Werbeverbot für Kreuzfahrten?
Vom grünen Marketing zur Klageflut – jetzt droht auch noch das Werbe-Aus
Das Thema Nachhaltigkeit ist inzwischen auch auf hoher See angekommen. Immer mehr Passagiere legen Wert auf umweltfreundliches Reisen, Anbieter versuchen, diesem Trend zu begegnen, sei es durch umweltfreundliches Flüssigerdgas (LNG) oder klimapositive Schokolade im Bordrestaurant. Doch wer heute mit CO2-Kompensation oder Klimaneutralität wirbt, sollte besser wissen, was er tut, und gut informiert bleiben: während Deutschland und die EU noch darüber diskutieren, wie nachhaltige Werbung rechtssicher funktionieren kann, hat Den Haag bereits ein regionales Werbeverbot für die Kreuzfahrt verhängt.

Marie Vandersanden | LL.M. Eur. Rechtsanwältin und Lehrbeauftragte für Gewerblichen Rechtsschutz und Tourismusrecht der Universitäten Bremen und Wien | TourismLawyers – Rechtsanwaltskanzlei Vandersanden | www.TourismLawyers.de
Alle Bilder sind KI generiert.

„Während Deutschland und die EU noch darüber diskutieren, wie nachhaltige Werbung rechtssicher funktionieren kann, hat Den Haag bereits ein regionales Werbeverbot für die Kreuzfahrt verhängt“
GREEN CLAIMS VS. GREENWASHING
Was als grüne Botschaft beginnt, kann in einem Greenwashing- Skandal enden. Wer behauptet, seine Kreuzfahrt sei klimafreundlich oder gar emissionsfrei, muss diesen Claim belegen und korrekt einordnen können. Die Grenze zwischen glaubhafter Kommunikation und irreführender Werbung ist schmal. Kommt es zur Abmahnung, kann die Reputation schnell über Bord gehen. Grüne Kommunikation steht im Spannungsfeld ambitionierter Markenversprechen und regulatorischer und moralischer Nachhaltigkeitspflichten.
TUI CRUISES IM FOKUS
Besonders prominent im Rampenlicht stand jüngst TUI Cruises nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Der Claim 2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero) wurde im Zuge etlicher Unterlassungsklagen wegen irreführender Nachhaltigkeitskommunikation als unzulässig bestätigt (Landgericht Hamburg v. 9.8.2024, 315 O 9/24). Vorwurf: eine zu ambitionierte Zukunftsprognose, keine belastbare Grundlage. Das bestätigt erneut: Viele Nachhaltigkeitsaussagen blicken zu weit voraus und enden im juristischen Blindflug als Wettbewerbsverstoß.
BGH BESCHRÄNKT WERBUNG MIT KLIMANEUTRALITÄT
Der Bundesgerichtshof hat jüngst in einer Grundsatzentscheidung klare Worte zur Umweltwerbung gefunden: Schwammige Begriffe wie klimaneutral, umweltfreundlich oder grün sind ohne Erläuterung tabu. Es bestünde ein erhöhtes Informationsbedürfnis hinsichtlich des Umweltschutzes, ähnlich wie bei Gesundheitsaussagen. Klimaneutrale Anpreisungen müssen erklären, ob Emissionen reduziert oder nur kompensiert werden. Beides sei zulässig, aber keinesfalls gleichwertig. Vorrang habe die Reduktion. Erklärungen gehörten in die Werbung selbst, nicht in den verlinkten Beipackzettel (BGH v. 27.6.2024, X ZR 98/23). Und wie immer im Lauterkeitsrecht geht Unklarheit zulasten des Werbenden.
DEN HAAG: EIN WERBEVERBOT ALS SIGNAL FÜR DIE GESAMTE KREUZFAHRTBRANCHE?
