Warschauer Konferenz über Legal Tech und künstliche Intelligenz

Internationale Konferenz.

Vom 15.6.–16.6.23 fand in Warschau eine von der Rechtsanwaltskammer Warschau ausgerichtete internationale Konferenz über Legal Tech und künstliche Intelligenz (KI) statt. Zwischen der Warschauer Rechtsanwaltskammer und dem Berliner Anwaltsverein besteht eine lebendige Kooperationsvereinbarung, so dass dieses Mal ich an der Konferenz teilnehmen durfte.

Jörg Schachschneider | Rechtsanwalt | Vorstandsmitglied des BAV |  Mitglied der Satzungsversammlung | www.BerlinerAnwalt.com
Fotos mit besonderem Dank @Okręgowa Izba Radców Prawnych w Warszawie (Rechtsanwaltskammer Warschau)

Eröffnet wurde die spannende Konferenz mit einem Grußwort der Präsidentin der Warschauer Rechtsanwaltskammer, Frau Prof. Monika Calkiewicz.

„Die Verknüpfungsmöglichkeiten von Legal Tech und KI liegen auf der Hand“

Die anschließenden Vorträge beschäftigten sich mit Legal Tech und künstlicher Intelligenz im Bereich der Rechtsdienstleistungen. Die Verknüpfungsmöglichkeiten von Legal Tech und KI liegen auf der Hand.
Die Konferenzsprache war ausschließlich Englisch. Das stellt aber auch für Menschen, die in dieser Fremdsprache nicht so einen wahnsinnig großen Wortschatz haben, wie leider ich (ich kann dafür die Aussprache perfekt imitieren ;-)), jedoch dank verschiedener Übersetzungstools kein Problem dar. Kontrolle lesen sollte man allerdings schon – man hat bei der Übersetzung ja schon enorm viel Zeit gespart – und das Vorlesenlassen so manches Wortes ist wahrlich auch nicht verkehrt.

TEILNEHMER AUS VIELEN LÄNDERN EUROPAS

Dozenten und Gäste aus vielen Ländern – unter anderem Deutschland, Estland, Italien, natürlich Polen, Rumänien, Litauen, Moldau, Portugal, Ukraine, Ungarn – gaben einen sehr schönen Einblick und Überblick über die Entwicklungen von Legal Tech und künstlicher Intelligenz auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt in Europa. Da viele Länder vertreten waren, gab es auch einen Einblick in die dortigen Anwaltschaften und Rechtsdienstleistungsmärkte. Das Anwaltsmonopol ist in den verschiedenen Ländern unterschiedlich ausgeprägt. So gebe es beispielsweise in der Ukraine ein Anwaltsmonopol nur für bestimmte Bereiche des Rechts, wie zum Beispiel das Familienrecht, während viele Bereiche nicht reguliert seien.
Erwartungsgemäß bot die Frage, ob wir Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte durch Legal Tech oder künstliche Intelligenz verdrängt oder ersetzt werden könnten, Stoff für intensive und leidenschaftliche Diskussionen. Dabei konnten nicht nur die Sprecher mitdiskutieren, sondern alle Gäste konnten sich einbringen mit Beiträgen und Fragen an die Dozenten.

LEGAL-TECH-GESCHÄFTSMODELLE IN DEUTSCHLAND UND DAS ANWALTSMONOPOL

Mein Vortrag hatte das Thema „Legal-Tech-Geschäftsmodelle in Deutschland und das Anwaltsmonopol“ zum Gegenstand. Ich trug zu den Auswirkungen der Rechtsprechung des BGH zum Fall „Mietpreisbremse, mietright/ weniger-miete, Lexfox“ etc. vor. Der BGH (Urteil vom 27. November 2019, VIII ZR 285/18) entschied, Realitäten kaum bis nicht kennend, dass die umfangreiche Tätigkeit eines Inkassounternehmens in der Form eines Legal-Tech-Unternehmens auf dem Gebiet des Mietrechts lediglich aufgrund einer Registrierung als Inkassodienstleister nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubt sei. Faktisch hob der BGH damit das Anwaltsmonopol in Deutschland auf, was ihm aber wohl kaum bewusst war und auch sonst keine große Welle schlug. Die große Tragweite dieser (aus meiner Sicht: Fehl-)Entscheidung des BGH ist bei Weitem auch noch nicht bei allen angekommen. Nunmehr reicht das Nadelöhr Inkassolizenz, um umfangreich anwaltlich auf beinahe allen Rechtsgebieten tätig sein und gleichzeitig das anwaltliche Berufsrecht über Bord werfen zu können. Das war nicht im Sinne des Gesetzgebers. Und im Sinne des Verbrauchers ist das ebenfalls nicht. Mehrere Konferenzteilnehmer fragten mich trotz des quantitativen Umfangs des BGH-Urteils nach dem Link dazu. Sooo mies kann mein Englisch also doch nicht gewesen sein ;-).
Meinen Vortrag schloss ich damit, dass künstliche Intelligenz wohl niemals einen solchen Satz wird kreieren können: You can say You to me!

