § 4 BORA. Das Thema ist äußerst komplex und würde hier den Rahmen sprengen.
III. Fazit und Epilog
Es ist stets zu berücksichtigen, dass die SV keine Gesetzgebungsbefugnis wie der Bundestag hat, sondern grundsätzlich nur im Rahmen der bundesgesetzlichen Einräumung von Kompetenzen, das nähere zu regeln, handeln darf. Hierbei können aber durchaus weitreichende Entscheidungen getroffen werden, die über die zuvor genannten Beispiele hinausgehen können. Die Amtszeit der aktuellen 7. SV begann am 1.7.19 und endet am 30.6. dieses Jahres.
Es steht also die Neuwahl der Berliner Mitglieder an. Berlin kann acht stimmberechtigte Mitglieder in die Satzungsversammlung, die zwar bei der BRAK angesiedelt, aber autonomes Rechtssetzungsorgan ist, entsenden. Bitte nehmen Sie an der Wahl zur Satzungsversammlung 2023 teil! Und wenn Sie schon immer mal Gesetzgeber spielen wollten, wenn auch „nur“ in der Form materieller Gesetze als Satzung, oder wenn Sie meinen, pffftt, das kann ich aber besser, dann kandidieren Sie als Berliner Vertreterin für die SV.