Seit dem 1.1.2025 gilt in Den Haag ein regionales Werbeverbot im öffentlichen Raum für besonders emissionsintensive Unternehmen, darunter Kreuzfahrt, Flugreisen und fossile Brennstoffe. Das Eilverfahren des niederländischen Reiseverbands und der TUI Nederland auf Aufhebung des Gesetzes vom 12.9.2024 blieb erfolglos (Rechtsbank Den Haag v. 25.4.2025, C/09/681480/KG ZA 25-200). Das Werbeverbot gilt und ist deutlich drastischer als die Konkretisierung von Green Claims durch BGH und EU. Denn es untersagt Werbung völlig, egal ob ehrlich oder geschönt. Es geht also nicht mehr um das „Wie“ der Werbung, sondern um „Ob“ überhaupt.
VORBILD TABAKWERBUNG UND WEITERE INITIATIVEN?
Es liegt nahe, Parallelen zur Tabakwerbung zu ziehen. Was mit Warnhinweisen begann, endete ebenfalls in einem vollständigen Werbeverbot. Könnte der Kreuzfahrt ähnliches drohen? Hinweise und Signalwirkungen darauf gibt es: In Frankreich gilt seit 2022 ein Werbeverbot für fossile Brennstoffe. Es könnte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich andere Staaten anschließen oder eine EUweite Regelung vorgeschlagen wird. Weitere niederländische Gesetze sind in Planung; die schottische Hauptstadt Edinburgh hat 2024 ein Verbot der Werbung von Unternehmen für fossile Brennstoffe und Fluggesellschaften eingeführt; 2021 wurde die Europäische Bürgerinitiative Ban Fossil Fuel Advertising and Sponsorships gemäß der Verordnung (EU) 2019/788 des Europäischen Parlaments und des Rates, die auch Schiffsverkehr umfasste, registriert (Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1037 der Kommission v. 16.6.2021, L 226/36); der UN-Generalsekretär António Guterres rief 2024 in einer Rede alle Länder dazu auf, Werbung von Unternehmen, die fossile Brennstoffe verwenden, zu verbieten; im Mai 2025 wurde in UK eine Petition für ein fossiles Werbeverbot mit über 100.000 Stimmen geschlossen.
EU-RECHTLICHE GROSSWETTERLAGE: EU GREEN DEAL
Der europäische Green Deal bringt ab 2026 zwei neue Richtlinien: EmpCo und Green Claims. Hintergrund für diese Initiative war ein EU-Sweep aus 2021, der über 50 Prozent aller Umweltaussagen in der Werbung als vage, irreführend, unpräzise oder gänzlich unbelegt überführte. Unternehmen soll durch massive Verschärfung der Anforderungen erschwert werden, mit dem Anschein von Nachhaltigkeit den Umsatz anzutreiben. Gefordert wird maximale Transparenz, Wahrheit und Klarheit. Da die neuen EU-Vorgaben über die UGP-Richtlinie in das deutsche UWG implementiert werden, wird die jüngste BGH-Rechtsprechung zur Klimaneutralität also schon bald wieder überholt sein. Der BGH wird insbesondere hinsichtlich seiner Aussagen zur Klimakompensation direkt nachschärfen müssen.
„Da die neuen EU-Vorgaben über die UGP-Richtlinie in das deutsche UWG implementiert werden, wird die jüngste BGH-Rechtsprechung zur Klimaneutralität schon bald wieder überholt sein“
EMPCO: AUFRÄUMEN IM WERBEVERSPRECHEN-DSCHUNGEL
Die Empowering Consumers for the green transition Directive (EU) 2024/825, kurz EmpCo, verbietet pauschale Umweltbegriffe wie grün oder umweltfreundlich sowie produktbezogene Aussagen, wenn nur ein Teil betroffen ist. Künftig sind nur noch spezifische Aussagen erlaubt und diese müssen nachvollziehbar sein. CO2-Kompensation darf nicht mehr als klimaneutral bezeichnet werden, wenn sie außerhalb der eigenen Lieferkette stattfindet.
