Unternehmensnachfolge bei familiengeführten Unternehmen

… in Deutschland, Italien und der Schweiz – 2. Teil – der Blick über die Grenzen

Im ersten Teil hatten wir bereits einen Überblick geben können und zur Lage in Deutschland anhand der aktuellen 10. Unternehmenskunden-Studie der Commerzbank (Coba-Studie) und den statistischen Auswertungen des IFM-Instituts in Bonn (Fels IFM, 2021) berichtet. In gleicher Weise (und Dramatik) berichtet nun eine der wichtigsten deutschen Wirtschaftszeitungen, mit Verweis auf eine aktuelle IFO-Studie, dass 50 Prozent der größten deutschen Familienunternehmen in den kommenden drei Jahren eine Übergabe der Geschäftsleitung planen (F.A.Z. vom 15. Januar 2024). Die Übergabe der Trigema mit ihrem langjährigen CEO und Inhaber Wolfgang Grupp ist hierbei der Aufmacher.

Bis vor Kurzem galt Trigema als Beispiel für eine aufgeschobene Übergabe, weil der Senior der Ansicht ist, „Ich bin noch fit“ oder „Das hat noch Zeit“, wie Raschke vom IFM Institut 2002 bereits ermittelte (Raschke, IFM 2002, S. 40). Gut, dass dies nun den erfolgreichen Übernahmen zugeordnet werden kann. Das Thema „rechtzeitige Planung und Vorbereitung“ bleibt dennoch eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Übergabe – intern oder extern!

Im zweiten Teil nehmen wir unsere Nachbarländer stärker in den Fokus.

Adi Seffer | Rechtsanwalt | Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht | Fachberater Unternehmensnachfolge (DStV e. V.) | Partner in der Kanzlei PrimePartners Wirtschaftskanzlei
Mario Dusi | (Avvocato) zugelassen RAK Milano und München | DusiLaw Legal&Tax
Dr. Markus Zwicky | Rechtsanwalt und Notar | Fachanwalt SAV Erbrecht | ZWICKY & PARTNER

DIE SCHWEIZ – ÄHNLICH, ABER – WIE IMMER – DOCH GANZ ANDERS!

In der Schweiz stellen sich bei der Planung der Unternehmensnachfolge verschiedene Herausforderungen, die ihren Ursprung in der Pflicht zur Wahrung der Pflichtteile und der daraus geschaffenen eingeschränkten Gestaltungsfreiheit der Erblasser haben. Weder das Ehegüterrecht noch das Erbrecht sind in erster Linie unternehmerfreundlich, vielmehr sind sie auf eine Realteilung ausgerichtet.

Bei der Nachfolgeplanung wird oft die Bedeutung des ehelichen Güterrechts unterschätzt. Grundsätzlich sind ohne ehevertragliche Regelung die Früchte des Erfolgs, welche ins Privatvermögen überführt wurden, hälftig mit dem Ehepartner zu teilen, so dass Ehegatten und nicht Unternehmen bevorzugt behandelt werden. Gerade dort, wo Eheleute mit nichts begonnen und ein Vermögen geschaffen haben, sind somit im Rahmen der Nachlassplanung die abgeschlossenen Eheverträge zu überarbeiten, um ein Unternehmen zusammenhalten zu können. Die Ausgangslage im Alter ist anders, als sie es zu Beginn der Beziehung und der Berufstätigkeit war. In der Schweiz bietet der Numerus clausus von Gütertrennung, Errungenschaftsbeteiligung und Gütergemeinschaft nur wenig Spielraum für die Planung. Möglich ist immerhin die Integralzuweisung der Errungenschaft an den überlebenden Ehegatten (bei gemeinsamen Kindern), die Zuweisung von berufsbedingten Vermögenswerten zum Eigengut statt zur Errungenschaft und die Bestimmung, dass Erträge des Eigenguts im Eigengut bleiben und somit bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht geteilt werden müssen. Häufig genügen diese auf das Kleingewerbe ausgerichteten Ausnahmen für die Wahrung eines Familienunternehmens nicht. Was, wenn (wie so oft) das Familienvermögen nicht in liquiden Mitteln, sondern in Aktienbesitz besteht? Was soll vorgehen, die Existenzsicherung des Ehepartners oder die Kontinuität und Gewährleistung des Familienunternehmens?

