Was ich als Berufsanfänger gern gewusst hätte

Wissenswertes für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger1Die hier gewählten Mehrfachnennungen beziehen sich immer zugleich auf weibliche, männliche und diverse Personen. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen.

Liebe Kollegin, lieber Kollege, ich darf Sie beglückwünschen! Nach vielen Jahren harter Ausbildung sind Sie Teil der Rechtsanwaltschaft geworden. Durch zwei erfolgreich abgeschlossene Staatsprüfungen haben Sie bewiesen, dass Sie mit komplizierter Materie und einem hohen Stresslevel gut umgehen können. Sie können zu Recht stolz auf sich sein!

Allan Böhner | Rechtsanwalt | Kanzlei Bethge.Reimann.Stari | www.brs-rechtsanwaelte.de

Mit Ihrer Zulassung sind Sie Teil einer Berufsgemeinschaft geworden, für die allerlei Besonderheiten gelten. Das geht von der eigenen Organisation über die Versorgung im Alter bis hin zu eigenen Rechten und Pflichten, die gesetzlich geregelt sind. Sie müssen sich einerseits bei Berufsstart mit der Organisation Ihres Büros, der Aktenan- und -ablage sowie der Mandantschaft auseinandersetzen. Aber auch darüber hinaus wartet allerlei Neues auf Sie. Mag zwar aller Anfang schwer sein, so wohnt jedem auch ein Zauber inne. Dieser Beitrag soll Ihnen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, einen kurzen Überblick darüber geben, was in der ersten Zeit auf Sie zukommt.

DIE RECHTSANWALTSKAMMER BERLIN

Durch Ihre Vereidigung sind Sie Mitglied der Rechtsanwaltskammer (RAK) geworden. Hier findet die Selbstorganisation der Berliner Anwaltschaft statt. Die zugehörige Dachorganisation in Deutschland ist die Bundesrechtsanwaltskammer, zu der die 27 regionalen Kammern und die Kammer beim BGH gehören. Diese führt auch das amtliche Anwaltsverzeichnis, in dem Sie von nun an gefunden werden können.

Die RAK ist Ihr Ansprechpartner in allen Fragen der Berufspflicht. Sie übt auch die Berufsaufsicht aus, um das seriöse und berufsrechtlich einwandfreie Arbeiten der Anwaltschaft in Berlin zu gewährleisten. Sollten Sie einmal vor großen Berufsfragen stehen: Greifen Sie zum Telefon. Die RAK unterstützt Sie durch ihren Vorstand und ihre Geschäftsstelle bei der reibungslosen Ausübung Ihres Berufs. Wenn Sie Fragen zu einem Kanzleiwechsel haben, zur Selbständigkeit oder in Konflikte mit Kolleginnen oder Kollegen geraten, wenden Sie sich an sie.

Als Mitglied zahlen Sie einen Jahresbeitrag, der seit März 2024 365,00 Euro beträgt. Wer diesen Beitrag zahlt, Sie selbst oder Ihr Arbeitgeber, ist Frage der Ausgestaltung Ihres Beschäftigungsverhältnisses.

In den Kammerversammlungen kommen die Mitglieder der RAK zusammen und fassen gemeinsame Beschlüsse. Auch Sie haben als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eine Stimme, die Sie nutzen können. Hierzu gehören die Entscheidungen darüber, wie die Beiträge der Mitglieder verwendet werden und sich die RAK organisiert. So wurde beispielsweise im März 2024 beschlossen, dass die Mittel nicht mehr dafür aufgewendet werden sollen, alle Anwaltszimmer in Berlin geöffnet zu lassen, oder auch, dass sich die RAK für die Abschaffung der Singularzulassung beim BGH in Zivilsachen einsetzt.