„CO2-Kompensation darf nicht mehr als klimaneutral bezeichnet werden, wenn sie außerhalb der eigenen Lieferkette stattfindet“
Nur tatsächliche Emissionsreduktion zählt. CO2-Einsparung und CO2-Kompensation werden nicht als gleichrangig bewertet. Die EU sieht bei Co2-Kompensation ein erhöhtes Irreführungsrisiko, da der falsche Eindruck erweckt werde, das Produkt selbst oder dessen Herstellung habe keinen Einfluss auf die Umwelt. Werbung mit Kompensation und Investition in Umweltinitiativen bleibt aber möglich, da alles andere wäre dem Umweltschutz nicht dienlich wäre, die Aussagen können jedoch nur bei nicht täuschender Erörterung und Überschaubarkeit der Auswirkungen Bestand haben. Werbung mit Waldschutzprojekten und Aufforstungsprojekten sind künftig passé.
„Werbung mit Waldschutzprojekten und Aufforstungsprojekten sind künftig passé“
Zulässig bleiben ausschließlich Aussagen, die sich auf den gesamten Lebenszyklus stützen und nicht auf Kompensation von Treibhausgasemissionen außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette. Zudem werden unternehmenseigene Nachhaltigkeitssiegel abgeschafft. Zertifikate dürfen künftig nur noch von anerkannten oder staatlichen Stellen vergeben werden. Werbung mit Umweltzielen und Versprechen für die Zukunft müssen messbar, belegt und strategisch abgesichert sein. Die EmpCo gilt nach Umsetzung in den Mitgliedstaaten bis zum 27.3.2026 ab dem 27.9.2026.
GREEN CLAIMS DIRECTIVE: KLARHEIT VOR KREATIVITÄT
Die Green Claims Directive, COM (2023) 166 final, ist lex specialis zur EmpCo für grüne Aussagen. Der Vorschlag sieht eine Ex-ante-Verifizierung und Konformitätsprüfung vor: Green Claims und Nachhaltigkeitssiegel müssen vor Veröffentlichung freigegeben werden, die Konkretisierung bleibt abzuwarten. Grundlage sollen wissenschaftliche Studien, Lebenszyklusanalysen (LCA) oder Umweltfußabdrücke (PET) sein. Umweltaspekte, Umweltauswirkungen, Umweltleistung, Studien, Berechnungen etc. sollen transparent belegt und für Verbraucher zugänglich sein, z. B. per Link oder QR-Code. Auch Umweltzeichen sollen vereinheitlicht und überprüfbar werden, inkl. Konformitätsprüfung und Zertifizierungen durch unabhängige Stellen. Ziel: Abschaffung der Fantasie-Siegel für verlässliche Standards. Die Green Claims wird voraussichtlich 2027 in Kraft treten. Sie befindet sich seit dem 28.1.2024 in der Trilog-Phase und wird voraussichtlich Ende 2025 verabschiedet.
UND WAS DROHT BEI VERSTÖSSEN?
Bußgelder bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes, Einzug aller Einnahmen aus irreführender Werbung, Reputationsschäden und wettbewerbsrechtliche Unterlassungsund Schadensersatzansprüche drohen. Ausnahmen und Verlängerungen der Umsetzungsfristen gibt es, sie sind jedoch ohne Relevanz für die Kreuzfahrtbranche.
GREENHUSHING ALS AUSWEG?
Gar nicht mehr über Nachhaltigkeit reden, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein? Das wäre für Umwelt und Unternehmen gleichermaßen fatal. Wer schweigt, verliert Sichtbarkeit, Vertrauen und Anschluss an eine zunehmend bewusstere Kundschaft.

EINE SEEFAHRT, DIE IST LUSTIG …?
Wenn sie richtig beworben wird, bleibt die Seefahrt lustig. Die neuen Vorgaben bieten auf der Positivseite künftig mehr Rechtssicherheit und die Chance auf echte Nachhaltigkeitsinnovation. Wer sie fundiert anwendet, ehrlich wirbt und Zertifizierungen und Kampagnen rechtzeitig anpasst, gewinnt Glaubwürdigkeit und einen Wettbewerbsvorteil. Solange branchenspezifische Werbung noch erlaubt ist, sollte Marketing sich eng mit Legal abstimmen, um davon zu partizipieren.