„Bei der Nachfolgeplanung wird oft die Bedeutung des ehelichen Güterrechts unterschätzt“

Die häufigste Form einer Regelung zugunsten des überlebenden Ehegatten besteht darin, dass diesem im Rahmen eines Ehevertrags die gesamte Errungenschaft zugewiesen wird. Diese Lösung bietet sich gerade dann an, wenn kein nennenswertes voreheliches Vermögen vorhanden war, welches als Eigengut in die Erbmasse fallen würde. Die Realitäten der modernen Familien, welche häufig Kinder aus verschiedenen Beziehungen in der Erbengemeinschaft zusammenfassen, schränken diese aber wiederum ein, weil nicht gemeinsamen Kindern mittels ehevertraglicher Verfügungen der Pflichtteil nicht entzogen werden darf.

Erbrechtlich waren bisher die Pflichtteile ausnahmslos zu wahren. Nun werden im Rahmen der Erbrechtsrevision verschiedene Änderungen umgesetzt. Bereits per 1. Januar 2023 wurde der Pflichtteil der Nachkommen von drei Vierteln auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs reduziert und der Pflichtteil der Eltern der kinderlosen Erblasserin gänzlich abgeschafft. Damit ist die verfügbare Quote größer geworden.

Eine Änderung der gesetzlichen erbrechtlichen Folgen über die Verfügungsfreiheit hinaus ist in Erbverträgen zu regeln. Die Kinder sind in diese Überlegungen mit einzubeziehen. Gerade bei gemeinsamen Kindern können diese zugunsten des überlebenden Ehegatten auf den Pflichtteil verzichten, als Absicherung werden Wiederverheiratungsklauseln aufgenommen.

Die zweite Phase der Erbrechtsrevision sieht gezielte Massnahmen zur Vereinfachung der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge vor. Der vom Bundesrat vorgeschlagene Entwurf zur Anpassung des Zivilgesetzbuchs, der derzeit im Parlament diskutiert wird, umfasst Neuerungen wie die Möglichkeit der Integralzuweisung eines Unternehmens, die Gewährung eines Zahlungsaufschubs für Erben, die die Unternehmen übernehmen, spezifische Regelungen zur Bewertung des Unternehmens im Falle der Ausgleichung sowie den Schutz der nicht übernehmenden pflichtteilsberechtigten Erben.

Zudem ist in der Schweiz ein Trustrecht im Entstehen, und die bevorstehende Revision des IPRG beinhaltet unter anderem eine teilweise Harmonisierung mit der EUErbVO, eine Anpassung der Zuständigkeits- und Anerkennungsregeln sowie die Beibehaltung des Wohnsitzes im internationalen Erbrecht.

Auf gesellschaftsrechtlicher Ebene bieten sich Aktionärsbindungsverträge mit Verfügungsbeschränkungen im Sinne einer Familienverfassung ebenso an wie die Neugestaltung von Unternehmensstrukturen, eine Unterscheidung zwischen Geschäftsführungs- und Dividendeninteresse, die optimale Voraussicht bei der Besetzung von Verwaltungsrat und Management, der Ausgestaltung der Betriebsorganisation sowie die Integration von Optionen, Mitarbeiterbeteiligungen und Boni. Zentral ist auch die Beurteilung, ob eine proaktive Befähigung und Miteinbezug aller oder nur einzelner zukünftiger Erben angesichts der Interessenlage aller Beteiligten sinnvoll ist. Ein Kernpunkt ist die Regelung einer nachvollziehbaren und für alle Erben akzeptablen Methode der Wertermittlung von Unternehmen und Liegenschaften.

Bei all diesen Überlegungen ist stets als Alternative abzuwägen, ob ein Verkauf des florierenden Unternehmens in seiner Blüte für die gesamte Familie nicht nur leicht zu teilendes Barvermögen schaffen könnte, sondern auch den Ausschluss möglicher jahrelange Prozesse.