DAS VERSORGUNGSWERK DER RECHTSANWÄLTE

Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte ist eine öffentlich- rechtliche Körperschaft für die Berliner Anwaltschaft. Anders als die gesetzliche Rentenversicherung finanziert es die Versorgung im Alter, bei Berufsunfähigkeit und für Hinterbliebene ausschließlich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder. Es ist unabhängig von staatlichen Zuschüssen.

Sie werden kraft Ihrer Mitgliedschaft in der RAK auch dort Mitglied. Nach Ihrer Vereidigung müssen Sie dem Versorgungswerk umfassende Informationen zur Verfügung stellen. Konfrontiert werden Sie auch mit der sogenannten Nachversicherung.

Wenn Sie innerhalb von einem Jahr nach dem Ausscheiden aus dem juristischen Vorbereitungsdienst Mitglied beim Versorgungswerk werden, können Sie den Antrag auf Nachversicherung stellen. Diesen stellen Sie bei Ihrem ehemals zuständigen Dienstherrn, also dem Oberlandesgericht, das für Sie als Referendarin oder Referendar zuständig war. Bei Bewilligung des Antrags werden nach Maßgabe der beitragspflichtigen Einnahmen die Beiträge an das Versorgungswerk abgeführt. Ihre Mitgliedschaft wird dann vorgezogen auf den Zeitpunkt Ihrer Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst. Die Nachversicherung bewirkt, dass sich die Anwartschaft auf die Altersrente erhöht. Der Antrag liegt der Mappe bei, die Sie vom Versorgungswerk erhalten.2Für weitere Informationen zu Ihrer Mitgliedschaft im Versorgungswerk verweise ich auch auf den Beitrag des Kollegen Dr. Schnitzler im Berliner Anwaltsblatt (Ausgabe 4/2024, S. 133 ff.).

ANWALTSCHAFT UND TECHNIK

Wundern Sie sich nicht über Post von der Bundesnotarkammer! Zwar ist Ihr grundsätzlicher Ansprechpartner die RAK, über die Bundesnotarkammer werden Sie aber einen treuen Begleiter erhalten: Ihre beA-Karte und das Kartenlesegerät. Über das besondere elektronische Anwaltspostfach kommunizieren Sie mit Gerichten, Behörden und auch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen. Eine Anleitung zur Ersteinrichtung und Aktivierung von beA findet sich auf der Website der Bundesrechtsanwaltskammer (www.brak.de/anwaltschaft).

So fortschrittlich das für das „Digital-Natives“-Land Deutschland auch klingen mag: mit den Sperenzien der Technik werden Sie noch schnell genug in Berührung kommen. Ausfälle bei beA kommen vor und die Papierakte ist nach wie vor weit verbreitet.

„Mit den Sperenzien der Technik werden Sie noch schnell genug in Berührung kommen“

Hier nicht verzweifeln! Ein Zurück zum Fax kann und wird es nicht geben. Ganz im Gegenteil: Seit 2022 ist die Kommunikation mit den Gerichten verpflichtend elektronisch durchzuführen, die E-Akte ist aus den meisten Kanzleien nicht mehr wegzudenken und der Trend geht zur Integration von künstlicher Intelligenz.

PFLICHTFORTBILDUNGEN

Auch mir steckte zur Vereidigung noch der Schrecken des Zweiten Staatsexamens in den Knochen. In einer Hinsicht kann ich Sie beruhigen: Bis zur Fachanwalts- oder Notarprüfung wird Sie kein Klausurenmarathon mehr erwarten. Dennoch werden Sie als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte an Lehrveranstaltungen teilnehmen müssen.

Nach § 43f BRAO, § 5a BORA haben Sie innerhalb des ersten Jahres nach Erstzulassung an einer Pflichtfortbildung im anwaltlichen Berufsrecht teilzunehmen, die mindestens zehn Zeitstunden umfassen soll. Eine Anrechnung aus dem Referendariat ist möglich: Bis zu vier Zeitstunden können dadurch nachgewiesen werden, dass Sie an den Einführungslehrgängen zur Anwaltsstation teilgenommen haben und hierfür Teilnahmebestätigungen vorweisen können. Bewahren Sie diese also gut auf!