Prof. Monika Calkiewicz sprach das Grußwort
Jörg Schachschneider
Renata, Alexander Turcan, Jörg Schachschneider, Magdalena Bartosiewicz

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IST NICHT INTELLIGENT!

„Menschliche Kontrolle bei der Nutzung von Legal Tech und KI ist also stets geboten, erforderlich und schon aus Haftungsgründen indiziert“ Es zeichnete sich ab, dass KI und Legal Tech nicht Feinde anwaltlicher Tätigkeit sein müssen, sondern dass wir uns diese auch zunutze machen können und sollten. Ich zog den traditionellen Vergleich dazu, dass es auch schon immer einen Unterschied machte und macht, ob eine Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt einen juristischen Kommentar nutzt oder eine nicht juristisch ausgebildete Person. Ein Referent (Holger Zscheyge) brachte aber auch auf den Punkt, was meiner Auffassung entspricht: Künstliche Intelligenz ist nicht intelligent! Menschliche Kontrolle bei der Nutzung von Legal Tech und KI ist also stets geboten, erforderlich und schon aus Haftungsgründen indiziert.

ABENDPROGRAMM

Am Ende des ersten Konferenztages ging es dann auf Einladung der Warschauer Kammer in ein sehr tolles Restaurant. Zwar war ich der einzige, der tatsächlich und trotz des Konferenzthemas mit einem Papierstadtplan anrückte, aber ich war pünktlich angelangt … Als bekanntermaßen ziemlich bornierter Esser darf und muss ich sagen, dass es in einem sehr amüsanten Rahmen großer Gastfreundschaft ganz hervorragend geschmeckt hat!
Ich möchte noch anmerken, dass in Warschau ein 75-Minuten-Fahrschein für Metro, Bus und Straßenbahn 4,40 Zloty kostet. Das ist weniger als 1,– Euro für ein sehr gutes öffentliches Verkehrsnetz, wo man sich übrigens auf Fahrpläne auch noch verlassen kann! Da könnte sich Berlin gleich mehrere Scheiben von abschneiden, besonders wenn die BVG mich tatsächlich liebt.

FESTLICHER BALL NACH DER ARBEIT

Am Abend des zweiten Konferenztages, bei dem der Schwerpunkt auf „Moderne Rechtsanwälte und moderne Technik“ lag, fand ein sehr festlicher Ball statt, von der Festlichkeit her gleich mit unserem Berliner Anwaltsessen (bitte schon mal vormerken: Berliner Anwaltsessen am 3. November 2023; Herbstempfang des Berliner Anwaltsvereins am 2. November). Irgendwann musste ich dann entgegen meiner Natur, und vor allem entgegen meinem Können, ab ca. 2:00 Uhr auch doch noch auf die Tanzfläche, aber glücklicherweise – für Sie und für mich – gibt es davon keine Bilder mehr … 😉 Deswegen kann ich jetzt behaupten: Ich kann nun tanzen.

GROSSE GASTFREUNDSCHAFT

Ich möchte mich für die Einladung, die große Gastfreundschaft, die kompetente Organisation und die fabelhafte Veranstaltung sehr herzlich bedanken bei (leider nicht vollständig, da ich nicht alle Namen vollständig kannte und mein Namensgedächtnis nicht unbegrenzt ist):

Itzik Amiel, Przemysław Barchan, Magdalena Bartosiewicz, Regina Bondarenko, Valentina Brecevich, Beata Brynczak, Monika Calkiewicz, Marco Ciurcina, European Legal Technology Association (ELTA), Sebastian Grzywacz, Péter Homoki, Aidas Kavalis, Sylwia Kołodziej, Kacper Krysztofik, Barbora Obračajová, Katarzyna Okonek, Okręgowa Izba Radców Prawnych w Warszawie (OIRP), Mikołaj Otmianowski, Bianca Racolta, Karolina Šilingienė, Aku Sorainen, Orsolya Szabó, Alexander Turcan, Tomasz Zalewski, Holger Zscheyge.

Dziękuję! Hope to see You in Berlin! You can say You to me.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 09/2023 | 72. Jahrgang