ITALIEN – DIE TRADITION IST DIE FAMILIE – PATTO DI FAMIGLIA – FOREVER!

Die Lage in Italien ist sehr stark von seinen Traditionen und Gepflogenheiten geprägt. Fast alle KMUs in Italien (85 %) sind als Familienunternehmen organisiert. Zudem ist Italien das EU-Land mit dem höchsten Anteil an Führungskräften über 70 Jahre (29 %). Damit ist klar, dass auch hier in den nächsten Jahren die meisten Familienunternehmen einen Generationswechsel vollziehen müssen.

Noch viel stärker als in Deutschland oder der Schweiz ist die Familie mit ihrem Umfeld, ihren persönlichen Beziehungen und über die „Firma“ hinausgehenden zu respektierenden Verhältnissen der maßgeblich organisatorische Aspekte der Familienunternehmen. Dies und die damit zusammenhängenden tiefgreifenden emotionalen Faktoren sind tatsächlich häufig Hindernisse, die einer wirtschaftlich rational bestimmten Unternehmensnachfolge im Wege stehen. In der Praxis bilden sich derzeit drei Modelle heraus – zwei interne und ein gemischtes Modell mit externem Minderheitsgesellschafter.

„In der Praxis bilden sich derzeit drei Modelle heraus – zwei interne und ein gemischtes Modell mit externem Minderheitsgesellschafter“

Das erste Modell ist die Bildung einer Familienholding. Hier werden die Anteile vom Patriarchen allen Erben zu Eigentum übertragen, häufig geschenkt, aber der Nießbrauch, samt allen Entscheidungsbefugnissen, behalten. Bis zum Tode des Patriarchen behält diese alle Entscheidungsgewalt, aber eine Erbschaftsteuer fällt nicht an, da die Erben das Eigentum bereits erhalten hatten.

Das zweite Modell ist der „patto di famiglia“, gemäß Art. 768 bis ital. BGB, mit dem der Patriarch die Mehrheit der Anteile (sowie die Entscheidungsvollmacht des Unternehmens) an einen oder mehrere Nachkommen überträgt. Behalten die Begünstigten diese mindestens fünf Jahre, werden erhebliche Steuernachlässe gewährt. Der „patto“ muss mittels notarieller Form mit dem Ehegatten und all jenen Personen, die zum Zeitpunkt der Protokollierung pflichtteilsberechtigt wären, geschlossen werden. Die Begünstigten haben die anderen abzufinden, sofern diese nicht in der Urkunde auf eine Abfindung verzichtet haben. Die Abfindung kann auch ganz oder teilweise in der Übertragung von anderen Vermögensgegenständen außerhalb des Unternehmens, zum Beispiel Immobilien, erfolgen. Sofern alle Pflichtteilsberechtigten teilnehmen, werden nach diesem Modell praktisch keine Erbschaftsteuern fällig.

In der Praxis zeigt sich zunehmend ein drittes Modell, der Verkauf einer Minderheit (bis zu 40 %) an Dritte zu veräußern, unter der Bedingung, dass die Mehrheit „in der Familie“ bleibt, die häufig als leitende Angestellte mit vielen fringe benefits bereits tätig sind. Obwohl viele der Firmen tolle Erfolge und einen hervorragenden Marktanteil aufweisen können, ist die Erwerbsstruktur, weil patriarchalisch geprägt, wenig für einen Dritten vorbereitet. Auch ist die Durchführung einer (üblichen) Due Diligence für viele italienische Familienunternehmen nicht nur ein tatsächliches Thema, sondern häufig auch ein emotionales, das Dritten den Zugang zum Unternehmen erschwert.

Das dramatisch hohe Alter der Führungskräfte und die Vielzahl der Familienunternehmen am Gesamtumfang aller Unternehmen zeigen große Ähnlichkeiten zu dem Projekt „Unternehmensnachfolge“ auch jenseits der Alpen.

Heft 03 | 2024 | 73. Jahrgang