Mag es auf den ersten Blick vielleicht etwas lästig erscheinen, dass Sie sich gleich nach der Zulassung erstmal über Ihr Berufsrecht belehren lassen müssen, so kann ich Ihnen diese Befürchtung nehmen: Sie kommen bei einer Pflichtfortbildung nach § 43f BRAO nur mit Ihresgleichen zusammen, also Junganwältinnen und Junganwälten. Tauschen Sie sich aus und lernen Sie sich kennen! Bei der Veranstaltung selbst erfahren Sie Spannendes dazu, welche Rechte und Pflichten Sie im Rahmen Ihres freien und unabhängigen Berufes haben. Hinter den Kernmaximen der Unabhängigkeit, der Verschwiegenheitspflicht und dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen verbergen sich nicht nur leere Worthülsen. Bedenken Sie, dass Sie sich darauf haben vereidigen lassen, die Pflichten einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwalts gewissenhaft zu erfüllen. Hier erfahren Sie, was genau dahintersteht. Veranstaltet werden die Fortbildungen unter anderem vom Deutschen Anwaltsinstitut und dem Berliner Anwaltsverein.

ORGANISATION UND ZUSAMMENKOMMEN

Die berufliche Tätigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten ist ungemein vielfältig und die gesammelten Erfahrungen weichen teilweise erheblich voneinander ab. Aus vielen geführten Gesprächen weiß ich sehr gut, dass gerade in der Anfangszeit auch viel Frustration im Raum stehen kann. Da sagt das Rechtsgebiet nicht zu, die Strukturen sind veraltet oder auch die Arbeitszeiten entsprechen nicht dem Gewollten – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Hier hilft es, sich auszutauschen und sich mitzuteilen. Viele Situationen werden so oder so ähnlich bereits einmal vorgekommen sein. Der Austausch miteinander wird Ihnen helfen, auch vermeintlich nicht schaffbare Situationen zu meistern.

„Teilnahme und Teilhabe gehen in unserem Beruf Hand in Hand“

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte treffen in verschiedenen Rahmen aufeinander, in denen sich die perfekte Gelegenheit für einen derartigen Austausch bietet. Gehen Sie zu Fortbildungen, den Kammerversammlungen und denken Sie über eine Mitgliedschaft im Berliner Anwaltsverein nach. In den Arbeitskreisen kommen Ihre Kolleginnen und Kollegen zusammen und sprechen ganz konkret über aktuelle Themen. Haben Sie den Veranstaltungskalender im Blick. Für Junganwältinnen und Junganwälte bieten sich einige Vorteile: vergünstigte Mitgliedschaften, Beratungs- und Mentoringangebote. Auch ein sogenannter After-Work-Get-Together ist weniger steif und förmlich, als Sie vielleicht denken.

Probieren Sie sich also aus, und: Engagieren Sie sich! Die Berliner Anwaltschaft lebt von ihren Mitgliedern und dem Potenzial, das sie entfalten. Nehmen Sie an den Kammerversammlungen teil, stellen Sie Anträge und stimmen Sie ab! Gemeinsam ist Veränderung möglich und viel kann bewegt werden. Teilnahme und Teilhabe gehen in unserem Beruf Hand in Hand. Ich wünsche Ihnen einen guten Start!

Heft 06 | 2024 | 73. Jahrgang

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    Die hier gewählten Mehrfachnennungen beziehen sich immer zugleich auf weibliche, männliche und diverse Personen. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen.
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    Für weitere Informationen zu Ihrer Mitgliedschaft im Versorgungswerk verweise ich auch auf den Beitrag des Kollegen Dr. Schnitzler im Berliner Anwaltsblatt (Ausgabe 4/2024, S. 133 ff.).