Warum wir ausbilden

Es lohnt sich.

Schon zwei Jahre vor dem Renteneintritt unserer erfahrensten ReFa hatten wir in der Partnerrunde darüber gesprochen, dass wir uns darauf vorbereiten und für Nachwuchs sorgen sollten, solange sie noch da ist. Gut organisiert, wie wir sind, haben wir das natürlich … nicht geschafft. Allerdings konnten wir dann kurze Zeit später eine Auszubildende im ersten Lehrjahr übernehmen, die mit ihrer bisherigen Ausbildungsstelle nicht zufrieden war, sodass wir die Personallücke jedenfalls dadurch teilweise decken konnten.

Johannes Hofele | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Breiholdt und Partner Rechtsanwälte | Sprecher des Arbeitskreises Mietrecht und WEG im BAV

WAS SPRICHT DAFÜR, SELBST AUSZUBILDEN?

Und da sind wir schon bei dem ersten und wichtigsten Punkt, warum man ausbilden kann und sollte: Wenn man sich ein paar Gedanken macht, wie man die Ausbildung organisiert und alle AnwältInnen und MitarbeiterInnen einbezieht, können auch Auszubildende vom ersten Tag an produktiv sein. Für uns zwar zum Beispiel relevant, dass wir die Auszubildende direkt am Telefon einsetzen konnten und nicht auf einen Telefondienstleister zurückgreifen mussten. Das Telefon ist auch heute noch die Visitenkarte der Anwaltskanzlei. Die Schulung im Hinblick auf Freundlichkeit und Kundenorientierung ist nicht sehr aufwendig und erfahrungsgemäß machen die jungen Leute das sehr gern und auch gut. Auch unser jetziger Auszubildender war von Anfang an ein Naturtalent am Telefon und eine echte Bereicherung. Wir erhalten ungefragt positive Rückmeldungen von Mandanten. Durch die Arbeit am Telefon erhalten die Auszubildenden auch ungefiltert Einblick in die Kanzleiabläufe und die Mandantenstruktur.
Das führt zum nächsten Punkt: Wenn man einem Auszubildenden erklären muss, „wie das hier läuft“, ist man gezwungen, die eigenen Arbeitsabläufe zu beschreiben. Dabei könnte es durchaus passieren, dass man feststellt, dass dabei erstaunliche Merkwürdigkeiten zu Tage treten (bei uns natürlich nicht, weil – s.o. – bei uns immer alles perfekt organisiert ist). Das kann durchaus Anlass geben, darüber nachzudenken und das eine oder andere vielleicht zu ändern. Wir haben uns jedenfalls überlegt, dass wir durch die Auszubildenden quasi als Nebenprodukt ein Kanzleihandbuch erstellen lassen.

UND DIE NACHTEILE?

Natürlich kostet die Einarbeitung Zeit, die Arbeitsergebnisse müssen akribisch geprüft werden, es passieren trotzdem Fehler. Und Geld kostet es auch. Und junge Leute ticken auch anders, sodass man auch schon mal mit Überraschungen rechnen muss.

UND WAS SAGEN DIE AUSZUBILDENDEN?

Aber man soll ja miteinander reden und nicht nur übereinander, wie es so schön heißt. Daher möchte ich Herrn Buchholz, unseren derzeitigen Auszubildenden zu Wort kommen lassen:
„Meine erste Ausbildung musste ich aus gesundheitlichen Gründen abbrechen und hatte keine Idee, was ich nun machen sollte, ich konnte mich auch nicht recht für etwas begeistern. Durch einen persönlichen Kontakt konnte ich in der Kanzlei zunächst ein Praktikum machen. Ich war erst nicht sicher, ob ich dies überhaupt machen möchte, weil ich nie der Typ fürs Büro war. Ich habe mich dennoch dazu entschieden, weil ich nichts zu verlieren hatte. Ich konnte es ja mal ausprobieren, schadet ja nicht, dachte ich mir.
An meinem ersten Tag im Büro wurde ich sehr nett empfangen, alle waren super freundlich, was ich von einem Büro so erst mal nicht erwartet hätte. Ich wurde langsam an den Beruf herangeführt und bekam mit der Zeit immer mehr Aufgaben zugeteilt. Mir hat es gefallen, gebraucht zu werden, ich habe mich wohl gefühlt, auch wenn ich noch nicht ganz von dem Beruf überzeugt war.

„Ich habe mehrere Male darüber nachgedacht aufzuhören und etwas anderes zu machen. Ich habe mich aber durchgebissen und Mut, Zuspruch und Ansporn von allen bekommen“

Offenbar habe ich mich aber nicht ganz dämlich angestellt, weil die Kanzlei mir tatsächlich einen Ausbildungsplatz angeboten hatte. Ich habe länger nachgedacht, ob ich das Angebot annehmen soll. Hauptsächlich habe ich den Ausbildungsplatz angenommen, weil mir das Arbeitsumfeld und die Kollegen gefallen haben. In meiner Ausbildung habe ich mehr Aufgaben, welche auch mehr Verantwortung mit sich brachten, übernommen. Ich wurde immer weiter an das Rechtssystem herangeführt und je weiter es ging, umso mehr dachte ich, dass ich das nicht schaffen würde und es zu schwer für mich sei. Ich habe, nachdem ich schon ein halbes Jahr in der Ausbildung war, mehrere Male darüber nachgedacht aufzuhören und etwas anderes zu machen. Ich habe mich aber durchgebissen und Mut, Zuspruch und Ansporn von allen bekommen. Nach 10–11 Monaten in der Ausbildung fing es wirklich an, mir Spaß zu machen. Ich habe mich immer mehr für das Rechtssystem begeistern können, wie viele Möglichkeiten und Wissen es darüber gab, wovon man selbst definitiv profitiert. Auch wenn das Rechtssystem manchmal ziemlich bescheuert ist. Ich habe mich durchgebissen und es zahlt sich aus. Es macht mir Spaß, neues über das Rechtssystem zu lernen und mich damit auseinanderzusetzen.“

ERST AUSZUBILDENDE, JETZT MITARBEITERIN

Die eingangs erwähnte Auszubildende haben wir übernommen, sie kümmert sich auch um die Ausbildung des neuen Nachwuchses, was die Sache natürlich auch vereinfacht, weil sie unmittelbar ihre eigenen, noch nicht so „alten“ Erfahrungen weitergeben kann. Wir haben mit ihr auch eine Mitarbeiterin, die unsere Kanzlei durch und durch kennt. Der anfängliche „Nachteil“ der Ausbildung wird durchaus dadurch kompensiert, dass es keine Reibungsverluste durch die Einarbeitung einer „fremden“ ReFa gibt.

FAZIT

Mit den Arbeitskräften ist es wie mit den Wohnungen: Alle beklagen sich, dass es zu wenig gibt … aber woher sollen sie kommen, wenn nicht alle, die sie schaffen können, es einfach tun. Natürlich ist es eine Mehrbelastung, und wenn es junge Leute sind, ist auch ein Gutteil Erziehungsarbeit dabei. Und man muss mit den Auszubildenden genauso Glück haben wie mit allen Mitarbeiter- Innen, die man einstellt. Wir haben es jedenfalls nicht bereut und werden nach Möglichkeit auch weitere ReFas ausbilden. Und nein: Wir geben sie nicht her. Abwerbeangebote sind sinnlos.

Exklusiv für Mitglieder | Heft 05/2023 | 72. Jahrgang